Interview mit GMS-Rektorin Angelika Haarbach zum Neubau und sinkenden Schülerzahlen
»Wir streben gleiche Chancen für alle Kinder an«

GMS Angelika Haarbach | Foto: GMS-Rektorin Angelika Haarbach macht im WOCHENBLATT-Interview klar: »Das, was wir anstreben, sind gleiche Chancen für alle Kinder.«swb-Bild: Archiv/gü
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Radolfzell. Rund 12 Millionen Euro investiert die Stadt in den Neubau der Ratoldus Gemeinschaftsschule, dennoch hat die GMS - ähnlich wie weitere Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg - mit sinkenden Schüleranmeldezahlen zu kämpfen. Der Run auf die GMS scheint nach dem Starthoch bei ihrer Einführung zum Schuljahr 2012/13 und in den Folgejahren nun eine Kehrtwende zu erleben. Das WOCHENBLATT sprach deshalb mit Rektorin Angelika Haarbach.
WOCHENBLATT: Welchen Stellenwert schreiben Sie der Ratoldus-Gemeinschaftsschule in der Radolfzeller Bildungslandschaft zu?
Haarbach: »Unsere Schule ersetzt keine der anderen Schulen. Sie erweitert viel mehr das bestehende Bildungsangebot in dem Sinne, als die Kinder durch neue Lehr- und Lernformen ihr Potential finden und ausschöpfen. Dadurch gelangen sie zu verstärkter Eigenverantwortlichkeit und Zielstrebigkeit, wodurch sie dann den ihnen gemäßen Schulabschluss erreichen.«
WOCHENBLATT: Die Anmeldezahlen sind nicht nur bundesweit landesweit sondern jetzt auch in Radolfzell rückläufig – mit nur 19 Anmeldungen für die fünfte Klasse. Worauf führen Sie das zurück?
Haarbach: »Die Gemeinschaftsschule muss sich als etwas Neues/Unbekanntes erst etablieren, es erfordert das Vertrauen der Eltern, ihr Kind an einer Schule mit einem innovativen Konzept anzumelden. Auch die derzeitige Bausituation wirkt vermutlich zunächst abschreckend – aber die Kinder, deren Eltern sich für die Gemeinschaftsschule begeistert haben und sie angemeldet haben, werden im nächsten Jahr vom Neubau profitieren und sie profitieren schon jetzt – nach dem vor kurzem erfolgten Abschluss der Umbauarbeiten im Ostflügel – von den neuen modernen Fachräumen für Physik, Biologie, Chemie und Technik, sowie dem Küchentrakt.«
WOCHENBLATT: Wird sich das ändern, wenn Radolfzell die fertige Gemeinschaftsschule bekommt und die ersten Schüler ihren Abschluss an der Ratoldusschule gemacht haben?
Haarbach: »Ja, die Anmeldezahlen werden sich stabilisieren, wenn die Gemeinschaftsschule ein paar Jahre Zeit hatte, um einen festen Platz in der Schullandschaft einzunehmen. Erst nach einer Schülergeneration (bei uns 6 Jahre) werden unsere Schüler die Ratoldus Gemeinschaftsschule mit dem Realschulabschluss, dem Hauptschulabschluss oder mit der Versetzung in die gymnasiale Oberstufe – also mit unterschiedlichen Schulabschlüssen – verlassen haben und ihren weiteren beruflichen Weg gehen. Dann können wir sehen, wo wir stehen und ob das in uns gesetzte Vertrauen eine Bestätigung findet.«
WOCHENBLATT: Rund 12 Millionen Euro hat wird die neue Ratoldus-Gemeinschaftsschule gekostet kosten. Was entgegnen Sie MdL Jürgen Keck, der sagte, dass die GMS angesichts dieses Investitionssumme im Vergleich zu den restlichen Radolfzeller Schulen protegiert wird?
Haarbach: Die Gemeinschaftsschule ist eine Schulform, deren Einführung für ganz Baden-Württemberg geprüft und für zukunftsweisend befunden wurde. Mit der landesweiten Einführung einer neuen Schulform gehen zwangsläufig Bau- und Umbaukosten einher. Daher war hier eine Investition unumgänglich.
Die Stadt investiert insgesamt viel in die Betreuung und in die Bildung der Kinder. Aktuell größere Baumaßnahmen – außer der unsrigen – sind zum Beispiel für die Realschule und die Sonnenrainschule vorgesehen. Die Entscheidung, welche Schule welche Gelder bekommt, liegt in den Händen von Stadtverwaltung und Stadtrat. Und: Jeder Cent, der in die Bildung der Kinder investiert wird, ist immer gut angelegt.«
WOCHENBLATT: Kritiker bemängeln oft die Gleichmacherei und sehen Gefahren für begabte Schüler, die auf der Strecke bleiben könnten. Was entgegnen Sie diesen?
Haarbach: »Wenn wir irgendetwas nicht tun, dann die Kinder »gleich« zu machen. Hinter diesem Vorurteil steckt wohl die Angst, dass die Bestenauslese zu kurz kommen könnte.
Das Besondere an der Gemeinschaftsschule ist das individualisierte Lernen. Wir gehen also so individuell wie möglich auf die einzelnen Kinder ein und begleiten sie dabei, den für sie besten Lernfortschritt zu erzielen. Das, was wir anstreben, sind gleiche Chancen für alle Kinder, egal, welchen Hintergrund sie mitbringen.«

Das Interview führte Matthias Güntert.

- Matthias Güntert

Autor:

Redaktion aus Singen

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