Landkreis Konstanz
Die Region fragt ... Berlin und Stuttgart antworten
Hohe Wellen schlägt derzeit der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Viele private Immobilienbesitzer von Bestandsgebäuden befürchten hohe Investitionen oder gar den Hausverkauf, weil sie sich eine klimafreundlichere Heizung und die entsprechende energetische Sanierung nicht leisten können. Zu diesem »heißen« Thema stellte das WOCHENBLATT den Bundestags- und Landtagsabgeordneten aus der Region folgende vier Fragen:
1. Wie stehen Sie zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Ampel-Koalition?
2. Sehen Sie Verbesserungsbedarf und wenn ja, welchen?
3. Was raten Sie Hauseigentümern von Bestandsgebäuden?
4. Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus?
Dr. Lina Seitzl, SPD, MdB:
»1. Die Wärmeversorgung nachhaltig und klimaneutral zu gestalten, ist ein wichtiger Schritt, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Hierfür ist das Gebäudeenergiegesetz ein wichtiger Schritt. Entgegen der teilweise in der Öffentlichkeit geführten Diskussion sieht der Gesetzesentwurf keine Austauschpflicht bestehender Gas- und Ölheizungen vor. Lediglich neu einzubauende Heizungen müssen ab 2024 zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen betrieben werden. Das können Wärmepumpen sein, aber auch andere Technologien sind möglich. Für Konstanttemperaturkessel gilt dagegen bereits nach heutiger Gesetzeslage eine Austauschpflicht nach 30 Jahren, wobei auch hier bereits Ausnahme etwa für seit langem eigengenutzt Immobilien geregelt sind. Das ist nicht neu und technisch sinnvoll, da bestehende Gas- oder Ölheizungen in der Regel bereits nach 20 Jahren wegen Effizienzverlusten und erhöhter Ausfallwahrscheinlichkeit ersetzt werden.
2. Das geplante Gebäudeenergiegesetz liegt derzeit erst als Entwurf der zuständigen Ressorts Wirtschaft und Bau vor. Wie immer gilt im Gesetzesverfahren, dass kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es von der Regierung eingebracht wurde. Mir ist es besonders wichtig, dass die Wärmewende für alle finanzierbar ist. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass es schnell Klarheit über das geplante Förderprogramm gibt. Das muss ausreichend ausgestattet sein und sollte meines Erachtens sowohl direkte Zuschüsse als auch steuerliche Anreize beinhalten.
3. Der Preisanstieg für fossile Energiequellen wie Öl und Gas, den wir seit einiger Zeit beobachten, wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren fortsetzen, auch weil der CO2-Preis in den nächsten Jahren steigt. Deshalb lohnt es sich auch finanziell, so bald wie möglich in eine energetische Sanierung zu investieren und auch bei der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energiequellen umzustellen, wenn die bestehende Heizung nicht mehr effizient heizt. Dafür stehen auch großzügige Förderprogramme von Bund und Land zur Verfügung.
4. Ich wohne in einem Mehrparteienhaus zur Miete. Das Haus wird mit Gas beheizt. Als Mieterin habe ich natürlich keinen Einfluss auf etwaige geplante Sanierungen.«
Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP, MdB:
»1. Deutschland muss klimaneutral werden. Einzelne Maßnahmen sind hierfür nicht der richtige Weg. Wir brauchen eine technologieoffene, praxistaugliche, sozial ausgewogene und so kosteneffiziente Lösung. Das ist aus meiner Sicht der sektorübergreifenden Emissionshandel mit hartem Deckel. Wenn es uns als Gesellschaft leichter fällt in einem Sektor mehr CO2 einzusparen als in einem anderen, dann sollten wir das, denn nicht jede Branche funktioniert gleich.
2. Im Gesetzesentwurf von Habeck wurden durch die Freien Demokraten auf dem Koalitionsausschuss bereits erhebliche Verbesserungen erreicht: Für bestehende Heizungen wird es keine Austauschpflicht geben. Gasheizungen sollen auch in Zukunft eingebaut werden können, wenn sie mit klimafreundlichen Gasen betrieben werden. Nun müssten Ersatzmaßnahmen mit ähnlicher CO2-Minderungswirkung noch auf das 65-Prozent-Gebot angerechnet werden können. Wer sich das nicht leisten kann, muss zwingend mehr Zeit zum Heizungstausch bekommen.
3. Nutzen Sie das kostenlose Erstberatungsgespräch für Energieberatung im Rathaus Singen und die Einschätzung zur PV-Eignung durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg sowie mögliche Fördermittel. Das 65-Prozent-Gebot kann nämlich auch mit Solarthermie erreicht werden. Darüber hinaus möchte ich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot hinweisen, nachdem Maßnahmen, die übermäßig teuer sind und sich nicht rechnen, nicht getroffen werden müssen. Für ältere Eigentümer gibt es längere Übergangsfristen und Ausnahmen.
4. Ich selbst bin als Mieterin nicht direkt vom GEG betroffen.«
Andreas Jung, CDU, MdB:
»1. Ich lehne das in dieser Form ab. Klar ist: Klimaneutralität 2045 bedeutet auch klimaneutrales Heizen. Deshalb müssen neue Gebäude eine umweltfreundliche Heizung haben und im Bestand muss Schritt für Schritt umgestellt werden. Aber das geht nicht mit der Brechstange, niemand darf überfordert werden. Und es muss technologieoffen sein.
2. Eine klimafreundliche Heizung ist teuer. Deshalb muss die Ampel ihre Kürzung zurücknehmen und die Investition wieder mit 50 Prozent fördern. Zusätzlich muss es noch stärkere Unterstützung für einkommensschwache Haushalte geben. Und der Häuslebauer selbst muss entscheiden, was für eine Öko-Heizung er einbaut. Die Ampel dagegen will in neuen Häusern sogar nachhaltiges Heizen mit Holz faktisch verbieten.
3. Jedes Haus ist anders. Deshalb lohnt sich eine Beratung durch das Handwerk oder einen Energieberater. So können passgenaue Lösungen gefunden werden. Und diese müssen dann auch politisch ermöglicht werden.
4. Wir wohnen zur Miete in einem alten Haus mit Gasheizung.«
Dorothea Wehinger, Die Grünen, MdL:
»1. Die Beratungen zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) gehen in die richtige Richtung – wir müssen schnell Schritte in Richtung Klimaneutralität einleiten, hier ist der Bereich ›Wohnen und Bauen‹ eine wichtige Stellschraube. Gebäude verursachen bis zu 40 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland, wenn zum Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser auch die Emissionen bei Bau und Rückbau berücksichtigt werden. Im Gebäudebereich können und müssen wir bis 2030 noch 152 Millionen Tonnen CO₂ einsparen, um die Lücke zum Klimaziel für den Gebäudebereich zu schließen.
2. Wir reden noch über einen Entwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, bei dem noch alle Stimmen gehört werden müssen. Die zuständigen Bundesministerien (BMWSB und BMWK) werden im Sinne unserer grünen Politik zur Energie- und Klimawende diese auch sozial gerecht mitgestalten und das mit sinnvollen Übergangslösungen, Härtefallregelungen und Förderprogrammen.
3. Ich rate, sich über energetische Förderprogramme für Gebäude zu informieren, die sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene angeboten werden. Je schneller in PV-Anlagen, Dämmung oder alternative Heizformen investiert wird, umso eher lohnt sich das und stärkt unsere Energieunabhängigkeit und schützt uns vor unvorhersehbaren Preissprüngen.
4. Wir haben bereits vor 20 Jahren eine PV-Anlage und Sonnenkollektor auf unser Dach installiert, ebenso eine Haus-Außendämmung vorgenommen.«
Nese Erikli, Die Grünen, MdL:
»1. Das Gebäudeenergiegesetz ist ein wesentlicher Schlüssel zur Bekämpfung der Klimakrise im Wärme- und Gebäudesektor. Mit dem Einbau erneuerbarer Heizungen stärken wir unsere Energieunabhängigkeit und schützen uns vor Preissprüngen. Gerade der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie problematisch unsere Abhängigkeit von Öl und Gas ist. Klar ist deshalb: Wir müssen uns aus der Abhängigkeit fossiler Energien lösen und noch mehr für den Ausbau erneuerbarer Energien tun. Das Gesetz verhindert demnach Fehlinvestitionen, indem es Planungssicherheit gibt. Die Menschen wissen dann, dass sie mit den erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren kostengünstiger und verlässlicher fahren.
2. Das Gesetz gilt ja nur für neu eingebaute Heizungen. Für die, die es gibt, ändert sich erst mal nichts. Ab dem nächsten Jahr sollen dann neue Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. So enthält der Entwurf Ausnahmen, beispielsweise wenn die Kosten für den Einbau unverhältnismäßig hoch sind. So sollen Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem oder mittlerem Einkommen stärker unterstützt werden. Wichtig ist: Bestandsheizungen können noch viele Jahre genutzt werden.
3. Bestehende Heizungen können weiterhin betrieben und repariert werden. Es lohnt sich aber langfristig, in erneuerbar betriebene Heizungen zu investieren. Denn sie werden bereits mit bis zu 40 Prozent der Kosten von der Bundesregierung gefördert. Es ist lohnenswert, sich über die Fördermöglichkeiten zu informieren. Davon profitieren auch diejenigen, die noch eine alte funktionierende Heizung im Keller haben. Wärmepumpen oder andere Anlagen mit erneuerbarer Wärme tragen zur Sicherheit und Preisstabilität bei, dies ist durch den Ukrainekrieg einmal mehr deutlich geworden.
4. Ich selbst wohne zur Miete, auch für mich war der Mieterschutz eine Frage. Der Gesetzesentwurf enthält mehrere Schutzklauseln für Mieterinnen und Mieter. Dementsprechend wird man vor der Weitergabe hoher Betriebskosten und einer hohen finanziellen Belastung geschützt.
Zukünftige Eigentümer werden ebenso nicht alleingelassen. In bestimmten Fällen greifen Sonderregelungen, wenn besondere Härte nachgewiesen werden kann.«
Hans-Peter Storz, SPD, MdL:
»1. Drei Viertel aller deutschen Wohngebäude werden mit Gas und Öl beheizt. Wie wir alle diesen Winter erlebt haben, ist es gefährlich, zu stark von ausländischen Energielieferanten abhängig zu sein. Deswegen ist das GEG mit seiner Forderung, neue Heizungen ab dem 1.1.2024 zu zwei Dritteln mit erneuerbaren Energien zu betreiben, grundsätzlich sinnvoll, um den den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Förderprogramme müssen Anreize schaffen und die Investition für alle bezahlbar machen.
2. Umweltfreundlichere Heiztechnologien kosten erheblich mehr Geld. Die vorgesehene Stichtagsregelung zum 1.1.2024 kann die Preise in die Höhe treiben. Deswegen sind flexible Übergangsregelungen notwendig. Was vielfach vergessen wird: Heizungsmodernisierungen gehen zu einem großen Teil zu Lasten der Mieterhaushalte. Diese werden im bestehenden Entwurf noch nicht ausreichend vor Überforderung und Übervorteilung geschützt.
Für Baden-Württemberg fordert die SPD im Landtag ein Landesprogramm, das den Heizungsaustausch fördert. Und ohne Handwerker, die neue Heizungen einbauen, geht gar nichts. Ein Landes-Kompetenzzentrum soll helfen, Fachkräfte zu gewinnen und fortzubilden.
3. Ein niedriger Energieverbrauch schützt nicht nur vor Preissteigerungen, sondern erhöht den Wert einer Wohnimmobilie. Eigentümer sollten unabhängig von gesetzlichen Vorgaben handeln und die optimale Strategie für ihre Gebäude entwickeln.
4. Vor zwei Jahren habe ich eine neue Gasheizung, die durch Solarthermie unterstützt wird, einbauen lassen.«
Autor:Ute Mucha aus Moos |
Kommentare