Spannender Vortrag in Ortschaftsratsitzung
Drei Höfe in Ligggeringen wurden vor 100 Jahren eingemeindet
Radolfzell-Liggeringen. Historische Beiträge handeln meist von großen Zeitspannen. Doch beim Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Klöckler im Sitzungssaal des Rathauses in Liggeringen im Rahmen der Ortschaftsratssitzung wurde die Historie der Eingemeindungen der früheren gesonderten Gemarkungen Hirtenhof, Mühlsberg und Röhrnang genau vor 100 Jahren näher beleuchtet.
Unter einer abgesonderten Gemarkung verstand man damals in Baden ein gemeindefreies Gebiet. Den Impuls für den Jubiläumsvortrag durch Jürgen Klöckler gab ein Blick des Historikers in die am 5. Oktober 1921 erlassene badische Gemeindeordnung, wo man nachlesen konnte, dass abgesonderte Gemarkungen in Baden bis zum 1. Januar 1925 durch Anordnungen des Ministeriums des Innern mit benachbarten Gemeinden vereinigt werden müssen.
Auf den Tag genau vor 100 Jahren, nämlich am 21. November 1924, erfolgte der Zusammenschluss der Gemarkung Liggeringen mit den damals abgesonderten Gemarkungen Röhrnang, Mühlsberg und Hirtenhof. Dies war auch der Anlass von Ortsvorsteher-Stellvertreter, Dr. Jürgen Klöckler, den im Liggeringer Rathaus sehr zahlreich anwesenden und interessierten Bürgern, und teilweise auch einige Nachfahren der genannten Höfe, einen spannenden Vortrag im Rahmen der Ortschaftsratssitzung genau an dem Tag der Eingemeindungen der drei Höfe zu präsentieren.
Fachlich fundiert und präzise recherchiert konnte der Konstanzer Stadtarchivar die Zuhörer in die längst vergangene Zeit des 6./7. Jahrhunderts entführen, da im Fall der Gemarkung Röhrnang in den 1930er Jahren sogar tatsächlich Merowinger Gräber auf dem Gebiet des zugehörigen Breiteackers gefunden wurden und auf eine Ausbausiedlung hindeuteten.
Die durch verschiedenste historische Karten und einer alten Postkarte des Dorfes von 1916 anschaulich gestaltete Präsentation beleuchtete den Werdegang der einzelnen Höfe mit den häufigen Wechseln der Verwalter und Zugehörigkeiten, sowie die zahlenmäßige Entwicklung der Einwohnerzahlen auf den drei Außengehöften. Sieben Prozent der Gesamtbevölkerung Liggeringens (Liggeringen hatte damals 450 Einwohner) mit 31 Bewohnern wohnten damals auf den drei Höfen und waren sehr in Richtung auf Liggeringen auf dem Bodanrück ausgerichtet.
Die Eigentumsverhältnisse und die Herrschaften über das Dorf und die drei Höfe waren im Verlauf der Jahrhunderte sehr wechselhaft. Liggeringen gehörte einst zum Kloster Reichenau, dann seit dem Spätmittelalter zur Herrschaft Bodman-Möggingen, dann wieder zur Herrschaft Homburg und dann im 18. Jahrhundert zur Herrschaft Bodman.
Von dem damaligen sozialdemokratischen Innenminister im Jahre 1924 Adam Remmele präsentierte Jürgen Klöckler den vom Innenminister unterzeichneten Erlass , dass die drei abgesonderten Gemarkungen nach Liggeringen zugeordnet wurden. Ziel war auch eine erleichterte Steuererhebung um die damaligen gemeindlichen Einrichtungen bessser finanzieren zu können.
Jürgen Klöckler deutete immer wieder auf die bewegte Geschichte der Höfe hin und konnte auch so manche sprachlichen Veränderungen der Hof- und Gewannnamen im Laufe der Jahrhunderte erklären. Abschließend gewährte der Historiker noch einen Blick in die 50 Jahre darauffolgende Eingemeindung Liggeringens nach Radolfzell: „Wären die drei gesonderten Gemarkungen nicht nach Liggeringen eingemeindet worden, wäre die Radolfzeller Gesamtgemarkung heute um 5 Prozent kleiner“.
Die Stadt Radolfzell hatte damals nur 767 Hektar Gesamtgemarkung. Durch die Eingemeindungen mit den sechs Ortsteilen ist die Stadt zur drittgrößten Stadt im Landkreis aufgestiegen und hat eine Gesamtgröße der Gemarkung von 5858 Hektar. Von diesen knapp 6000 Hektaren trugen die eingemeindeten gesonderten Gemarkungen Röhrnang , Hirtenhof und Mühlsberg letztendlich mit 269 Hektar bei.
Der hochinteressante Vortrag von Prof. Dr. Klöckler wurde von den Ortschaftsräten und den zahlreichen Bürgern mit einem lang anhaltenden Beifall belohnt. Ortsvorsteher Hermann Leiz überreichte seinem Stellvertreter für seinen geschliffenen Vortrag einen Bohlinger Spätburgunder vom Vulkan 2022 vom Weingut Rebholz, der vor kurzem mit einem ersten Platz beim Deutschen Rotweinpreis ausgezeichnet wurde.
Quelle: Hermann Leiz und Stephanie Salomon
Autor:Presseinfo aus Singen |
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