Wirtschaftsbericht kritisiert Kosten und
IHK: Keine positiven Konjunkturimpulse in Sicht

Symbolbild IHK | Foto: IHK/ Archiv SWB

Kreis Konstanz. Die regionale Wirtschaft kann sich den globalen Herausforderungen nicht entziehen: geopolitische Verunsicherungen und hohe Inflation sorgen auf den nationalen wie internationalen Märkten für Nachfragerückgang. Sowohl die Geschäftslage als auch die Erwartungen haben sich im Jahresverlauf eingetrübt. „Der IHK-Konjunkturklimaindex, welcher Lageeinschätzung und Erwartungen mit einbezieht und Werte zwischen null und 200 Punkten annehmen kann, fällt von 109 auf 98 Punkte. Besonders gravierend ist der Rückgang dabei unter den Produktionsbetrieben im IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee“, so Dr. Alexander Graf, zuständig für die Konjunkturumfrage der IHK Hochrhein-Bodensee. „Und auch für die kommenden Monate bleiben die Erwartungen in weiten Teilen der Wirtschaft verhalten. Sorgen bereiten zunehmend die Entwicklungen der Inlands- und Auslandsnachfrage.“ Die Verfügbarkeit von Fachkräften, die steigenden Arbeitskosten und die Energiekosten werden von den Unternehmen als weitere Risiken für die eigene wirtschaftliche Entwicklung gesehen.

Geschäftslage im "Indikator"

Die Einschätzung der Geschäftslage bei den Unternehmen in der Region – gemessen anhand des „Lage-Indikators“ – sinkt von 124 Punkten im Frühjahr auf aktuell 115 Punkte. So ist der Anteil derjenigen, die von einer schlechten Lage sprechen, von 8 Prozent im Frühjahr auf 18 Prozent im Herbst gestiegen. Weitere 49 Prozent der Betriebe geben ihre aktuelle Lage als befriedigend, rund ein Drittel als gut an. Ausschlaggebend für diesen Rückgang ist der negative Verlauf, der bei den Produktionsbetrieben zu verzeichnen ist. Bei der Ertragslage zeigt sich ein ähnliches Bild. Rund 35 Prozent der Betriebe sprechen von einer guten Ertragslage, 47 Prozent sind zufrieden. Mit einer schlechten Ertragslage haben mittlerweile aber 18 Prozent der Unternehmen zu kämpfen.

Industrie mit geringerer Auslastung

Der Indexwert für die Geschäftslage der Industrieunternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee ist von 114 Punkten im Frühjahr auf aktuell 89 Punkte zurückgegangen. Die Einschätzung der Industrieunternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee liegt damit deutlich unter der der Gesamtwirtschaft. Der Anteil der Unternehmen im produzierenden Gewerbe, die die Geschäftslage als gut bezeichnen, sinkt seit Jahresbeginn kontinuierlich und beträgt nun noch rund 26 Prozent (Jahresanfang: 46 Prozent). Entsprechend ist auch der Anteil der Unternehmen, die ihre Lage als schlecht bezeichnen. Dieser ist im Verlauf des Jahres von 8 auf rund 29 Prozent gestiegen. Bemerkbar macht sich dies auch bei den Umsätzen, die bei rund 44 Prozent der Produktionsbetriebe im Vergleich zum Vorjahresquartal gesunken sind. Entsprechend rückläufig ist der Auslastungsgrad der Kapazitäten in der regionalen Industrie. Er liegt mit nun rund 80 Prozent deutlich unter dem langjährigen Mittel.

Bei der Ertragslage steigt der Anteil derer, die von einer schlechten Ertragslage sprechen von 14 auf 33 Prozent an. Und auch bei der Entwicklung der Auftragseingänge zeigt die aktuelle Tendenz nach unten. So berichten rund 57 Prozent von zurückgehenden Auftragseingängen aus dem Inland und rund 55 Prozent von sinkenden Eingängen aus dem Ausland.

Zurückhaltendes Kaufverhalten im regionalen Handel

Die Einschätzung der Geschäftslage im Handel fällt zu Beginn des Herbstes positiver aus als noch vor einem Jahr. Ein Viertel der Befragten beurteilt ihre Lage aktuell als gut, der überwiegende Teil – zwei Drittel – ist zufrieden. Allerdings berichten 47 Prozent der Händler von gegenüber dem Vorjahresquartal gesunkenen Umsätzen. Noch negativer sieht es beim Konsumverhalten der Kunden aus. Hier berichten drei von vier Händler von zurückhaltendem Konsum. Der Lageindex im regionalen Handel verbessert sich trotz weiter anhaltend hoher Inflation und Kaufzurückhaltung auf 116 Punkte.

Dienstleistungsbereich robust

Der Lageindex im Dienstleistungsbereich zeigt sich seit Jahresbeginn stabil und liegt aktuell bei 131 Punkten. Waren es im Frühjahr rund 5 Prozent der Dienstleister, die von einer schlechten Lage sprachen, so sind dies in der aktuellen Umfrage 13 Prozent. Allerdings hat sich auch der Anteil derer, die von einer guten Lage berichten im selben Zeitraum von 39 auf 44 Prozent erhöht. Von guten Erträgen sprechen derzeit 56 Prozent der Dienstleister, weitere 35 Prozent sind mit der Ertragslage zufrieden. Die derzeitige Tendenz beim Auftragsvolumen zeigt sich bei 49 Prozent der Dienstleistungsbetriebe gleichbleibend. 16 Prozent können ein steigendes Volumen verzeichnen, bei 35 Prozent ist die Tendenz dagegen fallend. Die rückläufige Tendenz dürfte insbesondere auch auf die industrienahen Dienstleistungen zurückzuführen sein, die durch eine schwache Konjunktur unter den Produktionsbetrieben in Mitleidenschaft gezogen werden.

Erwartungen für die kommenden Monate

Nochmals zurückgegangen sind die Erwartungen der Unternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee über den weiteren Geschäftsverlauf. Der Saldo (die Differenz zwischen den guten und den schlechten Erwartungen) sinkt von minus 5 auf minus 17 Punkte. Aktuell sehen 30 Prozent der Betriebe eine schlechtere Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten voraus, 57 Prozent rechnen mit einem gleichbleibenden Verlauf. Die Anzahl der positiv vorausschauenden Unternehmen verringert sich gegenüber der Frühjahrsumfrage von 16 auf 13 Prozent.

Am stärksten eingetrübt haben sich die Erwartungen unter den Produktionsbetrieben. Hier erhöht sich der Anteil der Unternehmen, die mit schlechteren Geschäften rechnen, von 16 auf 35 Prozent, während die Zahl der Optimisten, die mit besseren Geschäften planen, von 21 Prozent auf 17 Prozent zurückgeht. Deutlich zurückgeschraubt werden dabei die Exporterwartungen. Die Hälfte der Produktionsbetriebe geht von fallenden oder keinen Exporten in den kommenden Monaten aus. Damit hat sich dieser Anteil gegenüber der letzten Befragung verdoppelt.

Auch die Erwartungen unter den Dienstleistungsbetrieben gehen weiter zurück. Der Anteil der Unternehmen, die für die kommenden Monate von besseren Geschäften ausgehen, liegt bei rund 14 Prozent, während auch hier rund 30 Prozent der Unternehmen mit einem sich verschlechternden Geschäftsverlauf rechnen.

Unter den Handelsbetrieben sehen drei von vier Betrieben gleichbleibende Geschäfte voraus, während aktuell rund 16 Prozent eine Verschlechterung gegenüber der aktuellen Situation prognostizieren. Insbesondere die noch anhaltenden Teuerungsraten und die Unsicherheiten über den weiteren Konjunkturverlauf wirken dabei negativ auf die Kauflaune der Konsumenten.

Dementsprechend vorsichtiger werden die Unternehmen was die Investitionsabsichten im Inland betrifft. Mehr als ein Drittel der Unternehmen im Kammerbezirk planen für die kommenden Monate mit reduzierten Investitionen. Bei rund 40 Prozent der Betriebe sollen die Investitionsausgaben auf Sicht von 12 Monaten gleichbleiben. Neben der Ersatzbeschaffung (71 Prozent) stehen insbesondere Investitionen in Digitalisierung (52 Prozent), Rationalisierung (37 Prozent) sowie in Umweltschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen (37 Prozent) im Vordergrund. Investitionen in Kapazitätserweiterungen wollen dagegen aktuell nur 15 Prozent der Betriebe tätigen.

Vorsichtiger wird ein Teil der Unternehmen auch im Hinblick auf die Planungen der Beschäftigtenzahlen. Gegenüber dem Frühjahr nimmt die Zahl der Unternehmen, die mit tendenziell fallenden Beschäftigtenzahlen planen, von 14 auf 34 Prozent zu. Der überwiegende Teil der Unternehmen in der Region – 53 Prozent – geht aber weiter von einer konstanten Anzahl beschäftigter Personen in den kommenden zwölf Monaten aus; 13 Prozent rechnen mit einer tendenziell steigenden Belegschaft.

Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung

Selbst wenn die Unternehmen bei zusätzlichen Einstellungen vorsichtiger werden, treibt die Suche nach geeigneten Fachkräften den Großteil der Unternehmen im Kammerbezirk (76 Prozent) um. Dabei werden insbesondere Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung am Markt häufig vergeblich gesucht. Aufgrund des bevorstehenden Eintritts der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand wird sich – auch in konjunkturellen Schwächephasen – auf absehbare Zeit hier für die Betriebe keine Entspannung abzeichnen. In der Umfrage geben rund 59 Prozent der beteiligten Unternehmen an, derzeit offene Stellen nicht besetzen zu können, da passende Fachkräfte nicht gefunden werden. Reagieren wollen die Unternehmen auf diesen Fachkräfteengpass insbesondere mit verstärkter Ausbildung (51 Prozent) und der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität (51 Prozent). Sorgen machen sich immer mehr Unternehmen um die Inlandsnachfrage (64 Prozent) und um die steigenden Arbeitskosten (53 Prozent). Beide Risiken sind gegenüber der Frühjahrsumfrage nochmals gestiegen. Weiter bleiben auch die Energiepreise nach wie vor eines der am häufigsten genannten Geschäftsrisiken (57 Prozent der Unternehmen). Allerdings hat der Druck im Vergleich zum Vorjahr nachgelassen. Hier bleibt abzuwarten, wie volatil die Märkte in den kommenden Wochen auf die geopolitischen Geschehnisse reagieren werden.

Für dieses Jahr rechnet sowohl der Internationale Währungsfonds als auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,5 bzw. 0,4 Prozent. Projiziert wird für das kommende Jahr eine Erholung im privaten Konsum, der durch höhere Löhne bei gleichzeitigem Rückgang der Inflation eintreten soll. Zudem wird erwartet, dass sich der hohe Investitionsbedarf im Zuge der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft positiv auf die deutsche Industrie auswirken wird. Die von der Regierung eingeleiteten Maßnahmen, wie das Wachstumschancengesetz, sind hier ein positives Signal. Deutlich mehr Maßnahmen, insbesondere auch ein in der Breite spürbarer Bürokratieabbau, müssen aber folgen, um die Investitionsquoten zu erhöhen und für den erhofften positiven Konjunkturimpuls zu sorgen.

Autor:

Presseinfo aus Singen

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