Jelineks "Angabe der Person" in der Spiegelhalle
Ein Parforceritt zwischen Geständnis und Anklage voller Fragen

Elfriede Jelinek vervierfacht sich in ihrem Monolog in "Angabe zur Person" durch Thomas Fritz Jung, Katrin Huke, Julius Engelbach und Anne Rohde in der Spiegelhalle des Theater Konstanz. | Foto: Ilja Mess/ Theater Konstanz
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  • Elfriede Jelinek vervierfacht sich in ihrem Monolog in "Angabe zur Person" durch Thomas Fritz Jung, Katrin Huke, Julius Engelbach und Anne Rohde in der Spiegelhalle des Theater Konstanz.
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Konstanz. Wenn man ins Visier des Staats in Steuerangelegenheiten kommt, kann das schnell mal ziemlich unangenehm werden. Vor allem, wenn man sich zunächst keiner echten Schuld bewusst ist. Doch dadurch wird manchmal auch ein ganzes Leben auf den Prüfstand gestellt und es stellen sich viele Fragen an die, die hier vorsätzlich vorgehen und am Ende dann doch ungeschoren davonkommen könnten. So wie das in den Skandalen um die widerrechtlichen Steuererstattungen aus Scheingeschäften im Cum-Ex-Skandal die Gerichte beschäftigt und auch die Gesellschaft, die hier um viele Milliarden Euro betrogen wurde.
Die österreichische Autorin Elfriede Jelinek musste sich mit einem solchen Steuerverfahren auseinandersetzen, das eingestellt wurde. Aber sie hat es mit ihren Fragestellungen zum Thema Gerechtigkeit zum Anlass für ihr Stück "Angabe der Person" genommen. Das kam nun unter der Regie von Hannes Weiler auf die Bühne der Spiegelhalle des Theaters Konstanz und wird dort noch bis zum 17. Januar gespielt, in einer doch sehr beeindruckend komplexen Inszenierung.

Wer schon mal ein Stück von Elfriede Jelinek erlebt hat, wird nicht überrascht sein, dass sich die Autorin in ihrer sprunghaften Selbstbetrachtung gleich vervierfacht. Julius Engelbach, Katrin Huke, Thomas Fritz Jung und Anne Rohde sorgen in der von Meike Sasse, im Bühnenbild von Florian Dietrich, in Kostümen von Bettina Werner als optische Spiegelbilder hier für eine Szenerie, in der es in vielen Sprüngen in einem enorm verdichteten Textstrang durch das Leben der gerade deswegen auch preisgekrönten Autorin geht. Es geht durch die Geschichte ihrer Familie, der in Nazi-Zeiten der Zugang zur Schweiz mangels Vermögen verwehrt wurde, durch internationale Finanzströme, auf die der Staat keinen Zugriff mehr hat. Es ist ein Rückblick in eine Welt, in der den jüdischen Mitbürgern einst ihr Vermögen geraubt wurde. Eine Zeit in der Machtlosigkeit gegenüber einem scheinbar allmächtigen Staat das Gefühl einer Generation war, in der "die Toten so viele Abgaben geben mussten, bevor sie auch ihr Leben abgeben mussten". Das Stück ist eine Art Familienaufstellung, in der auch die Toten auf die Bühne zurückkehren, eine Gesellschaftsaufstellung, in der die Armen die Angst haben, noch ärmer zu werden, in der sich die Existenz auf Überweisungen reduziert und Andere ihr Geld diesem Staat durch Steuertricks entziehen können.

Auch wenn Regisseur Hannes Weiler hier die Vorlage schon auf ein Viertel reduziert hatte, ist der durchgehende Redefluss enorm verdichtet und durchgehend. Das Gefühl ist spannend, dass hier zwischen den vier Akteuren unter der Szenerie einer gekreuzigten Puppe bei "Angabe der Person" mit so vielen Gedankensprüngen jedes Wort auf der Goldwaage liegt. Weil ja auch alles gegen die Autorin verwendet werden könnte, die sich in der Videoschleife zum Eingang des Stücks auch zur Ablehnung ihrer Eltern bekennt, deren Blick auf die Gesellschaft zuweilen auch bizarre Formen annahm, im Blick auf eine Welt in der das Hinterziehen zum Volkssport geworden ist. Die Autorin gerät als Österreicherin mit Zweitwohnsitz im noblen München hier nun in die Mühlen von Doppelbesteuerungsabkommen und mutmaßt, viele, viele andere verschwundene Milliarden anderer Hinterzieher würden wohl nie gefunden.

Die Überforderung des Publikums durch die vielfältigen Assoziationsketten Jelineks gehört zum Stück dazu, das einen doch mit vielen Fragen zurücklässt. Aber genau diese Fragen sollen auch stehen bleiben. Das Stück beginnt nach dem Schlussapplaus weiterzuarbeiten, bei den ZuschauerInnen. Und das macht diese zu Mitarbeitern an der "Angabe der Person".

Mehr Informationen und Karten gibt es unter theaterkonstanz.de

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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