Beklemmende Rückkehr in „Draußen vor der Tür“
Eine deutsche Wahrheit
Konstanz (of). 1000 Tage und Nächte war Beckmann (Nikolai Gemel) weggewesen, erst der Kessel von Stalingrad, dann die Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Als er schließlich versehrt und gedemütigt in sein heimatliches Hamburg zurückkommt, noch immer mit der Brille der Gasmaskenträger vor den Augen so als sei immer noch ein Angriff zu befürchten, hat er nicht nur seinen Vornamen verloren, sondern scheinbar auch alles, was davor sein Leben ausgemacht hat. Die Türe daheim verschlossen für den Verschollenen, mit dessen Rückkehr man offensichtlich auch nicht mehr gerechnet hatte. Eine Welt, die vom großen Krieg nichts mehr wissen und ihre Erinnerungen gründlich tilgen wollte, eine Elbe die Beckmann wieder ans Ufer ausspie als er in Reich der wirklich Toten wechseln wollte. Ein hartes Stück Theater auch heute noch, dass das Konstanzer Theater über 60 Jahre nach der Erstaufführung ebendort unter der Regie von Mareike Mikat zurück in unsere Zeit transportieren wollte.
Die Einsamkeit, mit der Beckmann aus diesem Krieg zurückkommt ist bedrückend. Es ist die Einsamkeit eines Menschen, der aus seiner Zeit gerissen wurde, für 1000 Tage und Nächte. Und der den Anschluss nicht mehr findet. Ein „Mädchen dessen Mann auf einem Bein nach Hause kam“ (Johanna Link) holt den „Fisch“ aus dem Wasser das ihn auch nicht wollte und trocknet ihn und auch sie ist einsam. Doch der Gedanke an ihren Mann (als doppelte Rolle : Harald Schröpfer, Thomas Pötzold) verhindert die Nähe, die sich im Augenblick anbahnt. Als er beim Oberst (Harald Schröpfer) vorbeischaut kommt die „Verantwortung“ zurück: wie viele gingen mit den Untergefreiten in den Wald, wie viele blieben dort in ihrem Blut? Weiter geht es mit dem Versuch beim Kabarettdirektor (Katrin Huke) unterzukommen, aber Beckmann hat ja nur seine bitteren Witze vom Schlachtfeld. Im Haus seiner Eltern wohnt schon Frau Kramer (Peter Cieslinski / Thomasz Robak) denn diese waren ja „überzeugte“ und liegen schon auf dem Friedhof. Und immer näher rückt die Wand auf die Theaterbühne, immer enger wird das „Draußen vor der Tür“, das wahrhaftig „im Eimer“ ist, da die ganze Landschaft aus stapelbaren Eimern gestaltet ist, die am Schluss gar in Richtung Publikum zu kippen. Und das ist genauso „Vor der Türe“ wie Beckmann selbst, wird mit diesen Wunden von damals konfrontiert, die eigentlich bis heute nicht verheilt sind, wie es die politische Landschaft der Gegenwart immer wieder vorführt. Erst am Schluss wird getanzt, doch da ist Beckmann schon ein Toter unter den Lebenden, der nicht zurück gefunden hat. Die Verantwortung, sie wiegt auch heute noch schwer, wie es Regisseurin Mareike Mikat auf den Punkt bringt. Der Applaus der Premiere machte es deutlich: neben der großartigen schauspielerischen Leistung war es ein guter Zug, dieses „damals“ zurück in unsere Zeit zu holen.
Ein anderer Kontext zu „damals“ wird in Schriftform dazu gegeben. Es sind die Schriftwechsel und Artikel von 1956, das das Stück erstmals am Theater Konstanz aufgeführt wurde. Der damalige OB war der Meinung, dass man ein solches Stück nicht zeigen sollte, obwohl er es nicht gesehen hatte und es entbrannte ein Krieg über dieses Urteil, das Wolfgang Borchert da verfasst hatte. Und damit schließ sich der Kreis zur Gegenwart, wenn man an die Scharmützel um die Aufführung von Taboris „Mein Kampf“ im letzten Jahr denkt.
Das Stück wird noch gespielt am 2., 6., 8., 9., und 27. Februar im Theater Konstanz, jeweils um 20 Uhr, gespielt. Mehr: www.theaterkonstanz.de
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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