Antigone als Blick ins Grab der Menscheit
"Der Krieg muss aufhören"!

Die Trauer über den Tod der Brüder, die sich im Kampf im die Macht gegenseitig erstochen hatten macht um Umgang den großen Unterschied zwischen ihren Schwestern Antigone (Anne Rohde) und Ismene (Lilian Precht) deutlich. | Foto: Theater Konstanz / Ilja Mess
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  • Die Trauer über den Tod der Brüder, die sich im Kampf im die Macht gegenseitig erstochen hatten macht um Umgang den großen Unterschied zwischen ihren Schwestern Antigone (Anne Rohde) und Ismene (Lilian Precht) deutlich.
  • Foto: Theater Konstanz / Ilja Mess
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Konstanz. Klassiker kann man immer wieder ausgraben und leider bleiben sie stets aktuell, weil die Welt es irgendwie nicht schafft, sich zu verändern. "Der Krieg muss aufhören", ist ein markanter Ruf der Geschwister Antigone und Ismene in der Inszenierung von Susanne Schmelcher über Sophokles "Antigone", der in diesem Fall nach der Übersetzung von Hölderlin von Martin Walser nochmals überarbeitet wurde.

Die beiden Schwestern (Anne Rohde und Lilian Prent) betrauern ihre Brüder Eteokles und Polyneikes, die sich hier in der Zeit der Perserkriege im Duell getötet hatten. Einer ist Held, der andere hier nicht. Der eine wird in Ehren bestattet, der andere soll vor der Stadt von den Hunden aufgefressen werden, hat ihr Onkel Kreon (Ingo Biermann) so beschlossen und beruft sich auf Gesetze. "Der Krieg muss aufhören" - hat der wahrscheinlich nicht hören wollen, lieber dass alle Regeln so bleiben wie sie sind. Und so muss die Geschichte ihren Lauf gehen. Als Zuschauer wollte man da am liebsten auf die Bühne springen und rufen "Hört endlich auf mit dem Krieg!", oder so was Ähnliches. Aber die Geschichte, die hier trotz ziemlich cooler Bühnenbilder aus einer neuen Welt, mit einer Mischung aus finsteren Rap, Kraftwerk und einem Hauch Laurie Anderson und harten Worten im Sprechgesang (Sarah Siri Lee König und Jana Alexia Rödiger) bei der alten Sprache bleibt, wird von der Regie nicht aus ihrem Zwang zum bösen Ende erlöst. Und das tut in einer Zeit, in der eben wie immer noch im Nahen Osten das Eine dem Anderen vergolten werden muss und dann wieder die Retourkutsche folgt, ganz schön weh.
Klar, Antigone hat zwei Brüder gehabt, und will beide beerdigt haben. Ob das ein Gesetz verbietet oder nicht. Das wären Gefühle, die Keon erkennen könnte, wenn er Augen für die Welt hätte. Zumal Antigone eigentlich ja seine Schwiegertochter werden soll, sein Sohn Hämon (Fynn Engelkes) soll sie haben dürfen, war mal ausgemacht. Antigone ist auch mutiger als ihre Schwester, ihrem toten Bruder zuliebe, der ja leider auch Gesetzen gefolgt war. Sie beerdigt ihn im Abendrot. Der Bote des Königs, der natürlich die Hand seines Chefs schon an seiner Gurgel gespürt hat, verpfeift die Heldin, weil er zu viel Angst hat. Und Keon hat immer nocht nicht begriffen. Das Gesetz steht ihm über dem Menschen, so wie anderen die Rache. Jeder weiß, was kommen muss: Antigone wird gnadenlos eingemauert, Hämon hat im Leben, das ihm eigentlich durch seines Vaters Liebesunfähigkeit genommen ist, keinen Platz mehr und muss sich meucheln. Der Krieg des Gesetzes gegen die Menschen fordert mit dem Tod der Mutter Hämons das nächste Opfer. Das Gefühl bestürzt, dass es so weiter gehen wird, solange die Menschen nicht aufhören können mit ihrem Krieg.
Das setzt dieses Drama aus dem fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung trotz der alten Verse mitten in unsere Zeit. Und gibt den Zuschauern die Frage mit, warum sich das nie ändern konnte. Könnten wir das?
Sarah Siri Lee König radelt als Seherin Theiresias zu Beginn des Stücks mit einem Lolly im Mund durch das Publikum, ein bisschen als Verweis darauf, dass es hier ja auch eine nächste oder "letzte Generation" gibt- und weiß, wie alles ausgeht. Nicht nur Keon, auch alle anderen habe halt nicht zugehört. Und das kennen wir aus diesen Tagen auch zur Genüge.

Antigone wird noch bis zum 10. Januar im Theater Konstanz gespielt, an ausgewählten Abenden wird eine Einführung angeboten. Mehr unter theaterkonstanz.de

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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