Fragen an die Landtagskandidaten aus dem Wahlkreis Stockach-Radolfzell
Wann wird die Corona-Krise überwunden sein?
Konstanz/Radolfzell. „Es ist immer einfach, einen Motor herunterzufahren, aber viel schwerer, ihn wieder auf Touren zu bringen”, sagte Prof. Claudius Marx, als im letzten März viele Bereiche der Wirtschaft dichtmachen mussten und die Grenze zu Schweiz geschlossen wurde. Und damit hat er recht. Inzwischen gibt es einen zweiten Lockdown, der noch viel länger andauert und noch gravierendere Folgen haben dürfte, denn die globale Weltwirtschaft ist durch Lieferketten so ineinander verstrickt, was viele Lücken riss. Bei der Verabschiedung des Landeshaushalts vor dem Jahreswechsel wurde klar gemacht, dass das Land bis 2043 braucht, um das Geld für die ganzen Rettungsschirme zurückzuzahlen, von denen jetzt ja weitere dazugekommen sind. Auch zum Beispiel im Vereinsleben wird prognostiziert, dass es mehrere Jahre brauchen wird, um hier das Miteinander von vorher zu erreichen, um nur einige Beispiele zu nennen. Was wird die Politik darauf als Antwort geben, war eine Frage, die das Wochenblatt von den Kandidaten der sechs größten Parteien beantwortet haben wollte.
Unsere Frage: Wie lange, glauben Sie, wird die „Corona-Delle“ unser Leben beeinflussen? Und wo genau müssen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft Ihrer Meinung nach für eine langfristige Perspektive verändert werden?
Die Antworten:
Tobias Herrmann (CDU): „Leider gibt es gleich mehrere ,Corona-Dellen‘: neben den bereits oben erwähnten z.B. auch die des brachliegenden Kultur- und Vereinswesens sowie der wirtschaftliche Aderlass in einzelnen Branchen. Die kurzfristige finanzielle Antwort der Politik sind die verschiedenen Hilfsprogramme von Bund und Ländern. Mit der ,Neustarthife für Solo-Selbstständige‘ und der Überbrückungshilfe III hat der Bund gut nachgelegt. Auch Fördermaßnahmen für Sport und Vereine werden wirken und in ein bis zwei Jahren für annährend Normalität sorgen. In der Bildung wird es länger dauern: mehrere Jahre intensive Fördermaßnahmen werden nötig. Wirtschaftlich: Manche Prognosen gehen davon aus, dass wir Anfang 2022 wieder das ,Vor-Corona-Niveau‘ erreichen. Perspektivisch werden wir die
Neuverschuldung über die nächsten 20 Jahre abtragen, also noch meine Generation. Die Belastung wird erträglich. Langfristig brauchen wir eine starke (nachhaltige) Wirtschaft und eine starke europäische Solidarität. Ja, es wird wieder heller am Ende des Tunnels!”
Bernhard Eisenhut (AfD): „Die ,Corona-Delle‘ wird uns noch lange beschäftigen und wir werden lernen müssen, noch lange Zeit, eventuell sogar Jahre, mit Corona und den Mutationen zu leben. Erforderlich sind Maßnahmen, die ein Gleichgewicht zwischen dem notwendigen Gesundheitsschutz, der Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte, der Lebensqualität der Bürger und wirtschaftlicher Stabilität anstreben. In allen Einrichtungen und Betrieben des kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens, in denen die Hygieneregeln umgesetzt werden, muss sofort eine Öffnung erfolgen. Der Einzelhandel und die Gastronomen haben es bereits vorgemacht. Dies ist zu fördern, zum Beispiel durch deutliche Senkung der Mehrwertsteuer, Aussetzung der Gewerbesteuer bis zu einem gewissen Umsatzvolumen und Angestelltenzahl.”
Markus Bumiller (FDP): „Ich gehe davon aus, dass wir mindestens noch für 18 Monate direkt davon betroffen sein werden und mindestens weitere 30 indirekt.
Oberste Priorität muss es nun sein, die Wirtschaft zu stützen und Arbeitsplätze zu sichern.
Die Bevölkerung braucht unbedingt wieder Stabilität und Sicherheit und dies erlangen wir nur dadurch, dass jeder von uns einen Job ausüben kann, um seine Familie zu ernähren.
Steuererleichterungen für Unternehmen und langfristige und zuverlässige Stabilisierungshilfen sind wichtige Punkte, um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.
Ebenso ist es zwingend notwendig, die regionalen Betriebe gezielt zu fördern.
Die Wirtschaftskraft muss da bleiben, wo sie am nachhaltigsten wirkt. Hierbei sind aber auch wir als Bürger*innen gefragt, welche wieder anfangen sollten regionaler zu agieren.”
Prof. Franz Segbers (Die LINKE): „Die Corona-Zeit hat die Probleme, die es vorher gab, offenkundig gemacht und verschärft. Schon vor der Pandemie war der Alltagsbetrieb in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen unerträglich und überlastet. Der Gesundheitssektor wurde kaputtgespart. Jetzt fehlen 120.000 Menschen in der Pflege und über 100.000 im Krankenhaus. Der Pflegenotstand ist das Resultat einer Politik, die darauf ausgerichtet ist, Kosten zu senken und Profit zu erhöhen. In den letzten Jahrzehnten wurden pro Jahr zwei bis drei Krankenhäuser geschlossen. Der grüne Gesundheitsminister hält an den Schließungsplänen fest. Es darf keine Rückkehr geben zu dem, was vor der Krise normal war. Wir müssen Lehren ziehen: Der Pflegeberuf muss attraktiver werden. Deshalb fordern wir 500 Euro mehr Lohn für all die Pflegekräfte und mehr Personal. Mit der Gesundheit der Menschen sollen keine Profite gemacht werden. Deshalb fordern wir: privatisierte Kliniken und Pflegeinrichtungen zurück in öffentliche Hände.”
Dorothea Wehinger (Bündnis 90/Grüne): „Die Bekämpfung der Pandemie wird uns noch einige Zeit begleiten. Als Land haben wir im letzten Frühjahr die ersten Programme aufgelegt – mit Zuschüssen, Krediten, in Einzelfällen auch mit Landesbeteiligungen. Lücken in den Überbrückungshilfen des Bundes haben wir schnell und erfolgreich geschlossen. Mit dem fiktiven Unternehmerlohn haben wir zum Beispiel die Existenz von Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmer*innen gesichert, so dass sie nicht wie in den Bundesprogrammen vorgesehen Hartz IV beantragen müssen. Mit dem im Herbst 2020 beschlossenen milliardenschweren Investitionsprogramm ,Zukunftsland Baden-Württemberg: stärker aus der Krise‘ haben wir zudem ganz konkrete Innovations- und Investitionsanreize gesetzt. Nun wollen wir ein Programm ,Neustart für die Innenstädte‘ auflegen, das den stationären Einzelhandel, die Gastronomie und die Kulturbranche bei der Wiedereröffnung unterstützt und zur nachhaltigen Stadtentwicklung beiträgt. Dafür mache ich mich stark.”
Hans-Peter Storz (SPD): „Manche Ökonomen glauben, dass die Corona-Krise 2023 überwunden sein könnte, wenn die Menschen geimpft und die wirtschaftliche Tätigkeit wieder in vollem Umfang aufgenommen werden wird. Ich kann diesen Optimismus nur bedingt teilen. Es ist nämlich keineswegs sicher, dass unser Land und Europa von alleine aus der Krise finden werden. Was ist am wichtigsten? Ich meine, wir müssen mehr und vor allem zielgerichteter investieren. Corona hat gezeigt, wir brauchen einen handlungsfähigen, starken Staat und ein leistungsfähiges Gesundheitswesen. Viel zu lange schon klagen wir über schlechte Funk- und Internetverbindungen, ohne dass sich etwas ändert. Unsere öffentliche Verwaltung will und kann besser werden. Und unsere Industrie hat hoffentlich gelernt, dass es gut ist, wenn sie Zulieferer vor Ort und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Die Politik muss Lösungen vorschlagen, wie wir die Kosten der Krise gerecht decken und die aufgenommenen Kredite wirtschaftlich vernünftig tilgen.”
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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