"Am Wasser" als politisches Signal des Theater Konstanz
Ein See rächt sich für die Menschen
Konstanz. Eigentlich heißt diese letzte Spielzeit von Theaterintendant Prof. Christoph Nix "Bella Ciao", doch hat Nix einen beträchtlichen Teil der Produktionen außerhalb des Standard-Programms auf der großen Bühne dem Thema Protest und Widerstand gewidmet, fast als wollte er im Jahr 51 nach 1968 klar machen, dass sich die Geschichte sonst immer weiter nur um sich selbst drehen wird und nichts vorwärts kommt. Nach den "Jungen Hunden", für die Nix einst das Buch selbst über die Revolution auf dem Land schrieb, und dem ""Ngunza - Der Prophet" über den Kampf gegen unmenschliche Kolonialherren im Kongo wird nun mit der Auftragsproduktion "Am Wasser" das Kapitel Rüstungsindustrie am Bodensee aufgeschlagen, das es sonst eher nur an den Ostermärschen an die Oberfläche schafft.
Das bewusst auch für ein jugendliches Publikum von Annalena Küspert geschriebene und Nicola Bremer inszenierte Stück "Am Wasser", das am Samstag in der Spiegelhalle Premiere hatte, hat freilich das Zeug dazu, die Diskussion über Rüstungsindustrie am See, ihrer Geschichte und ihrer Folgen, mit einem Ausrufezeichen in die Öffentlichkeit zu rücken - denn hier wurde ein höchst spannendes und vor allem vielschichtiges Werk auf die Bühne gebracht, dem man den Versuch, nun möglichst jugendlich hipp daherzukommen, gerne verzeihen mag.
Ein Schwarzer Bodensee - das ist für das Touristenparadies natürlich eine Katastrophe und und um den See sollen die Medienvertreter beschwichtigt werden. In einem Video eine Regionalsenders wird gar ein Badegast vorgeführt, der trotzdem in der schwarzen Brühe schwimmen geht und beschört, dass es eigentlich nichts macht, nur dass man nichts sieht. Das Phänomen platzt sozusagen in die Junge liebe der jungen Bloggerin Saliha (Sarah Siri Lee König) und Jan (Peter Posniak) herein. Saliha vertreibt die schwarze Brühe als Wundermittel gleich eifrig über ihre Bogs und beide wollen nach dem Abitur bald nach Australien fahren, wie das die Jugend eben heute so macht. Aber Salihas Großmutter Gerti erinnert sich, dass der See schon einmal schwarz war. Damals als zum Ende des zweiten Weltkriegs die Rüstungshochburg Friedrichshafen durch Bomber in Schutt und Asche gelegt wurde und die Asche eben den See schwarz machte. Damals sei auch die Kirche abgebrannt und auf dem Tabernakel wurde noch in Inschrift "Ich mache alles neu" entziffert, derzählt die Gerti (Jana Alexia Rödiger). Die Rüstungsindustrie, die damals in Sandsteinstollen eingegraben wurde, sie gibt es heute noch in diesem "Unterlingen" und Gerti meint, hier räche sich nun der See für das Leid, das damit den Menschen angetan wurde. Die Beziehung zwischen Saliha und Jan muss zerbrechen, denn der Vater (Ralf Beckord) von Jan ist in der Führung der Rüstungsindustrie und Saliha beginnt nun den Widerstand gegen das Werk der Bomben zu organisieren. Und Jan habe schließlich genauso wie die Region von dieser Industrie profitiert. doch der Widerstand lässt sich nicht aufhalten, er endet freilich in einer ganz großen Katastrophe, die der Vater von Jan auslöst.
Das solche Stücke auch heute noch den Finger in offenen Wunden legen, offenbart das Programmheft. In einer Szene sollte ein Hansele aus "Unterlingen" auftreten, doch das Theater bekam es nicht. Mit dem Verweis, dass einige der Mitglieder des Narrenvereins eben in diesem Rüstungsunternehmen arbeiten würden und man wolle die nicht vergraulen. Im Vorfeld der Premiere gab es Leserbriefe auf der anderen Seeseite, in denen immer wieder betont wurde, dass die "Rüstungsunternehmen" ja auch zivile Produkte herstellten. Eine Demonstration am Samstag machte deutlich, dass die Rolle der Rüstungsindustrie auch heute noch in vielen Konflikten mitspielt. Denn ohne Waffen gäbe es keine Kriege. Das Stück ist konzipiert für Jugendliche ab 14 Jahren und wird noch bis zum 24 Januar 2020 gespielt. Vor dem Spielbeginn und 20 Uhr wird ab 19.10 Uhr bei einigen Vorstellungen eine Einführung ins Thema angeboten.
Mehr unter: www.theaterkonstanz.de
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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