Bumerang-Thema: Pflanzenschutzmittel
Das Aus für Äpfel vom Bodensee?
Landkreis Konstanz. Vor drei Jahren wurde das Thema noch auf Landesebene diskutiert, dann im Bund und nun kommt es im Europa-Parlament erneut auf: Eine Verordnung zur Regulierung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. In einer Runde mit Landwirten aus der Bodenseeregion gaben Andreas Jung, Minister des Bundes der CDU, sowie der EU-Minister und Vorsitzende des Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im EU-Parlament Norbert Lins am Dienstagabend einen Einblick in die »Sustainable Use Regulation«.
Dass beim Umweltschutz in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft dringend gehandelt werden muss, stellt in der Runde der Gesprächsteilnehmer an diesem Abend niemand in Frage. Die Natur zu schützen und deren Vielfalt aufrechtzuerhalten steht nicht zur Diskussion - der Weg dies zu erreichen allerdings schon. Eine Regulierung bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln scheint dabei das Mittel der Wahl zu sein, wird eine solche nun ja bereits zum dritten Mal am Bodensee thematisiert, immer sehr zum Ärger der Landwirte. Das Ziel ist nun, wie schon 2019 mit Stuttgart und Berlin, auch auf der europäischen Ebene die Agrarbetriebe, Pflanzenschutz und Politik »partnerschaftlich zusammenzubringen«, betont CDU-Politiker Andreas Jung den Schwerpunkt des Austauschs.
Denn der im Juni veröffentlichte Entwurf der EU-Kommission »hat es absolut in sich, leider in negativer Weise.« Warum, wird aus den nachfolgenden Erklärungen von Norbert Lins schnell klar, in denen er die größten Kritikpunkte hervorherbt. Wohl am schwerwiegendsten sei die Liste sensibler Gebiete, auf denen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln strenger werden soll. Hier finden sich neben Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (sogenannte FFH-Gebiete) auch Vogel-, Landschafts- bis hin zu Wasserschutzgebieten. So könnten bis zu 48 Prozent der baden-württembergischen Landwirtschaftsflächen hiervon betroffen sein, insbesondere rund um den Bodensee. Dadurch würden die Erträge hier einbrechen, das entstehende Versorgungsvakuum müsste wiederum durch mehr Importe ausgeglichen werden. Dabei gilt nicht nur für Andreas Jung: »Lieber Obst vom Bodensee statt von Übersee«, was mit der EU-Verordnung extrem erschwert werden würde. Der Kommission sei hier wohl nicht bewusst, wie viel Land tatsächlich betroffen wäre, so Lins, allein in Slowenien seien das über 60 Prozent der Agrarflächen. Zwar stehen auch Ausnahmen im Raum, allerdings bleibt offen in welchen Fällen diese zum Tragen kommen.
Desweiteren kritisiert Lins die undurchsichtige Kalkulationsmethode hinter den Regulierungen. So sei dem Vorschlag zu entnehmen, dass Deutschland trotz seiner Vorreiterrolle in diesem Bereich seine Schutzmittelverwendung noch um etwa 53 Prozent verringern müsste. Es spreche nichts gegen eine Reduktion an sich, so der Ausschuss-Vorsitzende, allerdings nicht in dem hohen Maß. Hier sieht er auch die Grünen-Fraktion auf seiner Seite, weil die Einschränkungen für chemisch-synthetische und biologische Mittel gleichermaßen gelte. Hier ergibt sich eine weitere Schwachstelle des Entwurfs, der die Reduktion absolut, also auf Basis der eingesetzten Schutzmittelmenge und nicht relativ anhand des enthaltenen Wirkstoffs durchsetzen will. Biologische Mittel enthalten beispielsweise tendenziell weniger wirksame Stoffe, weswegen mehr davon eingesetzt werden muss um ähnliche Ergebnisse zu haben wie bei chemischen Zusätzen.
Zuletzt sehen sich die Landwirte mit dem Vorhaben einem »Dokumentationsmonster« gegenüber. 16 Schritte seien für die Betriebe dann notwenig um zu verdeutlichen warum ein Einsatz der Mittel nötig ist. Zudem sehen sie in einigen Fällen einen Widerspruch im Verbot von Düngemittel zum Erhalt der Biodiversität, da manche seltene Art ohne ihre gezielte Unterstützung Gefahr liefe, verdrängt zu werden.
Bei alldem rechnet der Minister des Europa-Parlaments mit »Tausenden von Änderungsanträgen« die Verordnung betreffend. Um diese auch in aller Deutlichkeit durchzubekommen, sei es dringlich, dass sich die Agrarbetriebe in ihren Berufsverbänden zusammenschließen und auf sich aufmerksam machen, auch über Grenzen hinweg. Denn die Personen hinter der Kommission seien in diesem Fall und anders als auf Ebene des Landes oder Bundes nicht oder deutlich weniger greifbar.
Nur haben die scheinbar vergeblichen Mühen der letzten Jahre ihre Kehrseite. So äußert sich der Leiter vom Obsthof Romer, Thomas Romer, geradezu verbittert. Er habe nach bereits drei Jahren Kampf schlicht »keinen Bock mehr« weitere Anträge zu stellen und würde sich inzwischen auch einfach mit angemessenen Entschädigungen zufriedengeben.
Doch hier weiß Norbert Lins Hoffnung zu geben, der Antrag habe in dieser Form gar keine Chance in die Gesetzgebung zu kommen. Ergo: Der Kampf lohnt sich und Anpassungen sind möglich. Auch und insbesondere nach drei Jahren.
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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