Die Region fragt, Berlin und Stuttgart antworten
Ist die Politik fair gegenüber Steuerzahlern?

"Die Region fragt – Berlin und Stuttgart antworten" | Foto: Amrit Raj
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Landkreis Konstanz. Bei unserer Rubrik "Die Region fragt, Berlin und Stuttgart antworten..." stellt die WOCHENBLATT-Redaktion Fragen an die Bundes- und Landtagsabgeordneten aus der Region. Im Rahmen unserer Kampagne für und mit Familienunternehmen haben auch diese die Möglichkeit, Fragen zu formulieren, die die Redaktion dann aufgreift.

Folgende Frage stellte Heike Wagenblast von der Firma Widmann in Singen:

"Ist die derzeitige Bundespolitik und Landespolitik noch fair gegenüber den Steuerzahlern und Zahlern von Sozialversicherungsbeiträgen? Bitte begründen Sie Ihre Bewertung."

Dr. Lina Seitzl, SPD, MdB:

Dr. Lina Seitzl, SPD. | Foto: swb-Archiv
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"Ja. Denn mit den Steuergeldern tätigt der Bund vor allem Ausgaben für die Gemeinschaft, zum Beispiel für die Unterstützung von Familien und zur Vermeidung von Altersarmut, für unsere gemeinsam genutzte Infrastruktur, für Bildung und Forschung im Gesundheitsbereich und für den Umweltschutz. Diese und viele weitere Aufgaben werden durch Steuern und Abgaben finanziert und kommen uns allen im täglichen Leben zugute. Durch die hohe Inflation in den letzten beiden Jahren bleibt vielen trotzdem weniger im Geldbeutel übrig. Das haben wir in der Regierung im Blick und deshalb durch die Absenkung der sogenannten kalten Progression, der Erhöhung des Steuergrundfreibetrags sowie des Kindergelds und des Kinderbeitrags insbesondere Familien und Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen entlastet. Zusätzlich hat der Bund fast 300 Milliarden Euro im Rahmen der Entlastungspakete zur Verfügung gestellt, zum Beispiel mit der Strom- und Gaspreisbremse. Auch das hat dazu geführt, dass die Menschen wieder mehr im Geldbeutel haben."

Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP, MdB:

Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP. | Foto: privat
  • Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP.
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"Nein. Deutschland ist Abgabenvizeweltmeister. Das hatte im letzten Jahr die OECD herausgefunden. Wir konnten als Bundesregierung im letzten Jahr endlich die Trendwende erzielen und die Abgabenlast ist erstmals seit 14 Jahren signifikant gesunken. Das ist aber noch lange nicht ausreichend. Wir müssen die Abgabenlast weiter senken, dafür setzen wir uns als FDP tagtäglich in der Bundesregierung ein. Das ist nicht immer einfach bei zwei Koalitionspartnern, die gerne Steuern erhöhen würden, der Erfolg aus 2023 zeigt aber, dass die FDP sich hier in der Regierung durchsetzt. Die Abgabenlast ist nicht nur für die Zahler von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu hoch, auch Unternehmen sind übermäßig belastet. Es ist klar, dass Deutschland eine Wirtschaftswende braucht. Die CDU/CSU verweigert sich konkreten Maßnahmen zur Erneuerung des Wirtschaftswachstums. Das ist verantwortungslos."

Andreas Jung, CDU, MdB:

Andreas Jung, CDU.  | Foto: Otto Kasper Studios
  • Andreas Jung, CDU.
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"Nein, es gibt erheblichen Reformbedarf und der Schlüssel liegt dabei namentlich in der Bundespolitik. Viele Menschen arbeiten jeden Tag hart und erwirtschaften so auch unseren Sozialstaat. Ihre Leistung muss sich lohnen. Wir brauchen Respekt für Leistung statt Debatten über Vier-Tage-Wochen. Unumgänglich ist eine grundlegende Reform des Bürgergelds, wer arbeitet, muss spürbar mehr bekommen. Die Sozialabgaben müssen auf 40 Prozent gedeckelt werden. Überstunden müssen bei Vollzeitbeschäftigung steuerfrei gestellt werden. Um eine weitere Schieflage abzuwenden, müssen Steuerfreibeträge nach der deutlichen Erhöhung des Bürgergelds zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen noch für 2024 erhöht werden. Die Gesamtbelastung durch Unternehmenssteuern muss sinken, der Soli muss auch für mittelständische Betriebe entfallen. Die Milliarden-Einnahmen aus der steigenden CO₂-Bepreisung müssen wie von allen versprochen zurückgegeben werden, in einem ersten sofort umsetzbaren Schritt durch die Senkung von Stromnebenkosten für alle - nach dem Wegfall der EEG-Umlage geht das durch Reduzierung der Netzentgelte und der Stromsteuer."

Dorothea Wehinger, Die Grünen, MdL:

Dorothea Wehinger, Die Grünen. | Foto: Büro Wehinger
  • Dorothea Wehinger, Die Grünen.
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"Ja, nach wie vor ist die derzeitige Bundespolitik und Landespolitik fair gegenüber den Steuerzahlern und Zahlern von Sozialversicherungsbeiträgen. Die Verteilung unserer Steuern wird im Grundgesetz aufgeführt. Wer in Deutschland aus welcher Steuer finanzielle Mittel erhält, wird dort präzise geregelt. Außerdem ist in unserem Grundgesetz das Sozialstaatsprinzip als Staatsziel verankert. In einem Sozialstaat zielen die Steuer- und Sozialversicherungssysteme darauf ab, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit herzustellen und dadurch eine solidarische Teilhabe aller zu gewährleisten. In einem solchen Sozialsystem trägt jemand, der mehr verdient, in der Regel mehr durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bei. Dieses progressive Besteuerungssystem teilt Ressourcen um und unterstützt die, die finanzielle Unterstützung benötigen. Durch die Bereitstellung von sozialen Dienstleistungen und Absicherungen profitieren alle Bürger:innen von einem sozialen Netz, das in Zeiten von Notlagen oder wirtschaftlichen Herausforderungen greift. Daneben werden von Steuern zum Beispiel Straßen gebaut, in Bildung investiert und das Gesundheitswesen für alle finanziert. Das System stellt dadurch meiner Meinung nach eine faire Verteilung der Lasten und Nutzen in der Gesellschaft sicher."

Nese Erikli, Die Grünen, MdL:

Nese Erikli, Die Grünen. | Foto: Nese Erikli
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"Als Mitglied des Finanzausschusses im Landtag setze ich mich dafür ein, dass der Staat mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verantwortungsbewusst umgeht. Die meisten Ausgaben entfallen daher auf Bereiche, die allen Menschen zugutekommen: Bildung, Straßenbau, öffentlicher Nahverkehr, Hochschulen, Polizei oder Feuerwehr. Fair bedeutet, dass wir in einem funktionierenden und handlungsfähigen Staat leben und alle davon profitieren und am Leben der Gesellschaft teilhaben können: Danach richtet das Land seine Finanzpolitik aus."

Hans-Peter Storz, SPD, MdL:

Hans-Peter Storz, SPD. | Foto: of/ Archiv
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"Grundsätzlich ja. Doch dieses Urteil muss ich mit deutlichen Einschränkungen versehen.
Lohn- und Einkommenssteuer orientieren sich in unserem Land am Prinzip: Starke Schultern können mehr tragen als schwache. Das ist richtig so. Aber unser Steuersystem hat einen gravierenden Mangel: Die Steuern und Abgaben auf Arbeitseinkommen sind zu hoch. Hohe Vermögen werden dagegen kaum besteuert. Auch hohe Erbschaften sind ohne Grund steuerlich begünstigt. Das ist nicht gerecht. Deswegen wollen wir Sozialdemokraten das ändern.
Den Sozialversicherungsbeiträgen stehen Gegenleistungen in Form von Rente oder medizinischer Versorgung gegenüber. Dadurch erhalten wir alle Sicherheit im Alter oder bei Krankheit. Allerdings dürfen Beamte und Selbständige aus dieser Solidargemeinschaft ausscheren. Das macht unser System teurer als nötig und ungerecht: In der medizinischen Versorgung hat sich teilweise eine Zwei-Klassenmedizin herausgebildet. Ungleichbehandlung in der Altersversorgung birgt sozialen Sprengstoff. Das konnten von uns durchgesetzte Reformen wie die Grundrente abmildern, aber noch nicht vollständig lösen. Die SPD fordert daher eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Doch dafür gibt es leider noch keine Mehrheit. Das wollen wir ändern."

Bernhard Eisenhut, AfD, MdL:

Bernhard Eisenhut, MdL | Foto: Herr Dr. Thomas Hartung
  • Bernhard Eisenhut, MdL
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"Nein! Von deutschen Steuerzahlern erwirtschaftetes Geld müsste zuerst in Deutschland und zum Wohl der Deutschen investiert werden. Das Gegenteil ist aber der Fall und wir erleben, dass Milliarden für Projekte im Ausland wie Radwege oder ein umweltschonendes Bussystem in Peru oder als Entwicklungshilfe an führende Volkswirtschaften wie China oder Indien verschleudert werden, während bei uns soziale Standards abgebaut werden und für die grundlegende Infrastruktur kein Geld mehr da sein soll.
Wer heute Sozialbeiträge bezahlt, tut dies nicht nur auch für Rentner, die ihren Beitrag bereits geleistet haben, für Kinder und Jugendliche, die noch ihren Beitrag leisten werden oder Bedürftige, die ein funktionierendes Sozialsystem auch auffangen kann, sondern auch für jeden arbeitsfähigen Leistungsverweigerer und diejenigen, die noch nie einen Beitrag geleistet haben und es absehbar auch nicht werden. Wer Solidarität von den Bürgern fordert, muss auch dafür sorgen, dass das System gerecht bleibt, sich Arbeit wieder lohnt und nicht immer mehr Leistungsempfänger importiert werden."

Autor:

Redaktion aus Singen

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