Förderung geht weiter für Konstanzer Projekt
Theater als erfolgreicher Weg der Resozialisierung

Bei der Präsentation der neuen Phase von "Theater hinter Gittern": Amelie Wördehoff, Christoph Dahl, Karin Becker,  Nese Erikli, MdL,  und Mela Breucker. | Foto: Tara Koselka
  • Bei der Präsentation der neuen Phase von "Theater hinter Gittern": Amelie Wördehoff, Christoph Dahl, Karin Becker, Nese Erikli, MdL, und Mela Breucker.
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Konstanz. Bereits im Jahr 2017 begann das Projekt "Theater hinter Gittern", welches der Resozialisierung von Strafgefangen in Baden-Württemberg einen neuen Anstoss verleihen soll. Auf der Pressekonferenz am Montag verkündete die Baden-Württemberg Stiftung nun, das Projekt auch weiterhin in Kooperation mit dem Theater Konstanz zu unterstützen.

In den 19 Justizvollzugsanstalten in Baden-Württemberg sitzen im Jahr 2022 rund 6500 Menschen ihre Strafe ab – oft ist dieser Strafvollzug geprägt von Isolation, wenig Aktivität und einer gewissen Hoffnungslosigkeit im Hinblick auf die Zukunft. Diese Umstände nehmen auch einen Einfluss auf den Prozess der Resozialisierung, welcher die Straffälligen eigentlich davon abhalten sollte, in ihrer zurückgewonnenen Freiheit weitere Straftaten zu begehen. "Momentan verzeichnen wir eine Rückfall-Quote von rund 50 Prozent - unser Ziel ist es, die Zahlen nachhaltig zu senken." – so Nese Erikli, (Bündnis90/Die Grüne) im Mediengespräch im Theater Konstanz.  Zur Erfüllung dieses Ziels setzt die Politik auf verschiedene Massnahmen, um die Straffällig gewordenen in ihre neu gewonnene Freiheit zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, diese auch weiterhin zu behalten.

Diesen Ansatz verfolgt auch das Projekt "Theater hinter Gittern", welches seit 2017 in Kooperation mit dem Theater Konstanz existiert und den Inhaftierten dabei helfen soll, sich, mit Hilfe der Theaterkunst, zu hinterfragen und alternative Möglichkeiten zu erforschen, ihrem Innenleben einen Ausdruck zu verleihen. Nicht zuletzt soll das Projekt auch den Menschen in Freiheit die Möglichkeit geben, sich einen Einblick hinter die Gitter der Gefängnisse zu verschaffen.

Weiter betonte Nese Erikli: "Der Prozess der Resozialisierung beginnt nicht, sobald die Menschen das Gefängnis verlassen – sie beginnt bereits in den Gefängnissen". Das Projekt soll StraftäterInnen neue Möglichkeiten bieten, sich mit ihren individuellen Gefühlen zu den Straftaten und ihrem bisherigen Leben auseinanderzusetzen. Doch nicht allein die Bewältigung der Straftaten sei das Ziel des Projekts, auch die Anerkennung und Anhörung, welche die, zumeist jungen Menschen, durch das Projekt "Theater hinter Gittern" erfahren können, sei eine Erfahrung, welche ihnen die Reintegration der Gesellschaft vereinfachen soll. "Sie sollen verstehen, dass sie auch etwas anderes können - dass sie nicht allein durch Straftaten Wertschätzung und Anerkennung erfahren können. Hierfür sehen wir das Projekt "Theater hinter Gittern" als ein Leuchtturmprojekt."

Auch Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg-Stiftung, sieht Chancen in dem Versuch – weshalb die Stiftung das Projekt auch weiterhin bis 2024/25 unterstützen möchte und weitere 402.400,00 Euro investiert, um den Strafgefangenen eine Möglichkeit zu geben, sich mit ihrer Biografie und ihren Taten auseinanderzusetzen. "Mit dem Projekt sollen sich auch weiterhin neue Wege im Jugendstrafvollzug eröffnen, um eine nachhaltige Gewaltprävention zu unterstützen. Es gibt bereits Erfolge."

Zur weiteren Förderung äusserte sich auch Karin Becker, Intendantin des Theaters Konstanz: "Wir freuen uns riesig über die erneuerte, hohe Förderung. Theater hinter Gittern ist ein immens wichtiges Projekt abseits der Bühne, das insbesondere durch die nachhaltige Unterstützung und kontinuierliche Arbeit mit den JVAs und Insass*innen funktioniert. Wir bedanken uns herzlich bei der Baden-Württemberg-Stiftung für das Vertrauen in uns und unsere Arbeit".

Das Projekt findet momentan in der Untersuchungshaft Konstanz in Formen von Workshops statt, da die Inhaftierungen hier meist zu kurzfristig sind, um ein ganzes Theaterstück auf die Bühne zu bringen. Jedoch profitieren das Frauengefängnis in Schwäbisch Gmünd, die Jugendhaft Ravensburg und die JVA Adelsheim von langfristigeren Projekten, die auch auf den Theaterbühnen in Baden-Württemberg aufgeführt werden sollen. Mit der zahlkräftigen Unterstützung der Stiftung Baden-Württemberg soll den Gefangenen nun auch ermöglicht werden, sich, mithilfe von Visagisten, leicht zu verfremden, um ihre Identität auf der Bühne zu verschleiern und somit die Angst zu dämpfen, von ihrem Publikum erkannt zu werden.

Durchgeführt wird das Projekt von den Theaterpädagoginnen Amelie Wördehoff, Magdalena Schaefer und Christiane Galli, Projektleiterin Mela Breucker und Intendantin Karin Becker des Stadttheaters Konstanz, welche mit ihrem Angebot auch auf Interesse bei den Gefangenen der jeweiligen Justizvollzugsanstalten stossen. "Meist zählen wir 4-8 Teilnehmer an den Workshops und 10-15 Teilnehmer an den langfristigen Projekten." Das Angebot findet für die Teilnehmer auf freiwilliger Basis statt und soll den Stimmen der Gefangenen nicht allein durch ihre Bühnenpräsenz Gehör verleihen – auch ihre Texte werden in die Stücke miteingebunden. So entwickelte sich auch das neue Theaterstück "Warten", welches mit den Insassinnen aus Schwäbisch-Gmünd entstand und im Februar seinen Weg auf die Theaterbühne finden soll.

Ebenfalls sollen in Konstanz weitere Projekte folgen, welche auch ausserhalb der Gefängnismauern präsentiert werden – ähnlich der vergangenen Kunstinstallation "Wunschzelle" welche im Sommer 2022 neben dem Münster seinen Platz fand und den Besuchern einen authentischen Einblick in das Leben hinter Gittern ermöglichte und den Gefangenen der JVAs Sichtbarkeit in der Gesellschaft verlieh.

Text von: Tara Koselka

Autor:

Redaktion aus Singen

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