Bergfest von Vera Schraner
Eine Brückenbauerin in der deutschen Exklave

Büsingens Bürgermeisterin Vera Schraner vor dem Schrank, der die Bedeutung der Gemeinde als deutsche Exklave in der Schweiz besonders hervorhebt. | Foto: Philipp Findling
  • Büsingens Bürgermeisterin Vera Schraner vor dem Schrank, der die Bedeutung der Gemeinde als deutsche Exklave in der Schweiz besonders hervorhebt.
  • Foto: Philipp Findling
  • hochgeladen von Philipp Findling

Büsingen. Seit etwas mehr als vier Jahren, genauer seit Dezember 2020, ist Vera Schraner Bürgermeisterin der Gemeinde Büsingen am Hochrhein. Eine Gemeinde, die aufgrund ihres Status als deutsche Exklave in der Schweiz mehr Themen zu bewältigen hat wie man es zunächst annimmt.

„Es ist ein bunter Strauß an Aufgaben“, erklärt Schraner im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. „Die Arbeit ist herausfordernd, sehr inspirierend und manchmal etwas anstrengend“, erklärt die Bürgermeisterin, selbst „Büsingerin durch und durch“.

Starke Verbindungen in die Schweiz

Vor allem die Verbindungen in die Schweiz seien laut Schraner sehr stark. „In sehr vielen Bereichen gilt laut dem Staatsvertrag Schweizer Recht auf deutschem Boden.“ Hierzu gehören ihr zufolge die Tierseuchenbekämpfung oder auch das Betäubungsmittelwesen, so gelte die in Deutschland beschlossene Cannabislegalisierung in Büsingen nicht. „Zudem arbeitet unsere Landwirtschaft voll umfänglich nach Schweizer Recht und die Lebensmittelkontrolle in der Gastronomie wird ebenfalls von der Schweiz aus gemacht“, so Schraner. Darüber hinaus sei die Gemeinde laut der Bürgermeisterin grenzüberschreitend verbunden, was die Versorgung angeht. Gas, Wasser, Strom und Internet gehe ihr zufolge alles von der Schweiz aus. „Es bestehen bilaterale Abkommen, Vereinbarungen und Anlehnungen an Regierungsratsbeschlüsse des Kanton Schaffhausens, die maßgeblich für unser Leben sind.“

Nicht alltägliche Aufwendungen

Und dennoch ist Büsingen eine politisch deutsche Gemeinde, was laut Schraner die gute Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Konstanz sowie den Kolleginnen und Kollegen im Hegau und ihre Mitgliedschaft im Gemeindetag bestätigen. „Wir haben uns nun dem REGIO Konstanz-Bodensee-Hegau e.V. angeschlossen, um unsere Sichtbarkeit Richtung Deutschland zu verbessern. Und seit Oktober 2022 ist die Gemeinde Büsingen Mitglied in der Jugendmusikschule Westlicher Hegau. Dieses Angebot nutzen aktuell 22 Schülerinnen und Schüler“, so Schraner, die mitten in der Corona-Pandemie in ihr Amt startete und daher sich zuerst auch mit dem Infektionsschutzgesetz beschäftigten musste. „Als wir dies hinter uns hatten, waren die Pachtobjekte ein großes Thema. Wir haben ein neues Strandbadgebäude gebaut und tolle junge Pächterinnen gefunden“, so Schraner. „Auch das Restaurant Waldheim wurde aufwändig saniert und wird seit Mai 2023 von neuen Pächtern geführt. Diese Aufwendungen sind für eine Gemeinde mit dieser Größenordnung nicht alltäglich.“

Orientierung in beide Richtungen

Ihr größtes Highlight bisher war der Anschluss an das Alarmierungs- und Evakuierungskonzept vom Kanton Schaffhausen. „Hierfür haben wir einen Gemeindeführungsstab gegründet und ein Notfalltreffpunktteam aus ehrenamtlichen Mitgliedern“, so Schraner. „Außerdem sind wir jetzt das einzige deutsche Rathaus mit einer Schweizer Sirene auf dem Dach. Ich baue jeden Tag Brücken und orientiere mich daher immer in beide Richtungen, nach Deutschland und in die Schweiz.
Darüber hinaus habe auch Büsingen mit der Flüchtlingsproblematik zu kämpfen. „Wir haben aktuell etwa 72 Flüchtlinge, die hier leben. Dabei handelt es sich, da wir hinter der Grenze liegen, um anerkannte Flüchtlinge“, sagt Vera Schraner. Diese Menschen leben ihr zufolge in einem Mehrfamilienhaus, welches als Anschlussunterkunft dient, einige leben auch bei Angehörigen oder in Privatwohnungen. „Unsere Anschlussunterkunft ist derzeit voll, weshalb wir uns in nächster Zeit mit anderen Unterbringungsmöglichkeiten beschäftigen müssen“ erklärt die Bürgermeisterin.

Schweizerisch-Deutsche Kommision

Was die Gemeinde in den nächsten Jahren an Arbeit erwartet, kann Vera Schraner derzeit nicht konkret sagen, da sich der neue Gemeinderat erst noch in einer Klausurtagung damit befassen werde. „Was uns als Exklave jedoch immer beschäftigt, sind die Exklavenfragen. Wir haben immer wieder Themen, die wir hier vor Ort nicht alleine lösen können“, erklärt Schraner. Hierzu gibt es ihr zufolge die Schweizerisch-Deutsche Kommission auf Botschafterebene, die alle zwei bis drei Jahre stattfindet. Behandelt werden unter anderem zollrechtliche Themen, Fragen zum Abschluss von Schweizer Versicherungen oder auch Finanzdienstleitungsverträge, wie Leasing. Zudem sei man ihr zufolge in Sachen Steuerfreibetrag daran, diese Billigkeitsregelung sukzessive zu erhöhen oder mindestens an die Inflation anzupassen. „Gerade die Wechselkurssituation führt zu einer finanziellen Belastung und macht unseren Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen“, so Schraner.

Jubiläum der Buurefasnacht

Einige Projekte konnte die Bürgermeisterin dann doch nennen, so geht die Gemeinde ab 2025 unter anderem den barrierefreien Ausbau von Bushaltestellen sowie die Planung weiterer PV-Anlagen auf gemeindeeigenen Dächern an. „Gerade die Investitionen meiner Vorgänger in die Infrastruktur wissen die Bürgerinnen und Bürger hier sehr zu schätzen“, so Schraner. Auch kulturell wird die Gemeinde in nächster Zeit einiges erwarten, so feiert unter anderem die Buurefasnacht im Jahr 2026 ihr 50-jähriges Jubiläum.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

4 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.