Hegau-Jugendwerk feierte den 50 Geburtstag
Diamant im Diadem des Gesundheitsverbunds
Gailingen. Der 50. Geburtstag des Hegau-Jugendwerks in Gailingen konnte am Freitag in einem schönen Rahmen gefeiert werden, auch wenn für die Planung des Festaktes schon eine Menge Mut nötig war, angesichts der Rahmenbedingungen der letzten Monate, gerade für eine so schützenswerte Einrichtung wie die neurologische Reha-Klinik am Hochrhein. Gefeiert wurde nun übrigens nicht die Einweihung, die nämlich »erst« vor 49 Jahren vollzogen wurde, sondern die Ankunft des ersten Patienten »Harry W.«, der am 15. März 1972 eben hier noch auf einer »Baustelle« ankam.
»Es war mutig, in diesen Zeiten einen Festakt für den 50. Geburtstag des Hegau-Jugendwerks zu planen«, meinte der Geschäftsführer des Gesundheitsverbundes des Landkreises, Bernd Sieber, in seiner Begrüßung. Noch mutiger sei freilich damals die Planung dieser nach wie vor einzigartigen Einrichtung durch Prof. Dr. Friedrich Schmieder gewesen, der in Gailingen in der Arbeit seiner neurologischen Kliniken erkannte, dass eben Kinder und Jugendliche einer ganz anderen Art der Behandlung bedürften, und ihnen damit auch viele wunderbare Wege »zurück ins Leben« nach Unfällen oder Erkrankungen öffnete. »Das Hegau-Jugendwerk ist eigentlich der Diamant im Diadem des Gesundheitsverbunds«, suchte Sieber hier einen besonderen Superlativ. Immerhin: Von der Vision bis zum ersten Patienten brauchte es damals nur sechs Jahre, auch dank des damaligen Arbeits- und Sozialministers Walter Hirrlinger, der auf die Gutachten von Prof. Schmieder bauen konnte, und auch dank eines entschlossenen Trägervereins, der bis heute eine stabile Säule des Jugendwerks blieb. »Die Expertise und Innovationskraft ist seit 50 Jahren in ganz Deutschland und im deutschsprachigen Ausland geschätzt und gefragt«, hob Sieber die ganz besondere Rolle des Jugendwerks in der neurologischen Rehabilitation Jugendlicher hervor.
Der aktuelle Sozialminister Manne Lucha grüßte per Videobotschaft und hob heraus, dass die Betroffenen hier im Mittelpunkt stünden, mit dem klaren Ziel, ihre Teilhabefähigkeit zu verbessern. Und er versprach, die Landesregierung werde sich auch in Zukunft für starke Kinder einsetzen.
Landrat Zeno Danner musste sich angesichts der Würdigung durch den Klinikverwalter einen neuen Superlativ für das Jugendwerk einfallen lassen. In stürmischer See brauche man Leuchttürme, hob er heraus. Und als solcher verstehe es das Hegau-Jugendwerk sehr weit zu strahlen. In den aktuell anstehenden stürmischen Zeiten der Umstrukturierung des Gesundheitsverbunds wegen seiner Millionenverluste hätten die Gutachter freilich auch klar gesagt, dass man das Jugendwerk stehen lassen solle, so gut wie es ist.
Claus Moldenhauer, ehemals stellvertretender Vorsitzender der einstigen DAK und 30 Jahre im Trägerverein stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, lobte in seinem Grußwort das enge und partnerschaftliche Miteinander, was die Basis aller weiteren Entwicklungen gewesen sei, zumal sich in diesen 50 Jahren auch durch die Erkenntnisse in der Arbeit des Jugendwerks immer neue Türen an Behandlungen geöffnet hätten.
Bürgermeister Dr. Thomas Auer war sich sicher, dass die Erfolgsgeschichte des Hegau-Jugendwerks noch lange weitergehen dürfte. Hier werde jungen Menschen zurück ins Leben geholfen. Die Einrichtung sei ein wichtiger Teil der Gemeinde geworden.
Heinz Brennenstuhl, Altbürgermeister und Vorsitzender des Fördervereins »Hegau Helden« dankte für 20 Jahre sehr gute Zusammenarbeit und warb für eine Mitgliedschaft. Hier stehe das ganze Dorf und die Region hinter der Einrichtung, lobte er. Gerade der Förderverein konnte durch seine Arbeit viele Türen öffnen, zum Beispiel damit die Eltern hier Gäste des Jugendwerks sein könnten.
Dr. Dagmar Schmieder, eine der Töchter von Prof. Schmieder, die dessen Lebenswerk fortsetzte, erinnerte an den Mut ihrer Mutter und ihres Vaters, vor 54 Jahren den Trägerverein für das Jugendwerk zu gründen. Der Weg sei zwar steinig gewesen, aber er habe zu einer Erfolgsgeschichte geführt. Die krönte diesen Festakt mit einer Spende über 8.000 Euro für die wichtige Arbeit, die hier über die Behandlung hinaus geleistet werde.
Dr. Paul Diesemer, der per Video zugeschaltet war, lobte die Energie und das Herzblut, und eine Pionierarbeit, die er 28 Jahre begleiten konnte. Es sei immer darum gegangen, für jedes Kind eine besondere Lösung zu finden. Vor 15 Jahren habe man das Gailinger Konzept für Schluckstörungen auf den Weg gebracht, aus dem ein Dysphargie-Netzwerk Südwest erwuchs.
Roland Sing als langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender des Trägervereins erinnerte an den 20. März 1968, eben der Gründung des Fundaments des Jugendwerks. Es sei damals eine großartige Idee gewesen, alles aus einer Hand anzuwenden und das werde es auch bleiben. Dass für die eigene Schule 42 Vollzeitkräfte als Lehrkräfte bezahlt würden, sei ein Glücksfall. Und: »Zu keiner Zeit wurde da irgendwas infrage gestellt.« Viel habe man noch vor sich, um eine integrierte Versorgung zu verbessern, bei der das Jugendwerk sich noch besser mit den Ärzten vor Ort verknüpften könne für die Patienten. »Wir dürfen nicht bei dem stehen bleiben, wo wir nun angekommen sind«, sieht Sing viele weitere neue Aufgaben. Das Sozialgesetzbuch biete da auch noch unglaublich viele Möglichkeiten. Jetzt sollte man sich eigentlich die Zeit nehmen für eine Zukunftswerkstatt, um in die nächsten zehn Jahre vorauszuplanen.
Doch erst kam noch ein gewichtiger Rückblick. Denn Kunsterzieher Jörg Rinninsland konnte Roland Sing die erste druckfrische Ausgabe des Jubiläumsbands übergeben, für den bei ihm die Fäden zusammenliefen und mit dem eine »Wunderblume« gewürdigt würde. Das Buch schafft es, die vielen Facetten der Arbeit mit und für die Jugendlichen einzufangen, als Zeugnis.
Welche Wunder das Jugendwerk als Ganzes vollbringen kann, wurde im Gespräch zwischen der ärztlichen Leiterin Dr. Corina Kiesewalter, Justin Letzer und seiner Mutter greifbar. Der Junge Mann hatte als Sozius einen sehr schweren Unfall und kämpft sich seit über einem Jahr zurück ins Leben, jeden Tag mehr, was auch das Leben der Mutter verändert hat, die inzwischen nach Gailingen gezogen ist, um diese Schritte mit zu unterstützen.
Das Finale des Festaktes, der von den »The See Sisters and Brothers« sehr treffend und originell musikalisch begleitet und von Verwaltungsleiterin Barbara Martenschläger souverän moderiert wurde, war dem Philosophen Prof. Wilhelm Schmid überlassen, der hier als »Experte für Lebenskunst« sprach und auf den Punkt brachte, dass Glück der/die am besten empfindet, der/die auch Unglück erlebte.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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