Umweltschutz
So kann Nachhaltigkeit im Alltag funktionieren

Danica Dähn arbeitet im Weltladen in Singen. Dort wird in mehrerer Hinsicht auf Nachhaltigkeit geachtet. | Foto: Amrit Raj
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  • Danica Dähn arbeitet im Weltladen in Singen. Dort wird in mehrerer Hinsicht auf Nachhaltigkeit geachtet.
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Landkreis Konstanz. Nachhaltigkeit hat seit einigen Jahren eine immer zentralere Rolle in unserer Gesellschaft eingenommen. Seien es Verpackungen, die unnötig verschwendet werden, Produkte, bei denen man sich nie sicher sein kann, wo und unter welchen Bedingungen produziert wurden oder Geräte, welche nach kurzer Nutzungsdauer kaputtgehen und auf dem Müll landen. In dieser Ausgabe stellt die WOCHENBLATT-Redaktion Projekte und Läden vor, die sich diesen Themen stellen und wie diese angegangen werden.

In der Arbeit des Weltladens in der Singener Ekkehardstraße spielt Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. „Als einzelner Weltladen sind wir in einer großen Gemeinschaft und Nachhaltigkeit ist Grundlage der Arbeit“, sagt Waltraud Spellenberg, eine der Initiatorinnen des Weltladens in der Stadt am Hohentwiel. „Der Blick geht auf den Produzenten.“ Denn diese sollen eben nicht nur für den Export produzieren, sondern auch für die Selbstversorgung und den heimischen Markt. Auch sollen vor Ort Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden.

Neben dem ökonomischen Faktor legt der Weltladen auch Wert auf ökologische Nachhaltigkeit. „Uns ist wichtig, dass regionale Rohstoffe benutzt werden.“ Dadurch werde die Menge an Transportwegen reduziert. Auch sei man früh in den Bioanbau gegangen. Zum einen, weil Dünger für die örtlichen Bauern oft teuer sei, zum anderen, weil sie mitunter Schwierigkeiten mit dem Einsatz von Pestiziden gehabt und sich dadurch selbst vergiftet hätten. Auch die Importeure achten darauf, möglichst nachhaltig zu sein, meint Waltraud Spellenberg. Etwa durch Energiegewinnung durch Photovoltaikanlagen, ökologische Verpackung oder Ausgleichszahlungen, die wiederum oft in die lokalen Produzenten investiert werden.

Gut 50 Jahre gibt es die Weltladen-Bewegung bereits. Das Team des Ladens, der heute in Singen zu finden ist, blickt auf 43 Jahre zurück. „Wir sind alle professioneller geworden“, ist sich Waltraud Spellenberger sicher. Die Qualität der Ware habe sich weiterentwickelt und könne mit Markenartikeln mithalten. Zudem hätten sich viele Projekte angesichts von Coronapandemie und Naturkatastrophen dank guter Strukturen als widerstandsfähig herausgestellt. Was den lokalen Partnern aber zu schaffen mache, seien die Auswirkungen des Klimawandels. (tol)

Nachhaltigkeit durch weniger Verpackungen

Ein weiteres, spannendes Konzept in Sachen Nachhaltigkeit gibt es mit den Unverpackt-Läden. Um Verpackung zu sparen, können hier eigene Behälter über Spender mit Lebensmitteln befüllt werden. Mit „MelVi’s Unverpackt und Café“ gibt es in der Stockacher Oberstadt einen Vertreter in der Region. Neben Drogerieartikeln und Lebensmitteln gibt es dort auch (teils vegane) Kuchen und Torten, sowie vier Frühstücksvarianten. Den Anstoß zum Umdenken gab den Inhabern, Melanie und Sebastian Kube, ihr Sohn. Schon im Alter von etwa drei Jahren habe dieser sie mit vielen Fragen konfrontiert, durch die sie sich mit ihren bisherigen Perspektiven zu manchen Themen neu auseinandersetzten.

„Ich würde einen Einkauf in einem Unverpackt-Laden als Erlebnisreise beschreiben“, sagt Melanie Kube. „Man setzt sich mehr mit dem Lebensmittel und der Menge, die man braucht, auseinander.“ Bei den Gefäßen seien ebenfalls kaum Grenzen gesetzt, „zum Beispiel Dosen egal aus welchem Material, Stoff- oder Gefrierbeutel. Der Kunde wiegt seine mitgebrachten Gefäße an der Kundenwaage ab und füllt das gewünschte Produkt rein.“

Weiter betont Melanie Kube, dass die Waren im MelVi’s biologisch, fair und regional produziert werden, bei nichtregionalen Produkten „wird auf soziales Engagement und Fair Trade geachtet.“ Ähnliches, von Lebens- bis hin zu Reinigungsmitteln, gebe es in Drogerie- und Supermarkt ebenfalls, seien dann aber teils noch teurer. Neben den selbstbestimmten Mengen und dem nachhaltigen Bezug sieht die Inhaberin den eingesparten Müll als eindeutigen Vorteil.

Ihr Laden werde insgesamt „sehr, sehr gut angenommen“ und sie bemühe sich weiter zur stetigen Verbesserung, etwa um Kundenwünsche zu erfüllen. „Neue Produkte zu ergattern, stellt sich manchmal als schwierig heraus“, erzählt Kube, immer stehe das Wohl „der Umwelt, der Lebewesen und der Erzeuger“ im Vordergrund. Fast alle ihrer 40 Lieferanten kenne das Paar persönlich, „darauf sind wir besonders stolz“. (ak)

Weitergeben statt wegwerfen

Um bei nachhaltigen Läden zu bleiben: Seit etwas weniger als zwei Jahren gibt es in Engen den Secondhand-Laden "Topf und Knopf", entstanden aus der damaligen Kleiderkammer wurde er am 5. Juli 2021 zum ersten Mal geöffnet. Dabei war beim Umbau schon sehr wichtig, dass dieser Ort mehr sein sollte, als eine Anlaufstelle für Bedürftige. Es sollte auch ein Ort der Nachhaltigkeit sein, an dem jeder Gegenstände abgeben und zum kleinen Preis kaufen kann.

Beim genaueren Hinschauen merkt man zwar noch, dass es sich um eine alte Küche handelt, es wurde jedoch einiges an Kreativität hineingesteckt, sodass trotzdem eine charmante und geräumige Lösung umgesetzt werden konnte. Jeden ersten und dritten Montag im Monat ist der Laden geöffnet und sehr gut besucht, mit "Publikum aus allen Schichten und auch Stammpublikum", berichtet Bianca Trebbe, die den Laden für und mit dem Verein "Unser buntes Engen" betreut. Diesem kommt auch der Erlös zugute.

Zu finden ist in den Regalen einiges, das macht die Integrationsbeauftragte der Stadt Engen, Lisa Hensler, bei einer kleinen Tour durch die Reihen deutlich. Da die Kleiderkammer zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Stelle antrat, nur spärlich genutzt wurde, setzte sie sich zeitnah für eine Umgestaltung "für alle" ein. Heute, wo der Laden teils auch als sozialer Treffpunkt genutzt wird, scheint das erreicht, auch wenn sie sicher ist, dass auch mehr jüngere Besucher dort fündig würden. Von Kleidung für Damen, Herren und Kinder zu verschiedenen Anlässen, Geschirr, Spielwaren, Elektrogeräte und Bücher gibt es dort alles - vom Topf bis zum Knopf eben. Die Helfenden seien dort natürlich auch ganz schön gefordert, die Waren einzuräumen und zwischendurch wieder Ordnung in die durchwühlten Kleiderhaufen zu bringen.

Nachhaltigkeit beginnt bei dem Secondhand-Laden bereits damit, dass die Waren, statt dass sie weggeworfen werden, alle als Spenden ihren Weg in die Regale finden: Ist geöffnet und Platz im Lager, können aussortierte Teile einfach vorbeigebracht werden. Verkauft werden sie dann zu einem geringen Preis, an alle, die es brauchen können, so Bianca Trebbe. Dass es dort nur alten Kram gebe, findet sie nicht: "In der Regel bekommen wir wirklich Sachen, die tragbar oder verwendbar sind, oft auch noch mit Etikett, also Ware, die noch nie jemand anhatte. Und sehr viel Markenkleidung."

Die Dinge, die sie dann doch ausmustern, werden für Dirk Hartig von Pro Humanitate für Moldau gesammelt. "Neuerdings sammeln wir auch noch für den Sozialdienst katholischer Frauen in Singen Kinderkleidung, weil wir davon wahnsinnig viel haben." Nur solches, was sich wirklich nicht verwenden lasse, lande dann doch im Container. Genau das, Sachen nicht wegzuwerfen oder direkt neu zu kaufen, sondern wiederzuverwerten, sei für sie Kern der Nachhaltigkeit. "Es gibt einfach immer jemanden, der irgendwas brauchen kann, von dem, was wir hier haben. Was der eine nicht brauchen kann, hat der nächste vielleicht schon ewig gesucht." (ak)

Beschädigt bedeutet nicht gleich Müll

Auch beim Erfolgsmodell der Repair-Cafés verfolgt man einen ähnlichen Nutzen. 2009 in den Niederlanden ins Leben gerufen, gibt es mittlerweile knapp 2.600 solcher Angebote weltweit, knapp 600 davon allein in Deutschland und fünf im Landkreis Konstanz. „Hier geht es in erster Linie darum, bei alltäglichen Dingen wie Elektrokleingeräten, Computern oder Textilien die Nutzungsdauer zu verlängern und sie so vor dem Müll zu bewahren“, erzählt Stephanie Beinhorn vom Repair-Café Radolfzell.

„Bei all den verschiedenen Dingen, die wir hier reparieren, achten wir insofern auf Nachhaltigkeit, als dass wir die Geräte bestmöglich wieder in den Wertstoffkreislauf eingehen lassen möchten.“ Viele Besucher haben nicht selten auch eine emotionale Bindung zu ihren reparaturbedürftigen Geräten, verrät Beinhorn. „Einmal gab es eine ältere Dame, welche ihren Kassettenrekorder wieder reparieren lassen wollte, um Tonaufnahmen ihrer verstorbenen Schwester anzuhören.“

Für solche, aber auch andere Reparaturen braucht es ein fachkundiges Team. So habe man in Radolfzell derzeit acht bis zehn Reparateure und Näherinnen, die sich immer im Wechsel an den jeweiligen Terminen, an denen sie selbst Zeit haben, um die Anliegen der GeräteinhaberInnen kümmern, unter ihnen auch gelernte Elektrotechniker. „Unser Ziel ist es, die Besucher dazu zu motivieren, die Reparatur am Ende auch mal selbst in die Hand zu nehmen und deren Bewusstsein für die Nutzungsdauer ihrer Geräte zu schärfen.“

90 Prozent der ehrenamtlich Tätigen seien Beinhorn zufolge über 50 Jahre alt oder bereits in Rente. Es sei aktuell sehr schwierig, junge Menschen zu gewinnen: „Wir hatten schon zweimal einen jüngeren Reparateur bei uns, der jedoch aufgrund seines Studiums nicht mehr dabei ist.“ Es gebe bei ihnen die Idee, eine Waldorfschule, welche selbst eine Reparaturwerkstatt haben, zu besuchen, um dort die jungen Leute zu begeistern. „Zudem hoffen wir durch die Zusammenarbeit mit Fridays for Future in Zukunft auf vermehrt jüngere Bereitschaft.“ (pf)

Von Anja Kurz, Philipp Findling und Tobias Lange

Danica Dähn arbeitet im Weltladen in Singen. Dort wird in mehrerer Hinsicht auf Nachhaltigkeit geachtet. | Foto: Amrit Raj
Im Secondhandladen "Topf und Knopf" in Engen verkauft Bianca Trebe Dinge, die andere wegwerfen würden. | Foto: Anja Kurz
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Redaktion aus Singen

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