Unfrage am dem Partner-Unis
Wie schauen Konstanzer und Kiewer Studierende auf den Krieg?

Symbolbild Studenden Uni Konstanz

Konstanz. Wie schauen Konstanzer und Kiewer Studierende auf den Krieg? Eine Umfrage an der Universität Konstanz und der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew gibt Aufschluss über die studentische Einschätzung zum Krieg in der Ukraine: ein Vergleich zu Angst und der Einstellung zu Autorität, militärische Unterstützung und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Das Ergebnis überrascht keineswegs, denn die Angst ist in Kiew ist deutlich stärker, schon weil der Krieg dort täglich erlebt wird.

Menschen neigen gerade in Krisenzeiten dazu, Schutz in Autorität zu suchen, selbst wenn dies auf Kosten persönlicher Rechte und Freiheiten geht. Auf Basis dieser These des kanadischen Psychologen Bob Altemeyer führten der Survey-Forscher Thomas Hinz von der Universität Konstanz, die Doktorandin Valeriia Sazonova sowie ihr Betreuer Taras Tsymbal, beide von der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew, an ihren Universitäten eine Online-Befragung unter Studierenden durch. Gefragt wurde, wie die deutschen und ukrainischen Studierenden jeweils das Ausmaß der Gefahr durch den Krieg in der Ukraine wahrnehmen und wie sich dies auf ihre Einstellungen gegenüber Autoritarismus auswirkt. Außerdem wurden die insgesamt rund zweitausend Studierenden um eine Einschätzung des Kriegs und um ihre Meinung zur ukrainischen Gesellschaft gebeten. Befragt wurden 1.194 Studierende der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew und 956 Studierende der Universität Konstanz.

Die Erwartung, dass ukrainische Studierende aufgrund der Gefahrensituation des unmittelbar erlebten Krieges mehr dem Autoritarismus zuneigen als ihre Konstanzer KommilitonInnen, bestätigte sich. Diese Haltung, in einer Situation der Gefahr Schutz bei einer Autorität zu suchen, fiel in beiden Studierendengruppen jedoch unterdurchschnittlich stark aus. „Studierende sind also weniger dem Autoritarismus zugetan als der Bevölkerungsdurchschnitt“, heißt es in der Studie.

Ukrainische Studierende haben mehr Angst

Die Studierenden wurden auch nach ihrer Angst vor einem neuen Weltkrieg, vor militärischen Aktivitäten in anderen europäischen Ländern, ihrem eigenen Tod, dem Tod von Familienmitgliedern oder Freunden, vor Nahrungsmittelknappheit/Verhungern, anhaltend hoher Inflation und vor einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation gefragt. Die ukrainischen Befragten weisen insgesamt ein höheres Niveau an Angst auf als die deutschen. Lediglich bei der Angst vor Inflation und einem Übergreifen des Krieges auf andere europäische Länder zeigten die Konstanzer Studierenden höhere Werte.

Ein zusätzlicher Frageblock zur Situation in der Ukraine untersuchte die Meinung der Studierenden an beiden Universitäten zur ukrainischen Gesellschaft und zu den Ursachen des Krieges. Beide Seiten halten Russland für den Hauptschuldigen, 99 Prozent in Kiew und 96 Prozent in Konstanz.
Häufiger als die Konstanzer gaben die Befragten in Kiew an, dass sie die USA, andere europäische Länder und sogar die Ukraine selbst für mitschuldig am Krieg halten. Die humanitäre Unterstützung der Ukraine durch Deutschland finden 33 Prozent der ukrainischen Studierenden ausreichend, 37 Prozent dagegen unzureichend. Als unzureichend schätzen sie auch etwa ein Drittel der deutschen KommilitonInnen ein.

Militärische Unterstützung aus Deutschland am unzureichendsten

Was die internationale militärische Unterstützung der Ukraine betrifft, erhalten von den Befragten in Kiew lediglich die USA ein positives Zeugnis. Die militärische Unterstützung aus Deutschland wurde sowohl von den Konstanzer als auch von den Kiewer Studierenden als die unzureichendste unter allen in den Fragebogen einbezogenen Ländern bewertet.

Auf ihre Meinung zur ukrainischen Gesellschaft befragt sahen sich lediglich rund die Hälfte der Studienteilnehmenden an der Universität Konstanz in der Lage zu antworten. Im Vergleich zu deren Einschätzungen stehen die ukrainischen Studierenden ihrer eigenen Gesellschaft tatsächlich kritischer gegenüber. Zum Beispiel stimmen sie häufiger zu, dass Korruption in der Ukraine weit verbreitet sei und ihr Land immer noch von einigen wenigen Oligarchen beherrscht werde.

Mehrheit auf beiden Seiten für Nato-Mitgliedschaft der Ukraine

Die Befragten beider Universitäten sehen jeweils völlig unterschiedliche Lösungsansätze zur Bewältigung der aktuellen Situation. Die große Mehrheit der ukrainischen Studierenden unterstützt das Ziel, den Kampf bis zur vollständigen Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fortzusetzen, während dies unter den Konstanzer Studierenden weniger als ein Drittel befürworten. Mehr als 50 Prozent von ihnen würden einen sofortigen Waffenstillstand begrüßen. Allerdings ist die Mehrheit auf Konstanzer Seite auch für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und – ebenso wie ihre KommilitonInnen in Kiew – die Wiederherstellung der ukrainischen Grenzen von 2013.

Die Studie wurde zwischen dem 21. Juni und dem 18. Juli 2022 durchgeführt, nachdem die Ukraine die russische Frühjahrsoffensive auf Kiew erfolgreich zurückgedrängt hatte, aber noch vor der ukrainischen Gegenoffensive im September und Oktober.

Hier geht es zur Studie: uni.kn/umfragestudie

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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