Radolfzells Oberbürgermeister Martin Staab spricht im WOCHENBLATT-Interview Klartext – Teil Eins
»Wir bauen am Kapuzinerweg kein Lago oder ECE«

Foto: Im ersten Teil des Sommerinterviews mit dem WOCHENBLATT sprach Oberbürgermeister Martin Staab über die Halbjahresbilanz 2016 und warf einen blick in die Zukunft. swb-Bild: gü
  • Foto: Im ersten Teil des Sommerinterviews mit dem WOCHENBLATT sprach Oberbürgermeister Martin Staab über die Halbjahresbilanz 2016 und warf einen blick in die Zukunft. swb-Bild: gü
  • hochgeladen von Redaktion

Radolfzell (gü). Die Diskussion um die Seetorquerung hat die erste Hälfte des Jahres kommunalpolitisch bestimmt. Doch neben dem viel und heiß debattierten Radolfzeller Großprojekt wurden im zurückliegenden Halbjahr zahlreiche weitere Projekte und Vorhaben auf den Weg gebracht. Im großen Sommerinterview mit dem WOCHENBLATT zieht Oberbürgermeister Martin Staab seine ganz persönliche Halbjahresbilanz und wirft einen Blick in die Zukunft der Stadt. Denn zu besprechen gibt es einiges: die neue Gemeinschaftsschule, der geplante Einzelhandelschwerpunkt am Kapuzinerweg, die Wohnungsknappheit in Radolfzell und natürlich das alles überschattenden Thema, die Seetorquerung.

WOCHENBLATT: Die Gemeinschaftsschule wird mit 11,6 Millionen Euro teurer als erwartet. Bisher wurden mit rund sieben Millionen Euro kalkuliert. Halten Sie nach wie vor an dem Vorhaben fest?
Staab: »Wir brauchen die räumliche Erweiterung, da die Gemeinschaftsschule als weitere Schulform im Landesgesetz verankert ist. Die Landesregierung möchte ein fünfgliedriges Schulsystem haben und dem müssen die Kommunen als Schulträger Rechnung tragen. Hier werden sicherlich noch weitere Kosten auf uns zukommen. Nicht umsonst fordern unsere Verbände den Sanierungsstau bei den Schulen, der derzeit auf drei Milliarden geschätzt wird, durch Landesmittel zu unterstützen. Unsere Gemeinschaftsschule ist in Betrieb und muss für die Kinder auch eine entsprechende Form haben. Die Anmeldezahlen mit einer starken Zweizügigkeit sprechen dafür. Es ist eine Schulform, die sich auf lange Sicht etablieren wird.«

WOCHENBLATT: Wie wollen Sie die Mehrkosten finanzieren?
Staab: »Die Mehrkosten müssen wir im Haushalt finanzieren, sprich aus den laufenden Mitteln. Explizit für den Bildungsbereich, nicht für andere Vorhaben, haben wir in 2015 die Steuern erhöht. Diese Erhöhungen tragen bereits Früchte. Wir gehen davon aus, dass wir die Mehrkosten allein aus den Überschüssen von 2015 und 2016 decken können.«

WOCHENBLATT: Laufen die anderen Schulen im Stadtgebiet durch den Neubau der GMS Gefahr vernachlässigt zu werden?
Staab: »Die Realschule, die ebenfalls einen Erweiterungsbedarf hat, ist zeitgleich am Start. Das Gymnasium hat keinen großen Sanierungsbedarf. Abwarten müssen wir bei der Teggingerschule im Bereich Werkrealschule. Hier sind zwar die Raumangebote ausreichend, aber auch da ist ein Sanierungsbedarf vorhanden. Es wurde aber vereinbart, das nächste Schuljahr und die Anmeldezahlen abzuwarten, um dann zu entscheiden, ob die Werkrealschule Bestand haben wird. Wir werden aber keine Schule hinten anstehen lassen. Sowohl die GMS als auch die Realschule sind in unserem Finanzplan vertaktet.«

WOCHENBLATT: Lediglich 30 Prozent der Bürger stuften bei den Bürgerworkshops das Vorhaben, auf dem Kapuzinerareal einen Einzelhandelsschwerpunkt zu schaffen, als wichtig ein. Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?
Staab: »Wir wollen hier keine Einzelinteressen bedienen, sondern es geht uns bei diesem Vorhaben massiv um den Erhalt unserer Innenstadt. Dieser bedingt attraktive Einkaufslagen und attraktive Gastronomieangebot. Dies bedeutet aber auch, dass man am Rande der Altstadt einen Einzelhandelsschwerpunkt bildet, damit dann auch die Innenstadt durch Fußläufigkeit besucht wird. Vorschläge, diesen Schwerpunkt ins Gleisdreieck zu verlegen, helfen in diesem Fall wenig. Es geht nicht darum, dass wir irgendwo etwas schaffen, sondern, dass wir ganz bewusst eine zusätzliche Ansiedlung am Kapuzinerweg zum Erhalt der Altstadt vornehmen. Und wir bauen hier kein »Lago« oder »ECE«, sondern wir bauen etwas Angepasstes für die Größe von Radolfzell. Wir müssen möglichst viele Sortimente wieder in unserer Stadt anbieten können. Damit wir als Einkaufsstadt wieder attraktiv werden und die Menschen nicht nach Singen oder Konstanz pendeln müssen – das passt nicht zu einer ökologischen Stadt.«

WOCHENBLATT: Mit Blick auf die Wohnungsknappheit – wie will die Stadt bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen und Familien schaffen?
Staab: »Wir werden im Gemeinderat baulandpolitische Grundsätze nach der Sommerpause beschließen. Unser Vorschlag wird dabei lauten, ein Drittel soll zukünftig in allen Bereichen, wo die Stadt Einfluss nehmen kann, im sozialen Wohnungsbau entstehen. Das heißt dort, wo wir städtische Grundstücke für den Wohnungsbau veräußern, oder wo ein Investor einen Bebauungsplan von uns braucht. Wenn jemand allerdings ein Grundstück hat und dort ein Projekt realisiert, und das alles im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, können wir keinen Einfluss nehmen. Aber in allen anderen Bereichen wollen wir diese Zahl über den städtebaulichen Vertrag festschreiben. Damit wir eine gute Durchmischung bekommen. Wir wollen keine Ghettobildungen mit reinen Sozialwohnungen in bestimmten Stadtvierteln haben. Gut durchmischte Quartiere und Areale sind unser Ziel. Von den rund 1.500 Wohnungen, die in den nächsten Jahren entstehen sollen, hätten wir gerne 400 Wohnungen, die über Wohnberechtigungsscheine zu bekommen sind. Die Stadt selber wird für Obdachlose weitere 20 Wohnungen, entsprechend dem Antrag der Freien Wähler, in Eigenregie schaffen. Das ist aber nicht für den Sozialwohnungsbau gedacht, sondern für die allerschlimmsten Notfälle. Es ist zudem immer noch die große Hoffnung, dass durch eine Wohnung im oberen Preissegment eine bezahlbarere Wohnung wieder für den freien Markt frei wird. Damit müsste auch eine gewisse Entspannung eintreten. Was wir nicht abschätzen können, ist natürlich der Zuzug. Wir spüren den Druck aus Konstanz und anderen Teiles des Landes. Diesen Druck müssen wir aushalten.«

Eine Fortsetzung des Interviews mit OB Staab gibt es in der kommenden Printausgabe des Radolfzeller WOCHENBLATTES.

- Matthias Güntert

Autor:

Redaktion aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.