Sommerinterview mit Gailingens Bürgermeister Dr. Thomas Auer
»Und plötzlich war wieder etwas Trennendes da«
Gailingen. Eine völlig neue Erfahrung machte Gailingens Bürgermeister Dr. Thomas Auer während des Lockdowns durch die Grenzschließung zur Schweiz. Für ihn hatte dies etwas Beängstigendes. Was der Hochrheingemeinde während der letzten Monate noch zu schaffen machte, erzählt der Gailinger Schultes im WOCHENBLATT-Sommerinterview.
WOCHENBLATT: Wie erlebten Sie die letzten Monate, in denen das Corona-Virus unser Leben völlig veränderte?
Dr. Thomas Auer: »Es war für mich eine völlig neue Erfahrung, sowohl als Bürgermeister als auch als Bürger unserer Gemeinde. Das öffentliche Leben wurde zeitweise vollständig heruntergefahren. Besonders beeindruckt war ich von der dadurch entstandenen Stille. Aufgrund der geographischen Lage unserer Gemeinde hat uns die Grenzschließung besonders getroffen. Seit mehr als 70 Jahren hatten wir die Grenzen nicht mehr als solche wahrgenommen und gerade zwischen Diessenhofen und Gailingen gibt es eine Vielzahl von Berührungspunkten und Gemeinsamkeiten. Diese Grenzschließung hatte etwas Beängstigendes für mich. Plötzlich war wieder etwas Trennendes da. Hart getroffen waren natürlich auch die vielen Selbstständigen und Unternehmer, deren finanzielle Einbußen erheblich waren. Insgesamt kann ich aber sagen, dass wir hier in Gailingen diese Zeit gut überstanden haben und nunmehr mit den Lockerungen eine gewisse Normalität, ein Leben mit dem Virus, eingekehrt ist, obschon wir uns angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen der Gefahr weiterhin bewusst sein müssen.«
WOCHENBLATT: Was für konkrete Folgen hat Corona mit all seinen Einschränkungen und Auswirkungen für die Gemeinde Gailingen?
Dr. Thomas Auer: »Durch den Lockdown konnte das soziale Leben, das Miteinander der Gemeinde, nicht mehr in dem Maße stattfinden, wie wir alle es gewohnt waren. Und diese Folgen wirken aufgrund der weiterhin geltenden Einschränkungen fort und treten am deutlichsten darin zu Tage, dass keine größeren Veranstaltungen oder Feste der Vereine mehr stattfinden. Das ist sehr bedauerlich und trifft die Vereine in besonderem Maße. Ich hoffe, dass hier in absehbarer Zeit wieder mehr möglich sein wird, obschon uns allen die Risiken von großen Veranstaltungen gerade in geschlossenen Räumen bewusst sein müssen. Wirtschaftlich führt die Corona-Pandemie natürlich auch hier in Gailingen zu rückläufigen Einnahmen im Gemeindehaushalt, deren Ausmaß allerdings noch nicht abschließend beziffert werden kann. Frühzeitig haben Gemeinderat und Verwaltung hierauf reagiert und entsprechende Maßnahmen beschlossen. Wie in allen Gemeinden am See und am Rhein bereitet die Einhaltung der Regelungen der Corona- Verordnung an den öffentlich zugänglichen Badestellen Probleme, weil an sonnigen und heißen Wochenenden der Besucherdruck enorm ist. Die Gemeinde versucht hier zu steuern, man zweifelt aber leider manchmal an der Vernunft der Menschen.«
WOCHENBLATT: Welche kommunalen Vorhaben haben in der nächsten Zeit oberste Priorität und welche müssen geschoben werden?
Dr. Thomas Auer: »Gemeinderat und Verwaltung haben aufgrund der unsicheren Ertragslage entschieden, in der Gemeinde kleinere und auch größere Investitionsvorhaben in diesem Jahr zunächst zu schieben und abzuwarten, wie sich die finanzielle Lage der Gemeinde entwickelt. Darüber hinaus ist die ganze Verwaltung zu einer sparsamen Haushaltsführung verpflichtet worden. Begonnene Vorhaben wurden natürlich fortgeführt und umgesetzt. Erste Priorität hat weiterhin der geplante Neubau des Kindergartens. Hier haben wir mit unserer Übergangslösung im alten Friedrichsheim Zeit gewonnen. Dennoch müssen wir bei diesem Projekt, das die Gemeinde finanziell besonders fordern wird, zügig vorankommen.«
WOCHENBLATT: Befürchten Sie durch die aktuelle Situation mit Demonstrationen und massivem Protest gegen die Corona-Maßnahmen eine Spaltung der Gesellschaft?
Dr. Thomas Auer: »Ich glaube nicht, dass man von einer Spaltung der Gesellschaft sprechen sollte. Die fortgeltenden Einschränkungen sind wichtig und sollten eingehalten werden, wenn man sieht wie sich aktuell die Infektionszahlen wieder entwickeln. Das sollte uns allen bewusst sein. Man begegnet leider oft widersprüchlichen Einstellungen. Auf der einen Seite fordern viele die Schutzmaßnahmen. Wird aber die persönliche Freiheit dadurch eingeschränkt, will sich keiner daran halten. Diese Einstellung erlebe ich jeden Tag. Es ist auch eine Art zunehmender Egoismus, den ich wahrnehme. Dabei sollten wir uns alle bewusst sein, dass es bei der Einhaltung der Schutzmaßnahmen um den Schutz der anderen geht und es auch ein Ausdruck des Respekts gegenüber den Mitmenschen ist.«
WOCHENBLATT: Was wollen Sie den Gailinger Bürgern für die kommende Zeit mitgeben?
Dr. Thomas Auer: »Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen und allen danken, die sich an die einschränkenden Regelungen gehalten haben und auch weiterhin halten. Und ich bin froh, dass wir in Gailingen diese Zeit bis jetzt so gut überstanden haben, obschon die wirtschaftlichen Folgen viele Menschen hart getroffen haben. Ich finde es wichtig, dass wir im Bereich der Kinderbetreuung weitestgehend zu einem Normalbetrieb zurückgekehrt sind.
Für uns hier in Gailingen hoffe ich, dass wir weiterhin so gut durch die Krise kommen, wie bisher. Ich bin überzeugt, dass dies auch gelingt, wenn wir uns alle vernünftig zeigen und nicht nur die eigenen Interessen in den Vordergrund rücken.«
Autor:Ute Mucha aus Moos |
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