MdEP Norbert Lins trifft Landwirte aus der Region
Den "Hebel" schon vor den Protesten umgelegt
Mühlingen. Obwohl die Bauern in der Region am sonnigen Dienstag, 30. April, nach zwei wechselhaften Wochen sicher viel Arbeit auf dem Feld gehabt hätten, kamen einige von ihnen stattdessen zum Altschorenhof von Andreas Deyer in Mühlingen. Der Landwirt und Kreisverbandsvorsitzende des Bezirks Stockach beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) war an diesem Tag Gastgeber für den Europaparlaments-Abgeordnetender CDU und Vorsitzenden des EU-Landwirtschafts-Ausschusses Norbert Lins. Zusammen mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung hatte er zum Treffen eingeladen und stellte sich den Fragen und Forderungen der Landwirte.
Land-, Energie- und Naturschutzwirte
Deyer selbst setzte bei seiner Begrüßung schon einige Punkte für den Austausch. Durch die Proteste in den vergangenen Monaten sei das Thema Landwirtschaft in der Gesellschaft mehr ins Zentrum gerückt. Die Subventionskürzungen für die Bauern hätten letztlich nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Es brauche einen anderen wirtschaftlichen Rahmen und "irgendwann auch die Umsetzung", statt andauernder Beteiligungsprozesse. Er sehe Landwirte nicht mehr nur als Wirtschafter für Lebensmittel, sondern auch als "Naturschutz- und Energiewirte". Als Beispiel nannte er die Freiflächen-Photovoltaikanlage (PV) mit einer Leistung von 6,5 Megawatt, die er zusammen mit den Stadtwerken Stockach in diesem Jahr angehen wolle. Deutlich schwieriger gestalte sich die Zukunft des Milchviehbetriebs auf dem Altschorenhof: Aufgrund zu vieler Unsicherheiten fehle die Perspektive für größere Investitionen. "Ich gehe davon aus, dass die Milchviehhaltung bei uns auslaufen könnte."
Andreas Jung hob bei seiner Begrüßung hervor, dass er in seiner Rolle als Abgeordnetem für den ländlichen Raum kämpfe. Er wisse aber auch um die Versäumnisse aus den 16 Jahren CDU-Regierung.
Norbert Lins betonte bei seinen Worten immer wieder seine Unterstützung und Nähe zu den Landwirten. Weiter führte er an, dass bei der Agrarpolitik "in Brüssel schon vor den Protesten in Europa der Hebel umgelegt" worden sei. Das führte er auf den Rücktritt vom Vize-Kommissionspräsidenten und Kommissar für Klimaschutz, Frans Timmermans zurück. Timmermans war maßgeblich mitverantwortlich für den Europäischen Green Deal und stand daher auch für die vielen Klimaschutz-Regeln und Auflagen seitens der EU. Dass dieser im August 2023 zurücktrat, bezeichnete Lins als "Zeitenwende in der Landwirtschaftspolitik". Dass seither beispielsweise das Pflanzenschutzmittel Glyphosat wieder zugelassen wurde, führte er unter anderem als Signal dieser Wende an. Es sei schon viel passiert vor den Bauernprotesten, der Auslöser der Proteste sei dann vom Bund gekommen. Deutschland würde ihm zufolge oft die Richtlinien der EU in strengere Gesetze verarbeiten.
Große Hoffnungen für die Zukunft legt Lins auf die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. "In dieser Periode haben wir einen Abwehrkampf geführt. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir ins Gestalten kommen." Die aktuelle Fassung der GAP reicht bis 2027. Der neue EU-politische Rahmen für die Landwirtschaft ab 2028 werde von der Kommission in der nächsten Legislatur, also etwas mehr als ein Jahr nach den EU-Wahlen im Juni, festgelegt.
Guter Job, schlechter Ruf
In der anschließenden Diskussionsrunde wies Stefan Leichenauer, BLHV Bezirksvorsitzender im Kreisverband Konstanz, allerdings darauf hin, dass 2028 für die Landwirte nicht weit weg sei: "Wir wissen die Fruchtfolge für drei bis vier Jahre im Voraus." Lins erwiderte, dass die Grundlagen der aktuellen GAP auch bis zu zwei Jahre länger gelten würden. Ihre Grundstruktur, die etwa durch Direktzahlungen den Bauern finanzielle Sicherheit gibt, werde seiner Ansicht nach erhalten bleiben. Ergänzungen könne er sich bei der Abfederung von Katastrophen vorstellen.
Der seiner Ansicht nach unverhältnismäßige Verbrauch von landwirtschaftlichen Flächen beschäftigte Reinhard Schulze, Leiter des Landwirtschaftsamtes des Kreises Konstanz in Stockach. Auf die Frage, wie das eingedämmt werden könne, verwies Andreas Jung auf die Möglichkeit der Doppelnutzung als Agri-PV. Hohe Hürden gebe es dabei durch das Osterpaket der Bundesregierung, obwohl es der Ausbau der erneuerbaren Energien erleichtern sollte. Jung zeigte auch einige Beispiele aus der Region auf, bei denen diese Hürden zu Tragen kommen, etwa bei der schwimmenden PV-Anlage auf dem Baggersee des Kieswerks Radolfzell. Weiter kritisierte Reinhard Schulze ungleichen Produktionsstandards auf dem Lebensmittelmarkt gelten. Hier erwiderte Lins, dass ein Vergleich und einheitliche Standards durch unterschiedliche Bedingungen bei der Produktion schon innerhalb der EU nur eingeschränkt möglich seien.
Florian Fuchs vom Fuchshof in Dingelsdorf bei Konstanz trug den beiden Politikern auf: "Vertreten Sie in Brüssel und Berlin, dass wir schon eine Landwirtschaft auf höchstem Niveau betreiben." Natürlich müsse man sich weiterentwickeln, "aber dass die Landwirtschaft die Natur zerstört, ist schon seit Jahrzehnten vorbei."
"Es kann eigentlich nicht sein, dass Landwirte Naturschutz zum Nulltarif machen."
- Andreas Deyer
Als Gastgeber wandte sich Andreas Deyer noch mit ein paar konkreten Forderungen an Jung und Lins. Zentral sind für ihn etwa ein Abbau von Bürokratie und Regelungen, sowie mehr Attraktivität für Agri-PV-Anlagen, als guter Zwischenweg. "Ackerflächen mit Photovoltaikanlagen zu bebauen, ist nicht Ziel der Energiewende." Des Weiteren brauche es auch andere Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen für die Bauern. Der oft beschworene "Wert der Landwirtschaft" müsse auch am Supermarktregal gelten. Eine aktuell diskutierte Tierwohlsteuer "ist meiner Ansicht nach der schlechteste Weg", weil sie eh schon teures Fleisch weit mehr betreffe, als billig produziertes.
Nach der Veranstaltung zeigte sich Andreas Deyer zufrieden: "Ein Austausch ist immer wichtig, gerade wenn man mit jemandem auf der EU-Ebene sprechen kann."
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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