Im Rahmen der Heimattage zeigt die Ausstellung »Patchwork Heimat« einen wissenschaftlichen Blick auf das Thema Heimat
Die Heimat als »Flickenteppich«
Radolfzell. Eigentlich hätten sich am Sonntag die Türen der Villa Bosch öffnen sollen für die neue Ausstellung, die sich intensiv mit dem Heimatbegriff auseinandersetzt. Leider war dies aufgrund der aktuellen Pandemiesituation nicht möglich, doch für die Presse gab es noch einen kleinen Einblick zu bekommen. Rund 50 Studierende der Fächer Ethnologie und Soziologie der Uni Konstanz haben sich in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit Radolfzell und dem Heimatbegriff auseinandergesetzt. »Für die Studierenden war es in dieser besonderen Zeit nicht einfach, die nötigen Kontakte in der Stadt aufzubauen«, betonte Oberbürgermeister Martin Staab beim Pressegespräch. Trotzdem ist es dem Team um Dr. Maria Lidola und Theresa Renn gelungen, die Heimat aus wissenschaftlicher Sicht und in vielen unterschiedlichen kleineren Projekten zu betrachten und die Ergebnisse in einer Ausstellung zu präsentieren, die überhaupt nicht trocken ist.
Heimat mit allen Sinnen erfahren
Die Villa Bosch ist zu einer großen Wohnung geworden, eingerichtet mit weißen Möbeln, die als Projektionsfläche für die Projekte dienen sollen. Im ersten Raum, dem Empfangsraum, geht es um das Thema Kommen, gehen und bleiben. Gerade in Zeiten höherer Mobilität ein wichtiger Punkt, und so erzählen in einer Art Lampenschirm-Installation ein »Alteingesessener«, eine zugezogene und eine weg- und wieder zurückgezogene Radolfzellerin ihre Sichtweise auf die Heimat. Überhaupt, richtet sich die Ausstellung an alle Sinne. Die Besucherinnen und Besucher sind angehalten eigene Kopfhörer mitzubringen, denn an jeder Ecke gibt es etwas zu hören, sobald man sich »einstöpselt«. Im Esszimmer gibt es das Thema Heimat dann auch zu erfühlen. In einem spielerischen Rahmen kann hier unter anderem der Esstisch zum Thema Heimat gedeckt werden. Im Wohnzimmer spielt unter anderem das Thema Musik eine wichtige Rolle, doch auch das Thema Familiengeschichte kommt hier in den Blick. Es wird gezeigt, wie mehrere Generationen das Thema Heimat immer wieder auch transnational denken mussten. Im Kinder- und Jugendzimmer wird unter dem Thema Heimat Erde und Müllplanet anhand von Bildern eines Naturfotografen sowie Aussagen von zwei global mobilen Berufstätigen und lokalen Aktivistinnen und Aktivisten die Verbindung zwischen Mensch und Natur thematisiert. Auch das Thema Heimat im Internet spielt in diesen Räumen eine Rolle.
Auch Schwieriges wird thematisiert
Doch auch vor den schwierigen Themen im Zusammenhang mit der Heimat schreckten die Studierenden nicht zurück, so setzt sich etwa die Abstellkammer mit dem Thema Rechtsextremismus auseinander und im Schlafzimmer wird der »Alptraum Heimat« thematisiert, der sich beispielsweise durch Alterseinsamkeit manifestieren kann. Auf dem Balkon im Obergeschoss geht es um die Frage, wie Heimat aussehen kann, wenn man kein festes Dach über dem Kopf hat.
Für OB Martin Staab sind das Projekt und die zugehörige Ausstellung eines der Herzstücke der Radolfzeller Heimattage. »Entstanden ist es durch die Frage: Was ist Heimat? Wir wollten uns mit allen Facetten dieses Begriffs auseinandersetzen«, erklärt der OB. Somit kam die Kooperation mit der Uni Konstanz zustande. Tatsächlich bisher ein einmaliges Projekt, das es so noch nie bei den Baden-Württembergischen Heimattagen gegeben hat. Auch für Landrat Zeno Danner, der seit seiner Amtseinführung wieder in seiner Konstanzer Heimat angekommen ist, handelt es sich um ein wichtiges Thema, das genau zur richtigen Zeit in der richtigen Region angekommen ist. Schließlich habe die Grenzschließung im letzten Jahr schmerzhaft deutlich gemacht, dass die Heimat in einer Grenzregion eben nicht bei der Grenzlinie endet.
Start, sobald es die Situation zulässt
Was ist es also, das die Menschen unter Heimat verstehen? Wie und wo leben sie Heimat im Alltag und wie unterschiedlich sind die Erfahrungen zum Thema Heimat in unterschiedlichen Lebensphasen und -Bereichen? Über all das können sich die Besucherinnen und Besucher der Villa Bosch ihren eigenen »Flickenteppich« erarbeiten, sobald die Infektionszahlen wieder eine Eröffnung zulassen. Spannendes und interessant aufbereitetes Material dazu gibt es in der Ausstellung reichlich. Die Ausstellung soll dann bis zum 10. Oktober laufen.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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