Buchvorstellung von Dr. Casimir Bumiller
Das Puzzle des Hegauer Bauernkriegs ist endlich vollständig
Hilzingen. "Zum Sturmgeläut ist jetzt die Zeit für freie Bauern und Gerechtigkeit", klang es zu Beginn der Buchtaufe von Spielmann Felix vom Hohen Turm, verkörpert von Stefan Fehrenbach. Und alle sangen mit, mit dem Wissen, dass es ein ganz besonderer Tag war, war es doch genau auf den Tag des 2. Oktober vor 500 Jahren, als bei der Hilzinger Kirchweih die Sturmglocken geläutet wurden.
Zu diesem Ereignis sowie anderen Fakten des Bauernkriegs im Hegau erschien nun das Buch "Der Bauernkrieg im Hegau - Rekonstruktion einer revolutionären Bewegung", welches auf Dr. Casimir Bumillers gleichnamiger Untersuchung von 1998 im ersten Band der Hilzinger Dorfchronik basiert.
"Eine Lücke in der Erforschung des Bauernkriegs ist nun endlich vollständig erschlossen", erläuterte Sibylle Probst-Lanitz vom Hegau-Geschichtsverein. Bumiller habe es mit diesem Werk geschafft, die Geschichte dieses bedeutenden Ereignisses im Hegau auch überregional zugänglich zu machen. "Es ist", so Probst-Launitz, "der Höhepunkt einer Arbeit, die viel Zeit und Energie gekostet hat."
Auch Bürgermeister Holger Mayer lobte den Autor für dessen "hervorragende Arbeit" an der Aufarbeitung der Hegauer Geschichte in diesem Buch. Vor allem die aufwändigen Illustrationen wie detailreichen Beschreibungen wusste der Hilzinger Rathauschef besonders hervorzuheben.
Geschichten oft falsch erzählt
Zu Beginn des Podiumsgesprächs fand auch Wolfgang Panzer, Leiter des Kulturbüros zum Hilzinger Aufstand, einige lobende Worte, ehe es wortwörtlich ins Detail ging. "Dieses Buch ist mit einer Systematik und Klarheit verfasst, die sonst nur aus kurzen Zusammenfassungen bekannt ist, jedoch dann in bedeutende Details überleiten." Geschichten, so Panzer, würden oft unvollständig oder falsch erzählt, weshalb er Casimir Bumilller darum bat, dem Publikum zu erzählen, was sich wirklich an diesem 2. Oktober 1524 in Hilzingen abspielte. Dabei betonte der Autor direkt, dass es einen enormen Aufwand bedeutete, um ein Ereignis zusammenzutragen, wozu es keine Bilder gibt und hob besonders den Begriff Rekonstruktion hervor. "Die herauszufindenden Dinge sind wie Fetzen oder Puzzleteile, die zusammengehören", so Bumiller.
Die Schweizer als Vorbild
"Die Obrigkeiten", erzählte der Autor, "wussten schon drei Wochen vor der Kirchweih vom Plan der Bauern." Zudem war dieses Fest ihm zufolge seiner Zeit das mutmaßlich bekannteste Volksfest im Hegau. Der Adel, wusste er zu berichten, nutzte damals die Pfarrer als Informationsquelle. So wurde am Sonntag vor der Kirchweih ein Verbot ausgesprochen, dort hinzugehen. "Die Kirchweih", so Bumiller, "wurde schließlich erstmals in ihrer Geschichte politisch, berieten die Bauern dann darüber, wie man mit den Belastungen und Herrschaften umgehen soll, die sie ausbeuteten."
Landvogt Hans Jakob von Landau war es, der in Hilzingen die Wege zur Kirchweih blockieren sollte. "Hierzu kam es jedoch nicht, weil er es nicht mal nach Sernatingen schaffte, wo man sich mit den 400 Söldnern aus Überlingen zusammenschließen sollte", so Bumiller. Im Morgengrauen schließlich konnte die Kirchweih, die dem Autor zufolge für die Herrschaften ein "Hotspot politischer Zusammenrottung" war, von den Bauern besetzt werden. "Der Ort war fortan kontaminiert mit der Färbung des Aufruhrs", erklärte Casimir Bumiller.
Generell bezeichnete er die Bauern als "gezagte Leute", bei denen es etwas an Überwindung benötigte, um sich beim Aufstand einzubringen. "Hierbei diente vor allem der Rütli-Schwur von 1291 als Vorbild, bei dem damals bei äußerer Bedrohung eine Eid- oder Schwurgemeinschaft ins Leben gerufen wurde", so Bumiller. Spannend war ebenfalls zu erfahren, dass das demokratische Begehren der Bauern sich erst im Laufe der Monate durch den Bezug auf die Lehre des göttlichen Rechts nach Zwingli entwickelte.
So besagte dies, dass diesem "Naturrecht" zufolge es keine Klassengesellschaft gäbe und dies auch nicht in der Bibel verankert war. "Diesen Status mussten die Bauern erstmal überwinden", erzählte Bumiller. Zudem wurde aus dem Aufstand aufgrund der geänderten Rechtslage 1525 eine Revolution, in der man beschloss, das System nun kippen zu wollen.
Früher Revolutionsgedanke
Ebenfalls interessant war, dass der Hauptmann Hans Bienkler aus Kalkofen vom Memminger Hans Helbling den Auftrag erhielt, durch Mittel aus der Kriegskasse Hegauer Söldner für die christliche Bruderschaft zu werben, nachdem die Pläne einer christlichen Vereinigung in Oberschwaben gescheitert waren. "Der Hegau", sagte Casimir Bumiller, "war somit die Geburtsstadt eines solchen Bündnisses sowie der Vorreiter des französischen Fraternité-Gedankens." Diese Bruderschaft breitete sich dem Autor zufolge schnell bis nach ganz Südwestdeutschland aus und trug auch wesentlich zum Revolutionsgedanken der Hegauer Bauern bei.
All diese Fakten, die laut Wolfgang Panzer an diesem Abend lediglich ein Einstieg in das herausgebrachte Werk waren, zeigten, wie beeindruckend und wichtig allein dieser Abschnitt für die Geschichte des Hegaus war. "Für mich ist es ein Bogen, der zu Ende geht", gestand Casimir Bumiller nach der Diskussion. Er habe seit 1992 bis heute viele Puzzleteile zusammengesetzt, um die Geschichte des Hegauer Bauernkriegs nicht nur regional wieder Bedeutung zu verschaffen.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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