Kabale und Liebe als jugendliches Abenteuer
Neue Liebe erwächst im alten Schiller-Museum
Konstanz. Das alte Stück von Schiller, "Kabale und Liebe", welches dieser als "bürgerliches Trauerspiel" titulierte, ist im Grunde genommen ein Museum der Theatergeschichte. Und die Ähnlichkeiten mit dem berühmten "Romeo und Julia" liegen ja etwas auf der Hand, mit einer Liebe unter Personen, die eben nach den damaligen Vorstellungen nicht standesgemäß ist. Also hat RegisseurIn Juli Mahid Carly in seiner/ihrer Inszenierung des Stücks die Geschichte in ein Museum gepackt, das die Besucher der Vorstellung sogar noch umrunden müssen, bevor sie eingeladen werden, sich für den ersten Arbeitstag von Luise Miller in eben diesem Museum auf die Ränge zu setzen.
Und Carly hat zusammen mit einer Schulklasse ein ganz modernes Stück darüber geschrieben, das so richtig spannend und fast wie eine "Telenovela" daher kommt. In dem gerappt wird und aktuelle Hits wie von Shirin David oder Taylor Swift oder einem Seitenhieb auf das "House of the Rising Sun" von den Animals im Vierer-Chor gesunden werden und mit Liebe, die nach Schiller eben wehtun muss.
Das alles macht dem jungen Publikum, für das das Stück gedacht ist, wie auch den älteren Zuschauern, die eben durch den Klassiker angelockt sind, wirklich bemerkenswert viel Freude. Ein tolles Stück, das hier im "alten Museum" aus der alten Geschichte heraus inszeniert wird. Und wenn es im Text dann doch wieder Schiller wird, so merkt man das gleich am Rhythmus der Reden, die dadurch auch schon fast zum Gesang werden.
Odo Jergitsch, mit grellroten Lippen geschminkt, ist "Walter von Verwalter", der Herr dieses Museums und stellt sein Schild "Bitte nicht berühren", das ja ein richtiges Museum auszeichnet, wie in einer Filmschleife zu Beginn des Stücks immer wieder hin. Er muss schnell merken, dass Luise, oder eben "Lou" (Sarah Siri Lee König), nicht wirklich Ahnung hat von der Welt an ihrem neuen Arbeitsplatz. Aber sie hat schnell besondere Gefühle und fühlt sich eher wie eine "Bitch".
Ferdinand (Jasper Diedrichsen), der Sohn, der hier durch die Auslagen des Museums fast schon schwebt, geht's ähnlich. Der Funke stiebt über, eine gepuderte Liebe entflammt zwischen den beiden. Aber Ferdinand ist halt Sohn. Der Vater will diese Liebe nicht, die auch nicht "Standesgemäß" wäre. Auch weil es andere Pläne gibt, die dieses Museum sichern sollen als Insel des alten in der neuen Zeit. Und da kommt Emilie of Milford (Anne Rohde) ins Spiel. Tochter eines Museumsimperiums. Sie soll den Ferdinand heiraten und beugt sich wohl dieser Rolle, lebt eben im Museum, wirkt fast wie das Inventar.
Da kämpfen auf einmal zwei Welten gegeneinander, wie durch eine Tür, die hier zu einem der zentralen Requisiten - von Sonja Hoyler gestaltet - und Symbol wird. Genauso wie ein "Brautkleid", das in seiner Fülle erst mal besetzt werden müsste: Eine Welt, die eigentlich zu groß wäre für alle Akteure hier auf der Bühne. Und dann kämpfen die Schauspieler noch mit ihrer Rolle und dem, was sie im Stück sind, was wie zum Spiel im Spiel wird, bis sie sich wieder auf Schiller zurückstupfen, in der Dramaturgie von Sabrina Toyen.
Und dann schlägt Schiller eben doch wieder zu mit seiner Tragödie, die als "Reklam-Buch" zum daraus Zitieren in einer Vitrine des Museums steht. "Das Erbe fesselt uns zusammen wie einen Bund Lauchzwiebeln im Frühjahr", ist so einer der geflügelten Sätze. Sollte das, was da zwischen Lou und Ferdinand funkt, nur ein Sommerflirt sein, bevor es ernst wird mit der Emilie? Die Welt der Großen schlägt zu gegenüber der "Bitch", die erkennen muss, dass sie ja nicht mal eine Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen geschafft hat.
Kurios, wie da alte Zitronen plötzlich eine Rolle spielen, die Schiller wohl als Inspiration beim Schreiben nutzte. Das Ende bleibt hart: Denn gefälschte Briefe bringen Lou so in Misskredit, dass sie - und das ist wieder Schiller - von Ferdinand mit der Giftspritze getötet wird. Und Ferdinand folgt ihr in den Tod, weil er seine Liebe nicht mehr hat, die er nicht haben durfte.
Es ist auch ein Stück darüber, wie man heute auf Schiller blicken könnte. Denn da wird plötzlich eine riesige Perlenkette ausgepackt, die Schillers Mutter gehört haben könnte, und die Raubkunst sein könnte, eben von Sklaven erstanden in der Zeit der Kolonien. Und es wird in Schillers Leben hier auf der Bühne gegraben: Denn damals waren die Männer eines Stands wie Schiller durchaus keine Kostverächter, was "Eroberungen" angeht, mit Mädchen, die da gar nicht Nein sagen konnten.
Und dass es eine Luise in seinem Leben als "Jugendliebe" wirklich gab, die dann entehrt ins Kloster musste, als ihr Verhältnis zum Dichter herauskam, der da auf der anderen Seite die Finger in die doppelte Moral der Gesellschaft legte, in der er lebte. Keine Frage, bei diesem Stück werden die Ebenen zwischen Original und der Überschreibung Juli Mahid Carlys so geschwind gewechselt, dass man sich das Stück mehrmals anschauen könnte, um immer wieder eine neue Perspektive zu bekommen.
Einen Trailer gibt es zum Stück als schönen Appetithappen:
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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