Präsentation des Hegau Geschichtsvereins
Handwerk und Industrie Schwerpunkt im neuen Jahrbuch
Radolfzell. Kürzlich wurde das neue Jahrbuch des Hegau-Geschichtsvereins unter dem Titel "Handwerk und Industrie" im Kreis der Autoren und weitere Mitglieder wie Interessierter im Österreichischen Schlösschen vorgestellt und trägt auch schon die Handschrift des neuen Vorsitzendenden des rund 1.000 Mitglieder zählenden Vereins, Kreisarchivar Friedemann Scheck.
Angesichts auch des aktuellen Kostendrucks ist es etwas schlanker geworden, aber durch die wirkliche Konzentration auf das Titelthema auch prägnanter und so gut wie ohne "Zugaben" zu anderen Themen. Damit wolle man den Charakter eines Jahrbuchs einfach stärker unterstreichen und den Wert der Publikation noch verstärken. Es ist gleichzeitig das 25. Jahrbuch im seither durchgehenden Design und solange auch unter der Leitung von Franz Hofmann entstanden. Vom Hegau Geschichtsverein gibt es mittlerweile rund 80 Jahrbücher, von denen aber nur 66 wirklich als Buch erschienen waren.
Zu Handwerk und Industrie gibt es eine Menge an Geschichte aus dem Landkreis und wenn man die Auswahl der Themen betrachtet, könnte es eigentlich noch viel mehr Bände unter diesem Titel geben. Die Rückblicke der an diesem Band beteiligten acht AutorInnen machen jedenfalls Appetit auf mehr Stoff dieser Art.
Die "Titelstory" des Buchs kommt ganz am Schluss des Bands. Der Radolfzeller Historiker Christoph Stadler hat Gespräche mit fünf alten Handwerksmeistern aus der Stadt geführt und in die Geschichte ihrer Familienunternehmen Einblick genommen, die übrigens in der starken Überzahl als "Migranten" in die Stadt kamen, zum Beispiel in der Zeit des Eisenbahnbaus. Der erst kürzlich verstorbene Buchdrucker Heinz Uhl, Kachelofenbauer Heinz Frommlett, Malermeister Udo Biller, Gerald Schäuble als Blechner, Flaschner, Klempner, sowie Architekt und Zimmermann Siegfried Stier erzählen darin ihre und die Handwerksgeschichte ihrer Vorfahren und dokumentieren damit auch den enormen Wandel in dieser Zeit. Wie Stadler herausfand, war die Mehrzahl der Menschen vor 200 Jahren eben Handwerker für einen höchst lokalen Bedarf, und ein großer Anteil für die Versorgung mit Lebensmitteln zuständig, also Bäcker oder Metzger. Export war damals ein Fremdwort gewesen.
Das Thema Handwerk und Industrie wird in dem Jahrbuch, das es in den regionalen Bibliotheken wie im lokalen Buchhandel gibt, aus vielen spannenden Blickwinkeln beleuchtet. Ottokar Graf geht in seinem Beitrag auf die ehemalige Mühle in Worblingen ein, die schon längst Geschichte ist. Bernd Konrad hat sich auf die Spuren der einstigen Glasmaler-Werkstatt "Lütz und Elmpt" in Konstanz gemacht und damit eine Firma entdeckt, an der die Geschichtsschreibung aus unerklärlichen Gründen vorbeiging. Auch über die einstige Konservenfabrik auf der Reichenau, die eigentlich den Umbau der Insel vom Weinbau auf Gemüse einleitete, wurde bislang kaum beleuchtet. Helmut Fidler hat sich auf deren Spuren begeben. Das Unternehmen, an dem jüdische Mitbürger beteiligt waren, wurde von den Nationalsozialisten 1939 dichtgemacht. Vermutlich war die Fabrik noch vor Maggi die erste Produktionsstätte von Dosenravioli, hat Fidler herausgefunden.
Einst ein Vorreiter war in den 1970er Jahren die Firma Henke mit ihrem Schnallenskischuh, doch sie ging leider 1973 in Konkurs und Stein am Rhein verlor damals seinen größten Arbeitgeber mit über 500 Mitarbeitenden. Andreas Schiendorfer aus Thayngen hat damit auch die Geschichte des Übergangs vom Schuhmacherhandwerks zur industriellen Produktion im Kanton Schaffhausen plastisch aufbereitet.
Die Schatten der dunklen Zeit der Nazi-Herrschaft reichen auch in dieses Buch mit hinein. Uwe Brügmann stellt den jüdischen Architekten Josef Picard vor - und die Gebäude, die er hinterlassen hat, unter anderem in Konstanz. Carmen Scheide aus Singen vom Förderverein der Theresienkapelle arbeitet die Zeit der "Ostarbeiter", die natürlich Zwangsarbeiter in der Singener Industrie waren, wissenschaftlich auf. Und sie blickt in eine Zeit, als die Frauen in der Maggi als billige Arbeitskräfte genutzt wurden.
Hans-Dieter Kuhn geht in seinem Beitrag auf die Aluminium-Walzwerke in Singen und deren Rolle bei der Urbanisierung der Stadt unterm Hohentwiel ein.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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