Jelineks "Angabe der Person" in der Spiegelhalle
Ein Parforceritt zwischen Geständnis und Anklage voller Fragen
Konstanz. Wenn man ins Visier des Staats in Steuerangelegenheiten kommt, kann das schnell mal ziemlich unangenehm werden, vor allem wenn man sich zunächst keiner echten Schuld bewusst ist. Doch dadurch wird manchmal auch ein ganzes Leben auf den Prüfstand gestellt und es stellen sich viele Fragen an die, die hier vorsätzlich vorgehen und am Ende dann doch ungeschoren davonkommen könnten. So wie das gerade in den Skandalen um die widerrechtlichen Steuererstattungen aus Scheingeschäften im Cum-Ex-Skandal die Gerichte beschäftigt und auch die Gesellschaft, die hier um viele Milliarden Euro betrogen wurde. Die österreichische Autorin Elfriede Jelinek musste sich mit einem solchen Steuerverfahren auseinandersetzen, das freilich eingestellt wurde. Aber sie hat es mit ihren Fragestellungen zum Thema Gerechtigkeit zum Anlass für ihr Stück "Angabe der Person" genommen, das unter der Regie von Hannes Weiler nun auf die Bühne der Spiegelhalle des Theater Konstanz kam und dort noch bis zum 17. Januar gespielt wird in einer doch sehr beeindruckend komplexen Inszenierung.
Und wer Elfriede Jelinek schon mal mit einem Stück erlebt hat, wird nicht überrascht sein, dass sich die Autorin in ihrer sprunghaften Selbstbetrachtung gleich vervierfacht. Julius Engelbach, Katrin Huke, Thomas Fritz Jung und Anne Rohde sorgen in der von Meike Sasse im Bühnenbild von Florian Dietrich in Kostümen von Bettina Werner als optische Spiegelbilder hier für eine Szenerie in der es in vielen Sprüngen in einem enorm verdichteten Textstrang durch das Leben der gerade deswegen auch preisgekrönten Autorin geht, durch die Geschichte ihrer Familie, der in Nazi-Zeiten der Zugang zur Schweiz mangels Vermögen verehrt wurde, durch die internationalen Finanzströme streift, auf die der Staat keinen Zugriff mehr hat Ein Rücklick in eine Welt, in den den jüdischen Mitbürger einst ihr Vermögen geraubt wurde, eine Zeit in der Machtlosigkeit gegenüber einem scheinbar allmächtigen Staat das Gefühl einer Generation war in der "die toten so viele Abgaben geben mussten, bevor sie auch ihr Leben abgeben mussten". Das Stück ist eine Art Familienaufstellung, in der auch die Toten auf die Bühne zurückkehren, eine Gesellschaftsaufstellung, in der die Armen die Angst haben, noch ärmer zu werden, in der sich die Existenz auf Überweisungen reduziert und andere Eben ihr Geld diesem Staat durch Steuertricks entziehen können.
Auch wenn Regisseur Hannes Weiler hier die gespielt Vorlage schon auf ein viertel reduziert hatte, ist der durchgehende Redefluss enorm verdichtet und durchgehen und das Gefühl ist spannend, das hier jedes Wort des zwischen den vier Akteuren unter der Szenerie einer gekreuzigten Puppe verteilten Monologs zur "Angabe der Person" mit so vielen Gedankensprüngen jedes Wort auf der Goldwaage liegt, weil ja auch alles gegen die Autorin verwendet werden könnte, die sich in der Videoschleife zum Eingang des Stücks auch zur Ablehnung ihrer Eltern bekennt, deren Blick auf die Gesellschaft zuweilen auch bizarre Formen an, im Blick auf eine Welt in der das Hinterziehen zum Volkssport geworden ist, und die Autorin als Österreicherin mit Zweitwohnsitz im noblen München hier nun in die Mühlen von Doppelbesteuerungsabkommen gerät und die mutmaßt, viele viele andere verschwundene Milliarden anderer Hinterzieher wohl nie gefunden würden. Die Überforderung des Publikums durch die vielfältigen Assoziationketten Jelineks gehört zum Stück dazu, dass einen doch mit vielen Fragen zurücklässt. Aber genau diese Fragen sollen auch stehen bleiben. Das Stück beginnt nach dem Schlussapplaus weiter zu Arbeiten den ZuschauerInnen. Und das macht diese zu Mitarbeitern an der "Angabe der Person".
Mehr und Karten gibt es unter theaterkonstanz.de
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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