Andreas Jetter und Irene Mattausch hören auf
Großartiges Abschiedsgeschenk an die Fan-Gemeinde im Münster
Radolfzell. Am Sonntag wurde im Radolfzeller Münster ein sehr emotionaler Gottesdienst gefeiert: Die Gemeinde verabschiedete ihren Münsterkantor Andreas Jetter und seine Ehefrau Irene Mattausch. Mit einem Kantatengottesdienst verabschiedete sich das Ehepaar, welches der Gemeinde Radolfzell so viel Gutes gegeben hatte.
Zu hören war die Kantate »Was Gott tut, das ist wohlgetan« von Johann Sebastian Bach, die als BWV 100 im Bach-Werke-Verzeichnis aufgeführt ist.
Pfarrer Heinz Vogel erklärte in einer ergreifenden Rede die Hintergründe dieser Kantate, die Bach 1732 und 1735 in Leipzig komponierte und dabei den Text von Samuel Rodigast verwendet. »Alte Worte, und alle Generationen hören sie«, sprach Pfarrer Vogel in seiner andächtigen Rede über Trauer, Hoffnung und Zukunft.
Die Zuhörer des gut besuchten Münster-Konzerts erlebten ein Klangerlebnis der besonderen Art. Bach hatte die aus sechs Sätzen bestehende Kantate mit vier Vokalsolisten besetzt. So ertönten die einzigartigen Stimmen von Mechthild Bach (Sopran), Simone Hofstetter (Alt), Jonas Bruder (Tenor) und Clemens Morgenthaler (Bass), der Jugendkantorei Radolfzell, des Münster- und Meinradschors sowie des Barockorchesters unter der Leitung von Noch-Münsterkantor Andreas Jetter. Dieser übernahm nicht nur das Dirigat, zur Freude aller ließ er seine Finger über die Orgeltasten fliegen. Einen kleinen Wermutstropfen gab es bei diesem Ohrenschmaus: Die große Kirchenorgel war wegen Umbaumaßnahmen eingerüstet und konnte nicht bespielt werden. Dafür standen weitere, für das Stück tragende Instrumente zur Verfügung, wie beispielsweise ein barockes Cembalo oder zwei Barockhörner, deren Musiker eigens aus Zürich angereist kamen.
Nach dem Gottesdienst hatte die Gemeinde zu einer offiziellen Verabschiedung ins Friedrich-Werber-Haus eingeladen.
Pfarrer Heinz Vogel erinnerte in seiner Dankesrede an die letzten Jahre. Die Pandemie-Zeit sei eine schwierige für die Chöre und alle Musizierenden gewesen. Doch auch der Weg zur Normalität sei schwierig. Pfarrer Vogels Liste war lang, als er aufzählte, dass nach Corona die Renovation des Kirchenschiffs und der Orgel begonnen habe, ein intensiver Prozess auf dem Weg zur »Pfarrei Neu« beschritten worden sei, zusammen mit einem Strukturwandel innerhalb der Diözese, sowie so manches Durcheinander und Wirre in dieser Welt das Durchstarten nicht leicht gemacht hätten. »Jetzt auch noch das«, habe Pfarrer Vogel laut gesagt, als er die Kündigung des beliebten Münsterkantors Andreas Jetter erhalten habe. Doch habe er Verständnis dafür, dass Andreas Jetter von nun an als Domkantor in Chur tätig sein wird. »Bei einer Kündigung denkt man natürlich an die Zukunft, aber es wird auch bewusst, wie selbstverständlich man zusammen arbeitet.«
Schnell wurde in seiner emotional gehaltenen Rede deutlich, welche Lücke das Ehepaar hinterlassen wird, das sich seit nahezu zehn Jahren aktiv in die Gemeinde eingebracht hatte. Eine Nachfolge für den Domkantor gibt es noch nicht, auch müsse die Diözese Freiburg eine 70-Prozent-Stelle genehmigen.
Andreas Jetter war 2004 zum Titularorganisten der Bergkirche St. Michael Büsingen am Hochrhein ernannt worden. Seit 2010 arbeitet er als Dommusikdirektor an der Kathedrale von Chur in der Schweiz und wirkte seit September 2013 als Münsterkantor am Radolfzeller Münster. Als Pianist und Organist hatte er sogar einige CDs aufgenommen. Seine Ehefrau Irene Mattausch, die sich auch als Sopranistin einen Namen gemacht hat, hatte mit ihrem Mann zusammen die Jugendkantorei aufgebaut.
Dankesworte gab es auch von Dr. Peter Wolf, Vorsitzender des Vereins »Freunde der Münstermusik Radolfzell e. V.«, der vor allem die musikalische Qualität des Tastenvirtuosen an der Orgel und als Pianist hervorhob. Die Münsterchor-Vorsitzende Barabra Doskek lobte die herausragend gute Zusammenarbeit. »Es waren immer inspirierende Proben«, erzählte sie. Nie habe es eine gegeben, die sie als Zeitverschwendung gesehen hätte.
Auch die Präsidentin des Diözesenverbandes »Pueri Cantores Freiburg« lobte die herausragende Musik- und Führungsqualität des Ehepaares. Allerdings hatte sie auch mahnende Worte an Pfarrer Vogel mit im Gepäck. »Es darf nun keine Pause geben, es müssen Lösungen gefunden werden.« Denn gerade in der Jugendarbeit sei Kontinuität besonders wichtig, hob sie hervor. Andreas Jetter bedankte sich ebenfalls für die zahlreichen lobenden Worte und betonte: »Wir werden uns bestimmt wiedersehen. Ich bin nicht aus der Welt und bestimmt werde ich für Vertretungen zur Verfügung stehen«, versprach er.
Autor:Uwe Johnen aus Singen |
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