Stadt Radolfzell ordnet Räumung der »Schrebergartenländer Frankenwiesen« in Böhringen an
Kleingärtner fürchten um ihr Paradies
Radolfzell-Böhringen. Ein Garten kann ein echtes Stück Lebensqualität und in Corona-Zeiten auch ein Zufluchtsort sein. Dementsprechend groß ist zur Zeit die Verzweiflung bei den Pächterinnen und Pächtern der »Schrebergartenländer Frankenwiesen« in Böhringen, denn nachdem sie zum Teil viele Jahrzehnte nicht nur Herzblut sondern auch viel Geld in ihre Gartenparzellen investiert haben, sollen sie nun innerhalb von zwei Monaten alles abräumen. Zumindest wenn es nach dem Willen der Stadtverwaltung Radolfzell geht.
Was ist passiert?
Der Grund und Boden auf dem sich die Gärten befinden gehört der Erzdiözese Freiburg. Diese verpachtete das Land in den frühen 70er Jahren an die Stadt Radolfzell, welche es ihrerseits wiederum an verschiedene Kleingärtner verpachtete. Der Pachtvertrag zwischen Stadt und Kirche ist Ende 2020 ausgelaufen und damit entstand für die Kleingärtner ein Problem. Denn die Stadt möchte sich aufgrund von Sparmaßnahmen vom Verwaltungsaufwand für die Anlage trennen. »Eine Verlängerung wäre nur zu veränderten Konditionen möglich gewesen, die bereits etwa die Höhe der Einnahmen aus der Unterverpachtung an die Kleingärtner aufgezehrt hätten. Hier sind noch keine Personal- und Sachkosten berücksichtigt, sodass sich die Unwirtschaftlichkeit bereits hieraus ergibt«, schreibt die Pressestelle der Stadtverwaltung Radolfzell auf Nachfrage des Wochenblatts. Wie hoch die Personal und Sachkosten überhaupt sind, die für die Stadt entstehen, diese Frage kann die Stadt indes nicht beantworten, da diese Kosten noch nicht ermittelt worden seien.
Pächter wollen mehr bezahlen
Für die Pächterinnen und Pächter wäre das aber eigentlich gar kein Problem. Eine Parzelle in den Frankenwiesen kostet aktuell 15 Euro pro Jahr. »Wir wären selbstverständlich bereit sehr viel mehr zu bezahlen, um alle Kosten zu decken, die für die Stadt anfallen«, betont Marleen Edelmann, die Sprecherin der Kleingärtner, im Gespräch mit dem Wochenblatt. Doch auf dieses Angebot will die Verwaltung offenbar nicht eingehen. Wir müssen »auf die Gleichbehandlung achten. Alle Kleingärtner in der Stadt sind in eigenen Vereinen organisiert. Deshalb kann die Stadt nicht mit Steuermitteln einen Bereich zusätzlich unterstützen und die Verwaltungsaufgaben eines Vereins übernehmen«, heißt es aus dem Rathaus.
Für die Betroffenen ist das unverständlich. »Ich verstehe nicht, warum das nach all diesen Jahrzehnten, in denen alles reibungslos funktioniert hat, jetzt plötzlich ein Problem ist«, sagt Marleen Edelmann. Verhandlungen über eine Aufnahme in den Verein der Gartenfreunde Radolfzell blieben erfolglos und in den eigenen Reihen findet sich niemand, der sich eine Vereinsgründung zutraut.
»Wir haben der Stadt auch schon angeboten, ihr die Verwaltungsarbeit abzunehmen, aber auf keinen unserer Vorschläge wurde eingegangen«, beklagt sich Edelmann. Einzig die Schwelle der Vereinsgründung sei zu hoch für sie und ihre Mitstreiter.
Räumung bis 30. Juni
Deshalb hat die Verwaltung jetzt Nägel mit Köpfen gemacht. Am 21. April erfolgte die endgültige Aufforderung die Parzellen bis zum 30. Juni zu räumen. »Das ist viel zu kurzfristig«, findet auch FDP-Ortschaftsrat Wolfgang Tietze. Er hofft zusammen mit den Kleingärtnern, dass die Anlage noch zu retten ist und hat deshalb den Antrag eingebracht, dass sich der Ortschaftsrat für das Projekt einsetzen soll. »Wir brauchen allerdings mehr Zeit um eine passende Lösung für die Pächterinnen und Pächter zu erarbeiten«, so Tietze. Die Stadt Radolfzell betont indes: »Die Kündigung der Pachtverträge mit den Kleingärtnern »Frankenwiese« erfolgte bereits Ende des Jahres 2019 zum Ende der Saison 2020, sodass jedem Pächter dieser Umstand langfristig bekannt war und somit auch ausreichend Zeit für eine geordnete Übergabe an den Grundstückseigentümer bestand.« Gleichwohl schreibt Moritz Schade von der städtischen Pressestelle auf Nachfrage des Wochenblatts: »Wir sind im Gespräch mit dem Grundstückseigentümer um einen weiteren Aufschub zu erhalten. Damit wollen wir den Kleingärtnern die Chance geben zu erwägen über einen Verein oder eine Vereinsgründung die Anlage zu erhalten.«
Es heißt weiter bangen
Für die Kleingärtner heißt es also weiter bangen. Aufgeben, geschweige denn mit der Räumung der Parzelle beginnen möchte indes noch keiner. »Ich habe meinen Garten hier schon seit 34 Jahren und jetzt als Rentner soll ich ihn aufgeben?«, fragt einer der Kleingärtner merklich gerührt. Ihre Hoffnungen richten sich nun auf die Ortschaftsratssitzung am Mittwoch 19. Mai, in der auf Antrag von Wolfgang Tietze beraten werden soll, ob sich der Ortschaftsrat für eine Aussetzung der Kündigung zum 30. Juni einsetzen soll.
Wie Wolfgang Tietze im Gespräch mit dem Wochenblatt verrät hat er sich auch schon Gedanken zu einer möglichen Lösung des Problems gemacht, die er in der Sitzung vorstellen möchte. Ortsvorsteher Bernhard Diehl wollte zum Antrag vor der Beratung durch den Ortschaftsrat gegenüber dem Wochenblatt keine Stellungnahme abgeben.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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