Leserbrief für den Erhalt erhaltenswerter Gebäude in Radolfzell
Vor Investoren in die Knie gehen?

Radolfzell (swb). Zum bevorstehenden Abriss der »Tanke« erreichte die Redaktion folgender Leserbrief:
»Nun ist es also soweit: die »Tanke« darf sich Ende des Jahres in die lange Reihe der mehr oder weniger erhaltenswerten Gebäude in Radolfzell einreihen, die dem scheinbar gedankenlosen Bauwahn zum Opfer fallen. Gedankenlos nicht, weil es nicht notwendig wäre, Wohnraum zu schaffen. Die Frage ist nur wie und für wen und wie viel?
Und ist es denn wirklich nötig, Radolfzell die letzten »Land- bzw. Stadtmarken« zu nehmen, damit es komplett sein Gesicht verliert?
Auch wenn schon tausend Mal darüber gejammert wurde: man denke an das Feuerwehrhaus mit seinem unter Denkschutz stehenden Dach; die alten Viehmarkthallen in der Markthallenstraße; die Güterhallen, die – inzwischen ja nun leider ohne Grund – abgerissen wurden und mit Phantasie architektonisch sicher hätten aufgewertet und in eine Überbauung integriert werden können mit der Möglichkeit, Platz für kleine Geschäfte, Kneipen und Kultur- und Kleinkunsteinrichtungen zu schaffen. Aber angesichts der Gebäude, die seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen, scheint Phantasie und Weitblick nicht auf dem Plan zu stehen. Das gleiche droht nun mit dem Kapuzinerareal, auf dem – noch – die Paketposthalle steht. Lassen Sie mich raten: abreißen, Klotz hinstellen, Ladenketten rein. Ist das innovativ?
Die Stadt hat offenbar Angst, die »Investoren« würden abspringen, wenn hier Forderungen gestellt würden, wie ein Bauprojekt zu verwirklichen ist; wenn bestimmte Maßgaben bezüglich Nutzung, Architektur, Grünflächen usw. einzuhalten wären. Das Gegenteil wird der Fall sein. Dies hier sind Sahnestückchen und wir haben keinen Grund, vor Investoren in die Knie zu gehen. Radolfzell ist – noch – eine attraktive Stadt und hat Ausverkauf in dieser extremen Form nicht nötig. Das Stadtbild, so lange es noch eines ist, sollte uns wichtig sein.
Noch ein Elektrogroßmarkt (ein Media-Markt ist keine 7 km von hier), noch eine Drogeriemarktkette, noch ein Lebensmittel-Supermarkt – das wird kaum Gäste in die Stadt locken. Warum einem Investor den Zuschlag geben, der solches plant?
Sehen wir uns die Stadt doch an: in der Höllturm-Passage, vor ca. 30 Jahren mit vielen kleinen Läden eröffnet, gibt es inzwischen wenig Anziehendes.
In der Post-/Höllstraße dominieren Friseurläden und Wellness-Oasen (die natürlich durchaus ihre Berechtigung haben), aber damit wird das Versprechen, dass man den Gästen am »Seemax« mit dem großen Plakat: »Einkaufen, bummeln, erleben, genießen...« macht, wohl kaum eingelöst, und damit wird auch keine Laufkundschaft gewonnen.
Der Marktplatz ist nur ein Mal in der Woche belebt: am Samstag, wenn der Wochenmarkt stattfindet. Dann aber hat Radolfzell wirklich mediterranes Flair. Es kann dieses Flair nur leider nicht oder nur bedingt, im Sommer beispielsweise, in die Woche hineinretten.
Wir brauchen neben dem schon erwähnten – und inzwischen auch von vielen Bürgern geforderten günstigen Wohnraum – kleine Ladengeschäfte mit vielfältigem Angebot, Platz für Kulturstätten wie die bereits erwähnte »Tanke« (das »coolste Mehrgenerationenhaus der Welt«), für Kleinkunst, Theater etc.
Es geht mir nicht darum, nichts zu ändern – mitnichten! Aber wir sollten sensibel sein, überlegen, was erhaltenswert ist und behutsam mit dem Stadtbild umgehen.
Von Glück können wir sprechen, dass das Universum-Kino nicht der Abrissbirne zum Opfer gefallen, sondern mit viel Engagement erhalten geblieben und wieder in Betrieb genommen worden ist! Mehr davon!«
Katharina Sund, Radolfzell

Veröffentlichte Leserbriefe geben ausschließlich die Meinung des Verfassers wieder.

- Matthias Güntert

Autor:

Redaktion aus Singen

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