Christdemokraten planen Sonderparteitag zur Aufarbeitung der Wahlergebnisse
Streit bleibt unbestrittener Chef der Kreis-CDU
Konstanz/Stockach/Espasingen. Die Uhr im Werner- und Erika-Messmer-Haus in Stockach-Espasingen war gnädigerweise um 21.45 Uhr stehen geblieben. Ihr war die Luft ausgegangen. Doch die Besucher des Kreisparteitags der CDU mussten gute vier Stunden bis nach 23 Uhr ausharren, bis die Sitzung geschlossen wurde. Die wichtigsten Ergebnisse: Willi Streit bleibt weiterhin Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Konstanz, da ihn 87 der 96 stimmberechtigten Delegierten mit ihrer »Ja«-Stimme im Amt bestätigt hatten. Ihm zur Seite stehen als Stellvertreter Dr. Fabio Crivellari, Cornelia Bambini-Adam und Wolfgang Reuther, der an dem Abend aus Termingründen nicht anwesend sein konnte. Und die Versammlung beschloss die Abhaltung eines Sonderparteitags zur inhaltlichen Aufarbeitung des desaströsen Wahlergebnisses der Bundestagswahl am Sonntag, 24. September. Die an diesem Abend gestellten zehn Anträge sollen im Rahmen des Sonderparteitags abgearbeitet werden.
Bernhard Diehl, Ortsvorsteher von Böhringen und gescheiterter Bürgermeisterkandidat in Steißlingen, nutzte die Gunst der Stunde, um seine Parteifreunde wachzurütteln. In Steißlingen habe eine »26-jährige Kopie« des vorherigen Amtsinhabers Artur Ostermaier die Wahl für sich entschieden, und auch in Tengen und Allensbach hätten Christdemokraten die Urnengänge gegen junge Mitbewerber verloren. Daher sei es Zeit, die Frage der Positionierung und der strategischen Ausrichtung der CDU zu stellen, so Bernhard Diehl, der mehrfach betonte, dass es ihm nicht um eine »persönliche Geschichte« oder ein Nachtreten nach der verlorenen Bürgermeisterwahl in Steißlingen gehe. Das Ergebnis habe er für sich persönlich abgehakt. Es sei wichtig für die CDU, die Weichen neu zu stellen. Diesem Anliegen soll nun mit einem Sonderparteitag Rechnung getragen werden. Sobald das Eckpunktepapier der sich gerade formierenden schwarz-grün-gelben Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP auf Bundesebene vorliege, wird diese Sondersitzung anberaumt. Der Termin werde wohl wohl nach der Fasnet 2018 anstehen, so Tagungspräsident, CDU-Urgestein und Ehrenvorsitzender der CDU Südbaden Hans-Peter Repnik.
Geführt wird die Kreis-CDU weiterhin von Willi Streit, der mit fünf Gegenstimmen und drei Enthaltungen mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt wurde. Ihm zur Seite stehen als Stellvertreter Cornelia Bambini-Adam und Fabio Crivellari, die jeweils 84 Stimmen der 96 Stimmberechtigten bekamen, und Wolfgang Reuther, der in Abwesenheit 77 Stimmen auf sich verbuchen konnte. Schatzmeisterin bleibt Gabriele Hertrich, Schriftführer wird Bernfried Haungs, den Posten des Pressebeauftragten übernimmt Felix Knaus. Als Internetbeauftragter fungiert Marco Diegruber, als Mitgliederbeauftragte Dr. Gabriele Jüppner-Luig.
Als Grund für das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl führte der alte, neue Vorsitzende Willi Streit vor allem den Richtungsstreit zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer um die Flüchtlingspolitik an. Das habe der Partei sehr geschadet. Eine tiefgreifende Analyse kündigte auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung an, der durch die Querelen mit der Schwesterpartei ebenfalls einen Vertrauensverlust beim Wähler konstatierte. Mit Blick auf die Regierungsbildung in Berlin meinte der Christdemokrat, dass Kompromissbereitschaft gefragt sei. Zwischen Seehofer und Jürgen Trittin von den »Grünen« sei die Bandbreite eben sehr groß. Daher sei es nötig, sich aufeinander zu zu beweben. Das gute Abschneiden der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) bereitet dem gebürtigen Stockacher Sorgen: Diese Partei gehöre nicht in den Bundestag, und er werde dafür kämpfen, dass sie wieder aus dem deutschen Parlament herausfliege. Nicht alle Wähler seien rechts gerichtet, das Protestpotential sei hier sehr hoch.
In der Landespolitik kündigte Willi Streit ebenfalls eine neue Attacke seiner Partei an: Bei der nächsten Landtagswahl wolle die CDU, nun der Juniorpartner neben den »Grünen« in Stuttgart, endlich wieder den Ministerpräsidenten stellen. Hart ging er mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann ins Gericht, der »wie ein beleidigtes Kind« an einem Tempolimit auf der südlichen A 81 auf 130 Stundenkilometer festhalte. Wenig Tempo bewies die CDU bei der Durchführung ihres Kreisparteitags: Bei vier Stunden Dauer und ermüdenden Formalia wurde den Teilnehmenden viel Geduld abgefordert. Die Uhr im Werner- und Erika-Messmer-Haus in Stockach-Espasigen jedenfalls hatte sich um 21.45 Uhr verabschiedet. Das wäre auch ein guter Zeitpunkt zum Aufhören gewesen.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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