Prof. Erich Zettl und Prof. Helmut Weber erforschten die Kindheit in der Mandschurei von Manfred Bökenkamp
Abenteuerliche Geschichten aus dem Reich der Mitte
Konstanz. Auf dem 33. China-Asien-Netzwerktreffen standen zwei Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart im Mittelpunkt. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher sahen den Dokumentarfilm „Johannes Schreck-Terrentius SJ (1576-1630), Gelehrter und China-Missionar“, der auf den Forschungsarbeiten des emeritierten HTWG-Professors Erich Zettl basiert. Zettl selbst gab eine unterhaltsame Einführung zu Johannes Schreck. Zu Beginn seiner Forschungen dachte er nämlich, dass Schreck sei gebürtig aus Konstanz, da er den Beinamen Constantiensis trug. Ein Dokument aus einem Freiburger Archiv ergab jedoch, dass Johannes Schreck 1590 in Bingen bei Sigmaringen geboren wurde, das er mit 14 Jahren verließ. Schreck studierte in Freiburg und Paris, war Schüler Galileo Galileis, hielt sich zu Studienzwecken in Prag, Basel und schließlich Rom auf, wo er sich dem Jesuitenorden anschloss. Er war ein Universalgenie, bewandert in Botanik, Medizin, Astronomie.
Die Freundschaft mit dem belgischen China-Missionar Trigault weckte schließlich Schrecks Interesse an China. 1621 betrat er das Land als Missionar und wurde zum „kulturellen Brückenbauer zwischen Europa und China“, so Zettl. Schreck veröffentlichte mit seinem chinesischen Kollegen das Buch „Die wunderbaren Maschinen des fernen Westens in Wort und Bild“, die erste erfolgreiche Zusammenarbeit eines deutschen und chinesischen Gelehrten. Als Experte für Astronomie bekam er nach dem Gewinn eines Wettbewerbs den kaiserlichen Auftrag, den chinesischen Kalender zu reformieren. Schreck führte auch die Trigonometrie in China ein und beschrieb als Erster Lungenschäden aufgrund von Tabakrauchens. 1630 verstarb Johannes Schreck im Alter von 54 Jahren.
Ein Leben wie ein Abenteuerroman
Nicht minder spannend war der zweite Programmpunkt. Prof. Erich Zettl und Prof. Helmut Weber von der HTWG führten mit dem St. Georgener Manfred Bökenkamp ein Gespräch über dessen turbulente Kindheit in den 1940ern in der Mandschurei und den Einfluss der Weltpolitik auf seine persönliche Biografie. 1940 wurde Bökenkamp in Mandschukuo, der Hauptstadt des von den Japanern besetzten chinesischen Territoriums, geboren. Sein Vater arbeitete im Pressebüro der deutschen Gesandtschaft als „Schriftleiter“. Da Japan und Nazi-Deutschland Verbündete waren, lebte die Familie die ersten Jahre komfortabel. „Wir wurden von den Japanern hofiert“, berichtete Bökenkamp. Der sprachbegabte Vater hatte unter anderem als Dolmetscher an der Expedition von Sven Hedin teilgenommen und übersetzte die Meldungen aus Berlin für die Japaner. „1945 verschleppten die Russen meinen Vater nach Sibirien. Wir erfuhren erst später, dass er 1949 den Tod fand.“ Bökenkamps Mutter, eine Deutsch-Russin, verstarb bereits 1947. „Meine russische Großmutter sorgte dann für mich und meine Geschwister“, erinnerte er sich. „Ich ziehe immer noch meinen Hut, wie sie das geschafft hat.“
Abenteuerlich gestaltete sich auch die Rückkehr nach Deutschland. Ein Deutsch-Ostasiatischer Verein aus Bremen charterte ein Frachtschiff, auf dem Bökenkamps Familie und die anderen Deutschen 1951 nach Hamburg reisten. „Wir konnten glücklicherweise viel Gepäck mitnehmen, darunter auch Urkunden und Dokumente, was uns später sehr geholfen hat, auch in Bezug auf die Familiengeschichte.“ Im zerbombten Nachkriegsdeutschland wurden die Geschwister getrennt, Manfred Bökenkamp kam nach Lüdenscheid, wo er trotz fehlender Deutschkenntnisse in die vierte Klasse eingeschult wurde. „Ich bin deswegen auch dreimal sitzen geblieben“, sagte Bökenkamp. Anschließend verbachte er sechs Jahre in einem Heim in Holstein, bevor er Ingenieurswissenschaften studierte. „Ein Leben wie ein Abenteuerroman“, fasste Prof. Erich Zettl Bökenkamps spannende Erinnerungen zusammen.
Das nächste China-Asien-Netzwerktreffen findet im Frühjahr 2020 statt.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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