Närrischer Frühschoppen
Politische Nachlese bei der Gerstensackzunft

Foto: Tobias Lange
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Gottmadingen. Ein paar Premieren, viel Bewährtes und die Rückkehr einer alten Tradition gab es beim Frühschoppen der Gerstensackzunft Gottmadingen in der Eichendorffhalle.

Mit Vera Schraner, Bürgermeisterin von Büsingen, und der Landtagsabgeordneten Saskia Frank standen zwei Damen aus der Politk zum ersten Mal auf der Gerstensackbühne. Und natürlich gab es Geschenke für die Gäste: Vera Schraner bekam, da nun die Alarmierung bei Katastrophen über Schaffhausen abläuft, eine Tröte in die Hand, damit sie auch die Einsatzkräfte in Gottmadingen alarmieren kann. Die Rathauschefin stellte dann auch gleich die vielen Vorteile der Schweiz in den Vordergrund. Mit Schwyzerdütsch komme man viel weiter als mit Badisch und vor Trump oder Putin müsse sie sich in der sicheren Schweiz auch nicht fürchten. Und: "Wir müssen nicht mehr warten auf ein verschlafenes Landratsamt."

Respekt zollte Zeremonienmeister Christoph Graf der Abgeordneten Frank. Sie sei "ganz neu in diesen Reihen" und habe das Angebot bekommen, sich das Spektakel erstmal anzuschauen, was sie aber ablehnte. Auf der Bühne erhielt sie ein Glas Gerste, als Aufforderung, nicht nur an Solarpaneele zu denken, sondern auch an das Getreide zum Bierbrauen zu denken. Die Abgeordnete der Grünen machte einen Kompromissvorschlag: "Wir pflanzen einfach Solargerste an." Der komme in Zeiten von Klimawandel und Wassermangel auch ohne Wasser aus. Es brauche beides, Solar und Gerste, zeigte sie sich überzeugt. "Strom und Nahrung von einem Feld, das ist die Zukunft unsrer Welt."

Bilder vom großen Umzug am Nachmittag gibt es hier:

Generell war die Frauenquote beim Frühschoppen sehr hoch. Auch die frisch wiedergewählte Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl und die Noch-Abgeordnete Ann-Veruschka Jurisch trugen dazu ihren Teil bei. Für die junge Mutter Seitzl gab es einen traditionellen Schnuller: ein Stofftuch, das in Most getränkt wird. Dann schläft das Kind und die Mama kann schaffen, meinte Christoph Graf dazu. Den hätte sie in Berlin gut gebrauchen können, meinte Seitzl - für Habeck, Lindner und Kubicki. Ihr Bedauern drückte die SPD-Politikerin darüber aus, dass FDP-Frau Jurisch nicht mehr im Bundestag mit dabei sein wird, denn die Zusammenarbeit sei immer gut gewesen. Es gebe eben doch Rote und Gelbe, die das können.

Ann-Veruschka Jurisch wurde von Christoph Graf dann gleich zum Praktikum nach Gerstensack-Art eingeladen und erhielt Biere mit verschiedenen Alkoholgehalten. Unter fünf Prozent schmecke das Bier nicht, spielte er auf die Fünf-Prozent-Hürde an, die die FDP bei der Wahl verfehlt hatte. Jurisch rief ihrerseits zum "Saufen für die Freiheit, für mehr Prozente" auf und lästerte über die anderen Parteien: Die einen seien schon blau und ohnehin Freunde von russischem Wodka, bei der CDU gebe es einen fusselig niedrigen Frauenanteil und denen von den Grünen schmecke Pfefferminzlikör. Sie frage die Wählerschaft: "Warum habt Ihr aus der FDP ein alkoholfreies Bier gemacht?" Und sie versicherte: "Heute ist nicht aller Tage, ich komm' wieder, keine Frage."

Nach der Wahl ist vor der Wahl, dachte sich wohl Poppele Timo Heckel, der sich als Nachfolger für den scheidenden Zunftmeister Stephan Glunk bewirbt. "Wenn's ein Lehrer kann, ist's halb so arg", zeigte er sich überzeugt. Er stellte dann auch gleich sein Wahlprogramm vor, darunter die Abschaffung des Aschermittwochs, sechs Wochen Schulferien für den Narrensamen und Unterricht auf Alemannisch. Er versicherte: "Gottmadingen bleibt unser Lieblingsverein." Die Partnerschaft solle sogar noch ausgeweitet werden: "Ihr liefert das Bier, wir liefern die legendären Traditionsfiguren."

Eine ruhende Tradition wurde mit dem gemeinsamen Auftritt von Ehrengerstensafter Holger Mayer und seinem Vorgänger, Stephan Glunk, wiedererweckt. Der Beitrag der beiden Ehrengerstensafter sei abgeschafft worden, weil es sich als "Stimmungstöter" erwiesen habe, so Christoph Graf. Doch hätten die beiden aktuellen Amtsträger beim traditionellen Bieranstich so überzeugt, dass sie gemeinsam beim Frühschoppen auftreten durften - sehr zum Gefallen des närrischen Publikums.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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