Neuer HSG-Kapitän Michel Stotz im Interview
"War wie eine Art Praktikum"
Konstanz. Michel Stotz übernahm zu dieser Saison das Amt des Kapitäns von HSG-Legende Tim Bornhauser, der mit dem letzten Wurf seiner Karriere der HSG Konstanz mit dem Tor nach Ablauf der Spielzeit den Aufstieg in die 2. Bundesliga gesichert hatte. Der gebürtige Reutlinger wechselte 2018 vom TV Neuhausen an den Bodensee, studiert dort Informatik und legte in den letzten Jahren nicht nur etliche Kilos zu (1,93 cm, 100 Kilo), sondern auch eine bemerkenswerte Entwicklung vom Talent zum Leistungsträger. Im Interview spricht der Hobby-Rennradfahrer über seinen Vorgänger Tim Bornhauser, sein neues Amt als Kapitän und das erste Heimspiel in der Schänzle-Hölle am Samstag, 20 Uhr, gegen den VfL Potsdam mit Trainer Bob Hanning.
Dass der Auftakt in Coburg schwierig werden würde war absehbar. Hast Du die 22:34-Niederlage und deren Entstehung schon verarbeitet?
Das war nicht der Start, den wir uns vorgenommen und gewünscht hatten, gehört aber dazu in dieser starken 2. Bundesliga. Das ist etwas ganz Anderes als letzte Saison in der 3. Liga. Wir haben auch in der Höhe verdient verloren. Gesenkte Köpfe gibt es dennoch nicht. Über das Wochenende ist das schon verdaut worden.
Was habt Ihr aus dieser „Lehrstunde“ mitgenommen?
Dass jeder Fehler von der ersten Sekunde an knallhart bestraft wird. Dass wir 60 Minuten hochkonzentriert spielen müssen. 40 Minuten reichen nicht. Wenn man ein paar Minuten nicht richtig da ist, bist du ganz schnell zweistellig in Rückstand. Das ist auf diesem Level schwer wieder aufzuholen.
Du hast die Kapitänsbinde von Tim Bornhauser übernommen. Tim hat sich den wohl besten Abschied, den man sich denken kann, selbst bereitet.
Tim hat sich genau diesen Moment absolut verdient. Was er in den letzten Jahren für den Verein geleistet hat, ist kaum in Worte zu fassen. Als Leader und Vorbild auf und abseits des Feldes. So ein Ende, mit dem er seine Mannschaft nach Ablauf der Spielzeit in die 2. Bundesliga wirft und damit seine aktive Karriere beendet, hat noch keiner erlebt und wird es wohl auch kaum jemand mehr. Das war ein sehr verrücktes Finale.
Ist er auch ein Vorbild für Dich in Sachen Kapitän und Teamführung?
Absolut. Wie er immer die Ruhe bewahrt hat, ist beeindruckend. Ich habe wenige Spieler erlebt, die in solch stressigen, schweren Situationen so sehr den Kopf bewahren können. Er hat immer die richtigen Worte gefunden und hatte immer einen Rat parat, auch wenn man sich privat an ihn gewendet hat. Er ist ein starker Charakter, an dem wir uns orientiert haben.
Nun stehst Du mit erst 23 Jahren selbst in der Verantwortung.
Es ist eine riesige Ehre für mich, dass ich der neue Kapitän der HSG Konstanz sein darf. Dies ist eine große Aufgabe, bei der man vieles unter einen Hut bekommen muss. Ich möchte das allerdings auch nicht zu hoch hängen. Es kommt auf das Team an. Es gibt zwar ein paar organisatorische Dinge im Hintergrund zu erledigen und ich möchte als Leader vorangehen sowie Einfluss auf das Spiel nehmen – so wieder jeder andere auch. Wir wollen als Kollektiv funktionieren.
Du bist nicht ganz ins kalte Wasser geworfen worden, sondern bist letzte Saison langsam an diese Rolle herangeführt worden. Wie wurde die Staffelübergabe vorbereitet?
Im letzten Drittel der vergangenen Saison kam Trainer Jörg Lützelbeger auf mich zu. Wir haben lange gesprochen und ich war dann bei vielen Dingen mit dabei, habe viel von Tim gelernt. Das war wie eine Art Praktikum (lacht). Ich bin zwar noch jung, die Mannschaft ist aber ebenfalls sehr jung. Ich bin jetzt in meiner fünften Saison bei der HSG. In meinen Augen eine gute Grundlage, da ich das Team und den Verein kenne. Ich spreche viel mit den erfahrenen Spielern und beziehe sie mit ein.
Was habt Ihr Euch in der stärksten zweiten Liga der Welt vorgenommen?
Unser Entwicklungspotenzial nutzen. Jörg arbeitet mit uns an vielen Kleinigkeiten. Die jungen Neuzugänge wollen wir schnellstmöglich gut integrieren und dann gut in die Saison kommen. Mit unserem jungen Team wollen wir unsere Gegner ärgern und unter Druck setzen. Wir wollen besser werden, Schritte nach vorne machen und sind alle heiß auf diese Herausforderung.
Welchen Eindruck hast Du von der neuen Mannschaft?
Super interessante, mega Typen. Wir arbeiten hart, aber mit einer sehr angenehmen Stimmung. In der jungen Truppe ist der Zusammenhalt auch außerhalb der Halle sehr stark und wir unternehmen oft etwas zusammen.
Am Samstag steht das erste Heimspiel im Hexenkessel Schänzle-Hölle an. Wie wichtig sind die Fans, gerade im Haifischbecken 2. Bundesliga?
Extrem wichtig für uns! Wir brauchen unsere emotionalen Fans. Was das ausmacht, habe ich die letzten Jahre immer wieder erlebt. Hier treibt uns stets eine mega Atmosphäre nach vorne. Zusammen wollen wir erfolgreich sein. Wie gegen Wilhelmshaven. Wir spielen 40 Minuten wirklich nicht gut – und plötzlich steht die komplette Halle 20 Minuten lang. Von dieser einmaligen Wand, diesem Druck profitieren wir immens. Ein sehr starker Faktor, mit dem wir schon viele wichtige Punkte erkämpfen konnten. Aber auch auswärts glauben wir an unsere Chance, müssen dafür jedoch an unser Maximum kommen. In der 2. Bundesliga aufzulaufen ist jedes Mal ein Highlight. Daheim vor voller Halle bekomme ich jedes Mal Gänsehaut. Das will man immer haben, dafür trainieren wir.
Was kommt mit dem VfL Potsdam mit Trainer Bob Hanning auf Euch zu?
Es herrscht riesige Vorfreude auf dieses erste Match in unserer eigenen Halle. Wir wollen zeigen, dass wir es besser können und mit unseren Fans im Rücken komplett anders auftreten. Potsdam ist jedoch kein normaler Aufsteiger, sondern eine echte Profimannschaft. Es gilt zu zeigen, dass wir Paroli bieten können, sich nicht zu verstecken und dem Gegner nichts zu schenken. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir ein packendes Match sehen werden – und wir unsere Chance bekommen werden.
Autor:Andreas Joas aus Konstanz |
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