Grandioses Konzert der Musikhochschule Trossingen
"Auf deine Barmherzigkeit"
Gottmadingen. Streng genommen war es ein Arbeitskonzert, aber was für eins. Nach einer langen Pause, an der auch die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie schuld waren, kam am Samstag der Hochschulchor der Musikhochschule Trossingen wieder für ein Konzert in die Christkönigkirche Gottmadingen. Inszeniert wurde dort Anton Bruckners "Messe Nr. 2 in e-moll", ein achtstimmiges Werk, das neben dem gewaltigen Stimmpotenzial des Chors noch weiter durch ein Instrumentalensemble der Hochschule verstärkt wurde. Ein sehr emotionaler Augenblick wurde dabei auch die Hymne "Wse uponwaije moje" von Hanna Hawryle aus Kiew.
Ein Konzert ohne Schnörkel
Sofort stiegen der junge Chor und die musikalische Besetzung in Anton Bruckners Messe Nr. 2 ein. Moll ist hier Programm, das Kyrie mit seinen drei Wortpaaren, die immer wieder aufklingen, geht schon acht Minuten und konnte aufblitzen lassen, was da alles an stimmlicher Vielfalt in dem Chor der SchülerInnen steckte, die auch von einigen "alten Hasen" begleitet wurden. Sieben Passagen bis zum krönenden "Agnus Dei" umfasste diese Messe, in der Bruckner sehr viele Einflüsse der damaligen musikalischen Zeitgeschichte aufgreift, quasi im Vorgriff der heutigen "Fusion-Musik". Stilistisch fasziniert bei Bruckner die Verbindung zwischen Altem und Neuem, die Satztechniken aus der franco-flämischen Renaissance und Messekonzeptionen von Johann Sebastian Bach mit der wagnerischen Mega-Harmonik mit Klangeffekten von Berlioz und Liszt verbindet. Brucker war damit ein Grenzgänger in mehrfacher Hinsicht. Das Dirigat wechselte überraschend lautlos zwischen Olena Ruska, Jan Steeb und Laura Fleig, die sich ansonsten wieder in den Chor einreihten, hier aber sozusagen ihre "Reifeprüfung" souverän vor dem Publikum in der Kirche ablieferten. Sie konnten freilich auf ein wirklich erstklassiges Ensemble setzen, die Bravo-Rufe durften nicht fehlen. Schon nach einer guten Dreiviertelstunde war die Messe "gelesen". Ein ganz schön bewegendes Werk, das unter die Haut ging.
"Resolute" Verschnaufpause
Da brauchte man was zum Verschnaufen. Dafür sorgte ein Sextett mit zwei Hörnern, zwei Klarinetten und zwei Fagotts, die in dieser ungewöhnlichen Instrumentierung genau den Vorstellungen des Komponisten François Castil Blaze für seine Komposition in Es-Dur entsprach, die sich hier im Weit der Kirche ausbreitete. Gut, denn Hörnern sind in der Architektur der Kirche einfach Grenzen gesetzt, besonders, wenn das Scherzo den Beititel "Risoluto" (italienisch: entschlossen) hat. Aber das Adrenalin tat gut.
Denn zum Finale gab es mit der a-capella Komposition "Wse uponwaije moje" von Hanna Hawrylez eine ganz andere Klangwelt. Die schon zuvor erkrankte Komponistin verstarb am vierten Tag des Angriffskriegs Russlandsgegen die Ukraine in Kiew, weil der Betrieb der Kliniken zum Teil zusammengebrochen war. Es sind auch nur fünf Zeilen, die hier vertont wurden, und das ganz ohne den sonst hörbaren Patriotismus, einfach wie eine Geste der Dankbarkeit, die ganz entfernt im Gedächtnis bei Beethovens "Hymne an die Freude" angedockt hat. Die geht einem dann nämlich gleich durch den Kopf.
Durch den Krieg in der Ukraine sind auch mehrere Studierende von dort an der Hochschule für Musik Trossingen untergekommen, darunter zwei Chorleitungs-Studentinnen, die nun auch der Hochschule ihre Musik näher bringen. Wer hier eine opulente Inszenierung erwartet hätte: Fehlanzeige. Es ist eigentlich die gelungene Suche nach der puren musikalischen Emotion. Sie ist gelungen. Ganz ohne Schnörkel. Eine gute Stunde, die das Publikum sichtbar aufwühlte.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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