Norbert Lumbe im Interview
Ein Zeller Gemeinderatsurgestein mit Freude bei der Sache

In seinen 35 Jahren als Radolfzeller Gemeinderatsmitglied hat Norbert Lumbe nie den Spaß an seiner Tätigkeit verloren.  | Foto: Philipp Findling
  • In seinen 35 Jahren als Radolfzeller Gemeinderatsmitglied hat Norbert Lumbe nie den Spaß an seiner Tätigkeit verloren.
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Radolfzell. Seit nun 35 Jahren amtiert Norbert Lumbe für die SPD im Radolfzeller Gemeinderat. Dabei hat er neben vier Oberbürgermeistern auch einige Höhen und Tiefen der Stadt hautnah miterleben dürfen und nie die Freude verloren, wie er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT verriet.

WOCHENBLATT: Wie war es für Sie damals, als Sie zum ersten Mal für den Gemeinderat kandidiert haben?

Norbert Lumbe: Das Ganze ging bereits 1984 los, als ein Parteikollege vor meiner Haustüre auf der Mettnau stand und mich fragte, ob ich mich für die Parteiliste zur Gemeinderatswahl aufstellen wollen würde. Diesen Gefallen habe ich der SPD in Radolfzell gern auch getan. Überraschend war für mich dann, dass ich nach der Wahl als erster Nachrücker feststand, damit habe ich nicht gerechnet. 1989 war ich besser vorbereitet. In den Rat kam ich aber nur durch ein Überhangmandat, damals gab es in Radolfzell noch die unechte Teilortswahl. Ab da begannen für mich (..) Lern- und Lehrzeiten, mir waren die Themen in der Kommune bewusst, das Gremium jedoch zu diesem Zeitpunkt fremd. Aus purem Zufall ergab sich Anfang der 90er Jahre, dass an meinem damaligen Arbeitsplatz im Friedrich-Hecker-Gymnasium Schadstoffe festgestellt wurden. Da stand ich auf einmal als Frischling im Gemeinderat in der Verantwortung gegenüber den Schülern, Lehrern und Eltern. Die Ideen des damaligen OBs, eine Containerlösung zu finden oder die Schule in der Nordstadt neu aufzubauen, stießen bei allen Beteiligten auf wenig Gegenliebe. Mit dem Anbau neben der heutigen Schule hat man dann aber eine passende Lösung gefunden.

WOCHENBLATT: Wie haben sich die Themen bis heute verändert?

Norbert Lumbe: In der Arbeit des Gemeinderates über diese 35 Jahre hat sich eine ganze Menge geändert. Immer wieder kamen aus Berlin und Stuttgart gesetzliche Vorgaben, die den Entscheidungsspielraum einengten oder in eine bestimmte Richtung festlegten. Darüber hinaus hat sich der Gemeinderat vor allem in den letzten zehn bis 15 Jahren eigene Leitplanken geschaffen, die die Konsensfindung erleichtert haben. Als Beispiele können hier unter anderem die verschiedenen Voraussetzungen für die Vergabe von Bauplätzen sowie die Einrichtung des Gestaltungsbeirats genannt werden. Die zweite Veränderung war die Angleichung des politischen Wertesystems in den Fraktionen, in den ersten zwei, drei Wahlperioden waren die kommunalpolitischen Schwerpunkte klar verteilt. Der Zwang, Mehrheiten zu finden, ist mit rhetorischem und argumentativem Arbeitsaufwand verbunden, aber auch mit einem gewissen Verständnis füreinander.

WOCHENBLATT: Welche Themen galten damals noch als „heißes Eisen“?

Norbert Lumbe: Um nochmal auf das Bauen zurückzukommen, war es immer wieder, auch damals schon, die Frage, ob die Stadt nicht verpflichtet wäre, eine kommunale Baugenossenschaft zu gründen. Dieses Anliegen zieht sich durch alle Wahlperioden durch, wurde immer wieder gefordert, diskutiert und abgelehnt, da man gesagt hat, dass hierfür die finanziellen Mittel nicht reichen. Ein weiteres Thema, welches Anfang der 2000er Jahre den Gemeinderat beschäftigt hat, war die Frage nach einem geeigneten Partner für die Stadtwerke. Das war ein sehr strittiges Thema, da man 49 Prozent der Gewinnbeteiligung an die Thüga abgeben musste, im Gegenzug jedoch fünf Millionen Euro sowie das Gasleitungsnetz erhielt. Ein weiteres Thema, welches unter großen Bauchschmerzen durchgesetzt wurde, im Nachhinein betrachtet jedoch die richtige Entscheidung war.

WOCHENBLATT: Was hat Sie in den letzten 35 Jahren immer weiter angetrieben, die Arbeit für den Gemeinderat zu leisten?

Norbert Lumbe: Abgesehen von all den notwendigen Dingen war es schon immer die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen sowie die Freude daran, wichtige Entwicklungen mitentscheiden, mitdiskutieren oder auf den Weg bringen zu dürfen, welche mich angetrieben hat. Meine Familie hat das alles mitgetragen, auch wenn für mich damals sehr viel Zeit neben der Arbeit draufging. Das sind bis heute für mich die leitenden Motive. Wenn man so lange dabei ist wie ich, ist manches auch leichter, weil man vieles gelernt hat, was nicht bedeutet, dass man jetzt nichts mehr dazulernt. Man kennt sich aus, man weiß, wie bestimmte Entwicklungen begonnen haben und aktuell wieder ganz anders dargestellt werden können. Zudem ist es auch das Interesse an den anderen Ratsmitgliedern, mit welchen man ein intensives, persönliches Verhältnis hat. Mit Freude meine ich auch, dass es mir bei Diskussionen, bei welchen die Entscheidungsfindung offensichtlich schwierig wurde, ein Anliegen war, (..) einen mehrheitsfähigen Kompromiss (..) zu finden. Es gelang nicht immer, aber dann war es den Versuch wert. Das sind einige Aspekte der Arbeit, für die ich mich in den letzten Jahren engagiert habe.

WOCHENBLATT: Wie gut konnten Sie damals Ihren Beruf mit Ihrer Gemeinderatstätigkeit vereinbaren?

Norbert Lumbe: Als Lehrer ist man in der Gestaltung der Stunden am (späten) Nachmittag relativ frei, wenn man weiß, dass diese Zeit für schulrelevante Dinge nicht zur Verfügung steht und man das in der Nacht oder am frühen Morgen erledigen musste. Das war die Konsequenz aus alldem an Sitzungstagen, dass das eine nicht unter dem anderen leiden durfte. Phasenweise war aber tatsächlich viel Nachtarbeit notwendig, die ich heute so wahrscheinlich nicht mehr schaffen würde.

WOCHENBLATT: Was macht für Sie die Arbeit im Gemeinderat so besonders? Auch die Zusammenarbeit mit den Ratsmitgliedern?

Norbert Lumbe: Ich hatte es bisher mit vier Oberbürgermeistern zu tun, alle grundverschieden, mit unterschiedlichen Vorstellungen, Erfahrungen und Verhalten. Über all diese Jahre hat man sich hiermit arrangieren müssen, es waren unterschiedliche Vertrauensverhältnisse möglich. Damals schon hatte ich in der Fraktion viele erfahrene KollegInnen, die mir das Arbeiten erleichtert haben. In den späteren Jahren war die Motivation, themenorientiert zu arbeiten, sehr groß. Gerade in meiner Tätigkeit als Geschichtslehrer war die Aufarbeitung der NS-Zeit beim Arbeitskreis Erinnerungskultur sehr besonders. Das eigentlich Reizvolle war jedoch die Beschäftigung mit entwicklungsfähigen Themen. Ganz groß hierfür war beispielhaft die Seetorquerung. Hierzu gab es auch einen Bürgerentscheid, welcher für die Gegner zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führte. Wir haben viel darüber diskutiert und gesehen, dass es immer teurer wird, bis die damals (..) vorhandene knappe Mehrheit (..) gekippt ist. Damals sprachen wir von der Seetorquerung als Jahrhundertprojekt, umso enttäuschter war ich dann, als die Fakten mehr und mehr gegen diese Entwicklung sprachen. (..) Nicht alle Entscheidungen des Gemeinderats fanden die uneingeschränkte positive Resonanz in der Bürgerschaft. Insgesamt aber hat sich die Stadt in den letzten dreißig Jahren – bei allen Vorbehalten – gut entwickelt. Dazu habe ich auch meinen Teil beitragen können.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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