Mangelhafte Postzustellung im Hegau und Singen
"Briefe haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung"
Gottmadingen. Dass die Post nicht immer pünktlich zustellt, ist längst kein Geheimnis mehr. Dies wollten die vier Gemeinden Gottmadingen, Hilzingen, Gailingen und Singen mit einem Experiment auf die Probe stellen - mit einem teilweise erschreckenden Ergebnis.
Im Zeitraum vom 17. und 18. sowie 24. und 25. September wurden insgesamt 342 MitarbeiterInnen der vier Gemeinden zweimal per Post angeschrieben. Dabei sollten sie in der Folgewoche den Briefkasten kontrollieren und auf den Tag genau den Eingang des Testbriefs dokumentieren, erläuterte Gottmadingens Bürgermeister Dr. Michael Klinger. Zudem musste auch dokumentiert werden, ob der Briefkasten am Vortag geleert wurde, um sicherzustellen, dass bei der Laufzeit der Briefe nicht versehentlich "Liegetage" in den Briefkästen mitdokumentiert wurden.
"Wir haben bewusst für den Zeitraum nach den Schulferien, sowie außerhalb der Weihnachtszeit gewählt, um keine dementsprechenden Beschwerden zu erhalten", so Klinger. Eingeworfen wurden die Briefe zwischen 12 und 13 Uhr, sprich während eines normalen Büroarbeitsalltags. Alle Briefkästen wurden noch am selben Tag zwischen 16 und 17 Uhr geleert.
Dabei lag die Rücklaufquote der auswertbaren Meldungen bei 236 Briefen oder 69 Prozent. "Bei 227 der Rückläufe konnten wir das Datum des Poststempels auswerten", erklärte Klinger. In allen diesen Fällen war dabei das Datum des Poststempels identisch mit dem Absendetag. "Die Briefe, an welchen der Stempel lesbar war, erreichten ohne Probleme noch am gleichen Tag das Verteilzentrum 78 in Villingen-Schwenningen." Die unterschiedlichen Laufzeiten ergeben sich einzig und allein aus der Verteilung der Briefe, welche das Verteilzentrum 78 nicht erreichten.
Verheerendes Ergebnis
Man habe sich für das Experiment in den vier Gemeinden entschieden, weil die Beschwerden der BürgerInnen an die Rathauschefs dort im Landkreis am gravierendsten war. Die Resultate fielen für die vier Bürgermeister mehr als ernüchternd aus. "Nur 65,7 Prozent, sprich 155 von 236 Briefen, kamen am Tag nach der Absendung beim Empfänger an." Dies liege weit unter der Vorgabe der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) von 80 Prozent. Am schlechtesten schnitt hierbei die Gemeinde Gailingen mit 52,9 Prozent ab, selbst der Bestwert mit 69 Prozent aus Singen verfehlte die Quote bei weitem. Selbst am zweiten Tag der Zustellung verfehlte die Post die Quote von 95 Prozent in allen vier Kommunen deutlich. "Wir hatten sogar einen Brief, der erst nach 13 Tagen beim Empfänger ankam", äußerte Michael Klinger sichtlich erschüttert.
"Dieses Ergebnis zeigt deutlich auf, dass sich nichts bei den Mitarbeitern, welche oft über der Belastungsgrenze arbeiten, sondern am ganzen System der Deutschen Post etwas ändern muss", verdeutlichte Singens OB Bernd Häusler. Man achte ihm zufolge nur auf die Wirtschaftlichkeit, was demnach der Qualität zulasten falle. "Auch wenn Briefe vielleicht nicht mehr die Bedeutung wie vor 20 Jahren haben, so hat diese Übermittlungsform weiterhin ihre Daseinsberechtigung, ist für viele Menschen immer noch wichtig", betonte Häusler. Neben dem bekanntlich hohen Personalmangel gibt es für Gailingens Schultes Dr. Thomas Auer ein weiteres, riesiges Problem bei der Post: "Es werden oft auch Zusteller völlig unterschiedlichen Bezirken zugeordnet, um nicht bei denselben Leuten zu verteilen." Zudem hätten Pakete mittlerweile Vorrang gegenüber Briefen, welche sich dann in den Verteilzentren zum Teil meterhoch stapeln. "Rückmeldungen von uns an die Post wurden lediglich mit netten Floskeln anstatt der Wahrheit abgehandelt", sagte Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer. Eine Sanktionsmöglichkeit sei ihm zufolge nicht möglich, da dies im Gesetzgebungsverfahren einfach ausgeblendet werde. "Wir werden hierbei schlichtweg veräppelt", ergänzt Bernd Häusler. Die bei der aktuellen Überarbeitung des Postgesetzes potenziell wegfallenden Nachtflüge bezeichnet er als "völlig unsinnig".
"Post" an die Bundesnetzagentur
"Wir werden nun als Konsequenz daraus ein Schreiben an den Präsidenten der Bundesnetzagentur (BNA) als Aufsichtsbehörde, Klaus Müller, schicken, weil es so nicht weitergehen kann", verdeutlicht Michael Klinger. Man sei es den BürgerInnen schuldig, dieses Thema aufzugreifen. Auch für Holger Mayer ist das Experiment ein klares Statement der Bürgermeister, so sei es "eine gute Grundlage dafür, unsere Argumente bei der BNA sowie in Berlin zu untermauern." Man habe im Sinne der BürgerInnen etwas Gutes erreicht und hoffe, dass gerade aufgrund der Überarbeitung des Postgesetzes dieser Appell bei den zuständigen Behörden Gehör findet.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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