Theater Konstanz blickt in Seelenlandschaften
"Press" - der Druck und die Lust am Krieg

Foto: Fiona Mentzel/ Theater Konstanz
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Konstanz. Jetzt, da der Krieg gegen die Ukraine wieder Europa berührt, geht es auch um die "Wahrheit", also was dort wirklich passiert. Abseits der ganzen Propaganda, die auf persönliche Schicksale keine Rücksicht nimmt, die gern alles so hindreht, als liefe es bestens. Dafür wollen die Kriegsreporter sich einsetzen, eben die ungeschönten Berichte zu liefern - um uns einen menschlicheren Einblick zu liefern.

Diesem Thema haben sich Simone Geyer als Regisseurin und Hannah Stollmayer als Dramaturgin mit den SchauspielerInnen Patrick O. Beck, Fynn Engelkes und Sarah Siri Lee König in "Press" gewidmet, das kürzlich seine Premiere in der Spiegelhalle des Theaters Konstanz feierte. Ein Stück, das manche Ausrufezeichen setzt.

Das ganze beginnt ganz unspektakulär mit den Vorbereitungen für einen Ehrungsabend für einen Kollegen, der hier einen Preis gewinnen soll. Doch schnell dringt der Krieg eben auch dort wieder ein. Die drei ReporterInnen, kommen immer wieder auf sich selbst zurück, stellen sich die Frage: Wann beginnt die Reise in den Krieg? Was muss man dafür alles packen? Was ist nötig, um  dort zu überleben? Und überhaupt: Wann beginnt der Krieg für mich? Denn schnell wird klar: Wer Kriegsreporter wird, tut das sicher nicht als Opfer, sondern auch aus einer gewissen Lust, da mit dabei zu sein - oder gar einer inneren Mission?

Demonstrativ wird das Anziehen von Schutzwesten und Atemschutz gegen die Stoppuhr geprobt, denn, so erfahren es die Zuschauer, man hat da nur 13 Sekunden Zeit dafür. Dann wäre man tot. Wer im Krieg ist, wird verletzt, auch wenn man keine Schramme davon trägt. Auch wenn sich die drei ihre Verletzungen und Narben zeigen und sie ganz einfach wie Abziehbilder von der Haut entfernen, so erzählen sie sich, wie sie sich ihre Seelen verletzt haben, wie die Bilder zurückkommen. Wie sie auf Anweiser warten, die sie sicher zwischen den Kampflinien an die Front bringen sollen, um zu sehen, was gesehen werden muss, um vom Krieg berichten zu können. Und wenn der Anweiser nicht kommt, weil er in irgendwelchen Kontrollen hängen bleibt? Sie erzählen, wie schnell man dann sterben kann, weil man einfach auf die Falschen trifft. Fast so wie im Mittelalter, wo das einzelne Leben nicht viel zählte.

"Ich liebe das Leben"

Die Bühne ist karg (Mona Marie Hartmann hat sie inszeniert).  Eigentlich ist sie nur ein Viereck, dessen Vorhang mit riesigen Videobildern ihrer selbst angefüllt werden. Ja, der Krieg, er bestimmt ihre Leben. Wenn die drei SchauspielerInnen da zum alten Schlager "Ich liebe das Leben" von Vicky Leandros wie auf einem riesigen roten Kissen tanzen, dann macht das die ganze Ambivalenz ihres Tuns so deutlich.

Auch wenn die Bilder des Grauens wiederkehren, in der Nacht vor allem, dann würden sie eben wieder gehen. Eben auch, weil sie ihr Leben doch lieben. Da ist eben das Gefühlt dieser doch speziellen Sorte Mensch, denen eine Stimme geben zu können, die sonst niemand hören würde, deren Gedanken im Pulvernebel und Getöse der Geschütze, der Explosionen und Schreie der Verwundeten untergehen würden.

"Werden sie der Welt berichten, was hier geschieht?", wird hier ein Zitat von Carolin Emcke aus ihrem Buch "Aus den Kriegen" ins Programm gestellt. Sie sollen und wollen Zeugen sein und die Frage, ob das dann "Wahrheit" ist, bleibt auch nach dem Schlussapplaus für eine wirklich faszinierenden schauspielerischen Leistung dieses so heterogenen Trios stehen.

Auf jeden Fall ist es Menschlichkeit schon deswegen, weil die Reporter mit ihren Bildern und Worten den Krieg wohl nie zum Guten wenden könnten - also zum Frieden. Oder doch? Ein Abend für ganz viele Filme im Kopf, die sich da mit den riesigen Videobildern mischen.

"Press" wird noch bis zum 23. Juni in der Spiegelhalle gezeigt. Mehr unter www.theaterkonstanz.de.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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