Ehinger Quakenzunft
»Sticheleien haben wir genug«
Ehingen. »Quak, Quak« – was einst ein Spottruf war für die unwissenden Ehinger, ist heute der Name ihrer ortseigenen Zunft und Häsfigur. Der Ehinger Quak kommt im ersten Moment etwas einschüchternd daher, die Maske mit einem langen Schnabel, das Gewand ganz in Schwarz und angelehnt an das Federkleid eines Kolkraben. Denn dieser Vogel war es, der einst über den Ort hereinfiel und die Bewohner ängstigte.
Das alles erzählte dem WOCHENBLATT Armin Oexle, der inzwischen 25 Jahre in der Vorstandschaft der Zunft ist und davon 14 Jahre selbst Präsident war. Dabei sei ihm zufolge zur Gründung des Vereins 1950 zunächst eine andere Figur, das »Durbeheckli«, namensgebend gewesen. Das waren Torfstecher, die den Torf (»Durbe«) im nahen Riedgebiet stachen und zu den »Heckli« aufbahrten.
Doch wie entstand nun der Quak?
Der stammt in gewisser Weise aus der Fortsetzung der Geschichte der »Durbeheckli«. Denn durch das Torfstechen wurde das darunterliegende Erdleben inklusive Gewürm und Getier frei. Angelockt durch dieses gefundene Fressen wurde Ehingen von einem Schwarm Kolkraben überfallen. Die Einheimischen fürchteten sich, da sie die Vögel nicht kannten und dachten, »dass der Teufel sich der Felder bemächtigt habe«, so der Verein auf seiner Webseite. Um sich von der Plage zu befreien, beteten die Ehinger und veranstalteten Prozessionen über die Felder, bis die Kolkraben verschwunden waren. Von diesem Geschehen bekamen natürlich auch die benachbarten Ortschaften Wind und verspotteten die Unwissenden mit dem Ruf der Kolkraben – »Quak, Quak«. Mit dem Quaken als Ehinger Fastnachtsfigur drehten sie den Spieß um und haben so heute in der fünften Jahreszeit die Lacher auf ihrer Seite. Eine Zeit lang existierten laut Armin Oexle die »Durbeheckli« und die »Quaken« nebeneinander, inzwischen sind die Torfstecher als Figur aus der Ehinger Fasnet allerdings so gut wie verschwunden.
Gesellschaftliche Bedeutung
Während viele der größeren Vereine, beispielsweise Musikvereine, schon länger bestehen, seien viele der jüngeren erst in der Nachkriegszeit entstanden, so auch die Quaken im Jahr 1950. »Da hat die Gesellschaft versucht, wieder zu ihrer Normalität zurückzukommen. Es war ja alles zerstört, nicht nur die Ortschaften, sondern auch das gesellschaftliche Leben«, ergänzt Oexle.
Abgesehen davon gehöre die Fastnacht auch grundlegend zusammen mit der sich anschließenden Fastenzeit: »In den katholischen Kirchengemeinden hat die Fastnacht einen ganz anderen Stellenwert. Vor dem Aschermittwoch hat man dann nochmal über die Stränge geschlagen. Der ›Schmotzige Donnerstag‹ kommt ja eigentlich vom Fett und vom Einmachen.«
Er selbst beschreibt sich als gesellschaftlichen Menschen. Dies sei auch der Grund, weswegen er beim Narrenverein gelandet sei, nachdem er beim Musikverein aus beruflichen Gründen ausgetreten war. Kurzerhand wurde er »vom Narrenverein akquiriert, mit der Aussage: ›Man hat ja bloß fünf Tage Fastnacht.‹« Daraus wurde dann sogleich eine Rolle als Beirat, die er auch heute wieder bekleidet. Müsste er wählen, bei einem Umzug zuzusehen oder selbst mitzulaufen, wäre die Antwort klar: »Ich bin lieber einer, der von Anfang an schon dabei ist. Du triffst dich im Vorfeld, du gehst zusammen mit dem Bus dahin, du bist in einer Gesellschaft. Das ist einfach was Tolles, das erlebt man als Normalsterblicher so nicht.« Darin liegt wohl auch der Grund für die laut Oexle hohe Zahl von aktuell 413 Mitgliedern mit 280 aktiven Narren in dem Ort mit 1.300 Einwohnern. Bei der Hauptzunftfigur, dem Quak, seien es aktuell um die 75 Maskenträger, 25 davon Kinder. Da diese in der Saison an nur zwei oder drei Umzügen teilnehmen, können die Hästräger dann auch in voller Zahl auftreten, worauf er als alter Präsident besonders stolz sei.
Facettenreich
Da er bei seinem Wechsel vom Musiker zum Narr direkt in der Vorstandschaft gelandet war, kennt er die Rolle als Maskenträger nur bedingt. Nichtsdestotrotz kann er sich den Reiz des Häses gut vorstellen: »Man schlüpft in eine andere Rolle, zeigt nicht sein wahres Ich. Da ist irgendwas dazwischen.« Etwas, das auch dazu anrege, die Reaktion der Zuschauer auf die Maske auszutesten. Doch generell beschränke sich die Interaktion mit den Menschen am Rand auf das Verteilen von Süßigkeiten, von »Übergriffen«, wie sie oft von Hexen gefürchtet würden, distanziert sich der Ex-Präsident.
Auch die »Facette an tollen unterschiedlichen Figuren ist fantastisch«, was die regionale seiner Meinung nach klar von der schwäbisch-alemannischen Fastnacht abgrenze. Obwohl Ehingen als Doppelgemeinde zu Mühlhausen-Ehingen gehört und dadurch faktisch kein Rathaus hat, schätzt er die Absicht des Bürgermeisters Patrick Stärk, eine gestellte Erstürmung in dem rathauslosen Ort zu initiieren, um »diese Tradition weiter aufrechtzuerhalten«. Zu den fast schon unvermeidlichen Sticheleien zwischen benachbarten Dörfern, wie es auch speziell in Doppelgemeinden vorkommt, hat er ebenfalls eine klare Ansicht: »Die Fastnacht ist für manche ein ganz ernstes Thema. Was darf man eigentlich noch sagen und in welchem Ton? Es gibt vielleicht mal am bunten Abend einen Seitenhieb, aber ansonsten wollen wir das eigentlich schlichtweg vermeiden. Auf dieses Niveau möchten wir uns nicht herunterlassen. In der heutigen Gesellschaft haben wir genug Sticheleien untereinander, da muss es an der Fastnacht nicht auch noch sein.«
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Autor:Anja Kurz aus Engen |
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