Brutale Wiederbelebung des Frisch-Klassikers
Wenn das Zündeln plötzlich zum Biedermann zurückkommt
Konstanz. Das Theater Konstanz zeigt derzeit und noch bis zum 5. Dezember mit "Biedermann und die Brandstifter" von Max Frisch einen starken Klassiker im neuen Gewand. Das Stück hat seine Ursprünge in 1948, damals unter dem Eindruck der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei und brauchte bis 1958, um auf die Bühne zu kommen. Regisseur Kristo Šagor hat es in unsere aktuelle Zeit übersetzt, in der es ja gerade wieder von Brandstiftern wimmelt, die ihre Rolle, ganz wie in dem Stück, keineswegs verheimlichen wollen.
Das Bühnenbild des Heims von Gottlieb Biedermann (Jasper Diedrichsen) und seiner Gattin Babette (Kristina Lotta Kahlert) ist wirklich eine propere Welt mit weißen Möbeln und einem grünen Wald als Aussicht. Er hat seine virtuelle Anna, die ihm auf Zuruf sogar das Essen serviert und an die nötige Tischdecke für das Festmahl erinnert. Sie hat ihren "Bobby" der ihr ebenfalls jeden Wunsch von den Lippen abliest. Doch die saubere Kleidung trügt. Denn Biedermann will seine Welt zu sauber haben, fordert am Stammtisch, dass man die Nestbeschmutzer, aus denen man Eindringlinge in seine Welt ablesen kann, aufknüpfen, kurzen Prozess mit ihnen machen solle. Und er ist gerade dabei, seinen treuen Mitarbeiter Knechtling aus seinem Unternehmen zu befördern, nach 14 Jahren Erfolgsgeschichte mit Selleriesaft, was dazu führt, dass die Witwe seines Opfers im schwarzen Gewand den Kontrast seines "sauberen" Lebens auf der so weißen Bühne verkörpert.
Die Brandstifter Schmitz (Sarah Siri Lee König), eine ehemalige Wrestlerin, deren Arena abgebrannt ist, und ihr Kumpan Eisenring (Jonas Pätzold), ein ehemaliger Kellner, dessen Restaurant auch ein Raub der Flammen wurde, dringen als "Obachlose" in diese Welt ein. Eine Welt, in der die Feuerwehr als "Wächter der Vaterstadt" in Person von Thomas Fritz Jung so präsent ist, dass sogar das Rauchen auf der Bühne schon verboten ist und der über "Loops" mit Textfragmenten die Bedrohung als Klang in dieses Stück beisteuert, mit immerwährenden Wiederholungen. Sein Auftritt mit der Forderung nach dem "aufknüpfen" hatte ihn zum Opfer gemacht.
Aber Biedermann will seine Bedrohung in seiner grenzenlosen Naivität nicht erkennen. Sein Tablet ist seine Welt und daraus sprudeln die Nachrichten über die Brände in der Stadt. Dass die beiden Brandstifter schon die Benzinkanister in seiner Wohnung stapeln, übersieht er als Gefahr für sich, im Gegenteil. Die beiden sollen gar noch zum gemeinsamen Gänse-Essen eingeladen werden, vielleicht um den Tod Knechtlings durch eine "gute Tat" zu kompensieren. Als die beiden feststellen müssen, dass man in der Stadt nicht mal mehr Streichhölzer wegen der ganzen Brandstiftungen bekommt, gibt er ihnen die seinigen, vielleicht im Glauben, dass es immer die anderen treffen könnte.
Dann ertönen schon die Sirenen, denn die Brandstifter hatten schon angekündigt, dass die Gemeinsamkeiten hier kein Morgen haben würden. Es bleibt das Gefühl: Die beiden werden dann schon die nächsten Biedermänner finden, die einfach nicht wahrhaben wollen, wen sie sich da ins Haus lassen.
Es ist eine wirklich brutale Version, bei dem das Publikum Augenzeuge wird, wie Realitäten beiseite geschoben werden für das eigene Wohlbefinden.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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