Florian Zindeler, der Bürgermeister von Hohenfels im Interview mit dem Wochenblatt
Nicht zu früh den Kopf in den Sand stecken

Florian Zindeler | Foto: Der Bürgermeister von Hohenfels, Florian Zindeler bei einem früheren Gespräch mit dem Wochenblatt. swb-Bild: Archiv
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Hohenfels. Im Interview mit dem Wochenblatt spricht Florian Zindeler, der Bürgermeister von Hohenfels, über die Stärken und Schwächen der Region, welche Bedeutung der Zugang zu lebendigen Innenstädten für ländliche Gemeinden hat und was die Region nun braucht, um wieder gut aus der Krise zu kommen.

Wochenblatt: Durch Corona sind derzeit viele Menschen im Homeoffice, wodurch es nicht mehr so wichtig ist an dem Ort zu leben, wo man arbeitet. Kann das ein Trend sein, der dem ländlichen Raum zugutekommt?
Florian Zindeler: Die Digitalisierung ist durchaus ein Trend, der ländlich geprägten Gemeinden zugutekommen kann. Für uns ist es die große Chance, durch den Ausbau von schnellem Internet, gewisse Standortnachteile aufzufangen. So können wir das Leben im Grünen und das Zusammensein mit der Familie mit dem Arbeiten verbinden, ohne große Fahrwege zu haben. Deshalb führt die Gemeinde Hohenfels den Bau eines flächendeckenden FTTB-Netzes (Anm. d. Red.: Glasfaser bis ins Gebäude), sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen, konsequent weiter. Bei diesem Projekt sind wir ein großes Stück vorangeschritten und werden bis 2023 über 95 Prozent der Wohn- und Gewerbegrundstücke mit einem eigenen Glasfaseranschluss versorgen können. Wenn sich der Trend zum Homeoffice hält, ist das ein absoluter Standortvorteil für unsere Gemeinde.

Wochenblatt: Was tut die Gemeinde Hohenfels abgesehen vom Glasfaserausbau sonst noch, um attraktiv für die Zukunft zu sein?
Florian Zindeler: Da gibt es sehr viele Themen. Wir bereiten den barrierefreien Ausbau von Bushaltestellen vor und wollen damit den öffentlichen Nahverkehr für ältere und gehandicapte Mitmenschen noch attraktiver gestalten. Das Erdgasnetz wird vom Konzessionsnehmer zügig ausgebaut und dies wiederum unterstützt die Realisierung der Glasfaserinfrastruktur. Wir versuchen zudem in allen Ortsteilen neue Angebote für Wohnraum zu schaffen, um z.B. Familien oder jungen Erwachsenen, die zu Hause ausziehen oder nach dem Studium zurückkommen wollen, Möglichkeiten anzubieten. Dies stärkt die sozialen Netze vor Ort sowie unsere ehrenamtlichen Strukturen und Vereine. Wir sind eine stetig wachsende Gemeinde und daher ist es wichtig, gute Voraussetzungen im Bereich der Kinderbetreuung und Schule zu schaffen. Unsere Grundschule erhält im Rahmen des Digitalpakts eine moderne Ausstattung, damit unsere Kinder die Möglichkeit haben, sanft mit der digitalen Technik in Berührung zu kommen. Nur so sind sie gut vorbereitet, wenn sie an eine weiterführende Schule kommen. Im Kita-Bereich werden wir in diesem Jahr noch einen Waldkindergarten in Betrieb nehmen. Zudem beschäftigen wir uns in Liggersdorf mit dem Areal der alten Grundschule. Es ist eine schöne und zentral gelegene Fläche und wurde im „WIR!“-Bürgerprojekt mehrfach genannt, um dort ein Angebot für ältere bzw. pflegebedürftige Menschen zu entwickeln, wie beispielsweise eine ambulante Pflege-WG. Es kann außerdem Raum für Menschen bieten, die sich in der Wohnfläche verkleinern, aber trotzdem in der Gemeinde bleiben wollen.

Wochenblatt: Gerade im Hinblick darauf ist ja auch die medizinische Versorgung im ländlichen Raum ein Thema, das vielen Bürgermeistern Kopfzerbrechen bereitet. Wie sieht es da bei Ihnen aus?
Florian Zindeler: Mich beschäftigt die ärztliche Versorgung sehr, nicht nur als Bürgermeister, sondern auch in meiner Funktion als Kreisrat. Die Gemeinde Hohenfels darf sich bereits seit vielen Jahren über einen Hausarzt freuen und wir haben das Glück, dass sich die Hausarztpraxis Hohenfels vor Ort vergrößern will. So werden die modernsten Voraussetzungen für unsere Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Daher sehe ich uns für die nächsten Jahrzehnte sehr gut aufgestellt, was die medizinische Grundversorgung angeht.

Wochenblatt: Wie wichtig sind für eine ländliche Gemeinde wie Hohenfels die größeren Zentren im Umkreis mit ihren lebendigen Innenstädten?
Florian Zindeler: Lebendige Innenstädte sind für mich ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Wer genießt es nicht, mal irgendwo hinzufahren und in einer verkehrsberuhigten Passage zu schlendern und dort einkaufen zu gehen. Egal ob ich Lebensmittel brauche oder eine neue Jeans, ich kann dort alles bekommen, sei es bei den großen Ketten oder bei kleinen Einzelhändlern. In den Städten ist sehr viel geboten und ich hoffe stark, dass uns diese Angebote auch nach der Pandemie erhalten bleiben. Wenn nicht, so fürchte ich, dass wir sehr viel weitere Wege in Kauf nehmen müssten, um etwas Vergleichbares erleben zu können. Wir selbst haben in der Gemeinde den Nahkauf als Grundversorger und sind wirklich sehr froh über das große Sortiment, aber wenn es um Dinge geht wie Kleidung oder elektronische Geräte geht, dann wird es schwierig. Aus diesem Grund sind wir auf gute Verbindungen zu den größeren Zentren angewiesen und drücken die Daumen, dass es nicht zu einer großen Pleitewelle kommt.

Wochenblatt:
Wenn wir gerade von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sprechen: wie schlagen sich diese in den Finanzen Ihrer Gemeinde nieder?
Florian Zindeler: Aufgrund eines tragischen Unfalls haben wir unseren langjährigen Kämmerer im vergangenen September verloren. Erst in diesem Monat konnte sein Nachfolger die Arbeit aufnehmen und daher erstellen wir zur Zeit den Haushaltsplan für 2021. Es sah zuletzt, was die Gewerbesteuereinnahmen in 2020 anbelangt, sehr gut aus. Das Ergebnis ist besser ausgefallen als gedacht, aber das wird nicht zwangsläufig bedeuten, dass es in den nächsten Jahren so weiter geht. Wir haben im Vergleich zu den anderen Gemeinden im Landkreis ohnehin mit sehr starken Schwankungen zu kämpfen. Zudem rechnen wir damit, dass wir weniger Zuweisungen bekommen, weil das Geld bei Bund und Land endlich ist. Darüber hinaus muss der Landkreis seine Aufgaben finanzieren und wird deshalb eine höhere Kreisumlage bei den Städten und Gemeinden erheben wollen. Wir bekommen künftig also weniger Mittel, und müssen mehr abgeben, daher sind wir defensiver bei den Planungen über das Jahr 2021 hinaus.

Wochenblatt: Wo sehen Sie die Stärken unserer Region?
Florian Zindeler: Für viele Menschen hat die Lage unserer Region, gerade aufgrund der Nähe zum See eine große Anziehungskraft. Das führt zu einem sonnigen Gemüt und einer hohen Lebensqualität. Man spürt deshalb, auch, dass es eine hohe Zuzugswilligkeit und Investitionsbereitschaft gibt. Unsere Region ist attraktiv für Unternehmen, die sich ansiedeln und für Menschen, die hier leben und arbeiten wollen und es zieht sehr viele Studierende an den Bodensee. Dies alles sind klare Stärken unseres Landkreises. Zudem pflegen wir, der Landkreis, die Städte und Gemeinden, einen guten Umgang und versuchen anstehende Aufgaben, insbesondere in der Pandemie, gemeinsam zu lösen. Daher treffen unsere Entscheidungen überwiegend auf eine hohe Akzeptanz.

Wochenblatt: Gibt es auch Schwächen?
Florian Zindeler: Die Schattenseiten sind natürlich hohe Mieten und ein großer Preisdruck. In Hohenfels ist das im Ansatz spürbar, aber gerade in Städten wie Konstanz ist das extrem. Um die Gesamtsituation zu verbessern, benötigt es gemeinsame Anstrengungen im Landkreis. Wir müssen den ÖPNV entsprechend ausweiten, damit Schüler und Studenten eine gute Möglichkeit haben zu ihren Schulen, Berufsschulen oder zur Universität zu pendeln ohne in einer größeren Stadt wohnen zu müssen. Zudem sollten wir unsere Gedanken vertiefen, wie wir Strukturen oder Einrichtungen besser im Kreis verteilen können.

Wochenblatt:
Was braucht unsere Region Ihrer Meinung nach, um jetzt wieder gut aus der Krise herauszukommen?
Florian Zindeler: Ich glaube wir benötigen Mut und Vertrauen wir sollten nicht zu früh den Kopf in den Sand stecken. Beides ist wichtig und der Glaube daran, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen und irgendwann wieder zur Normalität zurückkehren können. Zuversicht wird uns aus der Krise führen können, die Resignation hingegen nicht. Und ich bin der Überzeugung, dass wir in absehbarer Zeit, also vielleicht in drei bis vier Jahren, wirtschaftlich auf das Vorkrisenniveau kommen und dadurch wieder mehr Sicherheit und Lebensqualität gewinnen. Am Ende wird es auch positive Neuerungen geben, gerade im Hinblick auf die Digitalisierung, von der wir in Zukunft profitieren könne

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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