Infoveranstaltung im Öhninger Bürgerhaus
"Starkregen hat keine Vorwarnzeichen"
Öhningen. Was tun, wenn plötzlich eine große Starkregenwolke über die Ortschaft zieht? Über diese Frage sowie wie man dagegen vorgehen kann, lud die Gemeinde Öhningen am Montag, 29. Januar zu einem Infoabend im Bürgerhaus ein.
"Alle Kommunen sind dazu verpflichtet, ein kommunalen Leitfaden für Starkregenrisikomanagement aufzustellen", stellte Immo Gerber, Geschäftsführer der Ingenieur-Team Rieber GmbH (itr) zu Beginn klar. Dieser Leitfaden werde zu 70 Prozent vom Land Baden-Württemberg gefördert. Bereits vor anderthalb Jahren hat das itr mit der Gemeinde Öhningen begonnen, das Risiko für das Gemeindegebiet zu untersuchen. "Hochwasser", so Gerber, "wird es immer geben und ist anhand des Pegels immer gut verfolgbar, Starkregen jedoch sind als nicht vorhersehbare Ereignisse viel schlimmer".
Bei der Vorsorge zu solchen Ereignissen erläuterte Immo Gerber, dass potenziell Betroffene grundsätzlich zur Eigenvorsorge verpflichtet sind. "Starkregen", so der itr-Geschäftsführer, "kann überall auftreten und hat keine Vorwarnzeichen." Zudem seien hiervon Kanalisationen, Infrastrukturen sowie Entwässerungsanlagen immer betroffen und Verinselungen möglich. "Oftmals gibt es mehrere Gefahrenquellen, als man zunächst denkt", erzählt Gerber. Auslöser für Starkregenereignisse seien ihm zufolge immer Konvektivniederschläge auf, welcher meist im Juni und Juli auftrete. Meteorologisch bedingt könne die hohe Regenintensität nicht größer als fünf Quadratkilometer sein. "Gleichzeitiger Starkregen in allen Ortsteilen wäre in Öhningen daher nicht möglich", so Gerber. Anhand verschiedener Simulationen zeigte der itr-Geschäftsführer den BürgerInnen auf, wie stark sich ein seltenes (zehn-jährig) sowie außergewöhnliches/extremes Ereignis (50- bis 100-jährig) auf die Gemeinde auswirken könnte. "Erst bei außergewöhnlichen und extremen Starkregenereignissen kommen wir zum Zug."
Gefahrenkarten als Anker
Im Leitfaden des Landes sind hierfür mit der Analyse von Überflutungsgefährdung und dem Schadenspotenzial, der Ermittlung und Bewertung des Überflutungsrisikos sowie dem Erstellen eines Handlungskonzepts vier Vorgehen im Starkregenrisikomanagement vorgesehen. Anhand von Gefahrenkarten, welche alle zehn bis 15 Jahre via topografischem Scan gefertigt werden, könne man Faktoren wie Fließrichtungen oder auch Fließgeschwindigkeiten einsehen und somit erkennen, ob das eigene Haus betroffen sein könnte. Diese Karten sollen in den nächsten Wochen auf der Webseite der Gemeinde für alle BürgerInnen einsehbar sein. "Hierbei wird auch gerade im Ortsteil Schienen, welcher als Auslöser für potenziellen Starkregen in der Gemeinde gesehen wird, die Hanglage berücksichtigt und Hauptfließwege nochmal abgelaufen, um dann eine finale Berechnung zu erstellen", erläutert Immo Gerber. Überflutungstiefen werden hierbei erst ab fünf Zentimetern Fließtiefe dargestellt. Bei Gebäuden mit öffentlichem Bezug werden nach einer Blaulichtrunde alle Objekte in einem Alarm- und Einsatzplan eingetragen, welche nach gemeinsamer Abwägung als „gefährdet“ gelten und daher angefahren werden müssen. "Final wurde dies bei einer gemeinsamen Objektbegehung fetgelegt", so Gerber.
Kellerüberflutung als Gefahr
Wie schlimm sich Starkregen auch auf den Menschen auswirken kann, zeigte Immo Gerber in ein paar Videos von der Fernsehsendung "Quarks", in der ein Reporter bei der DLRG sowohl die Fließgeschwindigkeit, als auch die Gefahr von Überflutungen in Autos und Kellern simulieren durfte. Hier wurde zunächst erkenntlich gemacht, dass bei Geschwindigkeiten von zwei Metern/Sekunde kein sicherer Stand und Halt mehr möglich ist. Einer der größten Gefahren lauere laut Gerber jedoch im Keller. "Gerade mit enormen Wassermassen, die hierdurch strömen, ist nicht zu scherzen", verdeutlichte Gerber. So könne dies unter anderem durch einen Stromschlag oder diverse Chemikalien und Abwasser tödlich enden. "Man brauche hierfür schon bei 30 Zentimetern Überflutung ein Kraftaufwand von 40 Kilogramm, um die Türe noch gerade so aufzubekommen", so Gerber. Bei 70 Zentimetern seien schon 140 Kilogramm nötig. Somit sei es besser, zu warten, bis die Wassermassen sich ausgeglichen haben.
Doch wie und wo kann man sich nun am besten schützen? "Hauptsächlich ist es wichtig, präventive Vorkehrungen zu treffen", erklärt Immo Gerber. So sollte man beim eigenen Haus solche Baumaßnahmen durchführen, welche dabei auch unschädlich für Dritte seien. Hierzu zählen auch die Abdichtung von Gebäudehüllen sowie das Hochnehmen von Lichtschächten. Zusätzlich hierzu kann man bei möglichen Kanalaustritten einen Generalentwässerungsplan bei der Kommune einsehen.
Bei der anschließenden Fragerunde wollte ein Bürger unter anderem wissen, ob den im potenziell betroffenen Schienen etwas getan werde. "Hier können wir den Abgang beim Mooser Weg splitten, um die Wassermengen umleiten zu können und den Fließweg dadurch zu unterbrechen", antwortete Gerber. Auch ein Ernteausfall, so der itr-Geschäftsführer, könne von der Gemeinde erstattet werden. "Versicherungen", so Immo Gerber auf eine weitere Frage, "haben die Gefahrenkarten meist schon im Voraus". Auch Objektbegehungen vor Ort seien für ihn bei mehreren gleichzeitig Betroffenen möglich. "Bei allen anderen Angelegenheiten müssten wir schon an die Ingenieurbüros verweisen", ergänzte Bürgermeister Andreas Schmid. In Bezug auf Gefahrenberater sagte Schmid, dass man dieses Thema im Gemeinderat mitaufnehme und dies hoffentlich den BürgerInnen schon bald anbieten könne.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
Kommentare