Reiner Wöhrstein und die 1968er im Hegau
Wie "Onkel Toms Hütte" die Hegauer Welt verändern sollte

„Jubeln statt Jammern“ war für Rainer Wöhrstein eine wichtige Maxime, und feiern konnte er. Wie hier seinen 60 Geburtstag im damals ganz neuen „Hegau Tower“.  | Foto: Archiv Wöhrstein
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  • „Jubeln statt Jammern“ war für Rainer Wöhrstein eine wichtige Maxime, und feiern konnte er. Wie hier seinen 60 Geburtstag im damals ganz neuen „Hegau Tower“.
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Die 68er haben auch im Hegau ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Der Konstanzer SDS skandierte auf der Ekkehardstraße in Singen seine »Ho Chi Minh«-Rufe. Der frühere Juso-Vorsitzende Günter Heiß hatte ihnen das Podium geboten. Ein Ring politischer Jugend und Stadtjugendring demonstrierten kurz darauf gegen den sowjetischen Einmarsch in der Tschechoslowakei.

Und in Engen nahm der junge Reiner Wöhrstein die Begeisterung für das Zweite Vatikanische Konzil auf und schuf mit »Onkel Toms Hütte« wohl den erfolgreichsten Treffpunkt katholischer Jugend überhaupt. Und obwohl Reiner Wöhrstein in seinem Leben eine ganze Menge mit einer beachtlichen Energie umgesetzt hat, war das die größte Zeit für ihn – sozusagen als Grundstein für alles Weitere, was da kommen sollte – sozusagen als Initiation.

Sein Vater hat das Fotounternehmen in der gerade gestarteten Bundesrepublik in Engen gegründet und sein Sohn Reiner war 1968 aufmüpfig wie viele andere auch. Lange Haare waren obligatorisch. Fußballturniere waren dem jungen Reiner nicht genug. Und mit Papst Johannes XXIII. hatte er ein gutes Vorbild, wie er zurückblickt.

Nach dem Konzil fielen die Mauern und die Kommunionsbänke, auch die der Engener Stadtkirche. Im neuen Jugendclub »Onkel Toms Hütte« wurden die zur Barbestuhlung. Aber nur, bis Landrat Ludwig Seiterich zur Begutachtung des Zuschusses des Kreises kam. Der musste einen Tipp bekommen haben, wurde damals schnell vermutet. Wöhrstein hatte aber auch den Wind bekommen deshalb die Bänke verhüllt. Doch der Landrat enthüllte das Geheimnis. Die Folge: Die Jugendlichen mussten in den Wald und sich nach Baumfällen die neuen Barhocker selbst sägen.

In Engen gab es dann erstmals Jungkolping für Mädchen. In »Onkel Toms Hütte« gab es natürlich Tanz, aber auch Vorträge und Informationen. Engen, so Wöhrstein, war einer der offensten katholischen Jugendeinrichtungen weit und breit gewesen: »Dem lechzen heute noch alle nach«, sagte er beim Interview zu seinem 60. Geburtstag, den er groß feierte, mit dem damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Volker Kauder.

Die Öffnung von damals täte auch der Kirche heute wieder gut, meinte Wöhrstein damals – und das hat auch heute Gültigkeit, denn in vielen Punkten war man nicht weiter gekommen bis jetzt, wenn man nur mal an die Frage nach weiblichen Priesterinnen denkt.
Was als Jugendzelle so in Engen 1968 entstanden war, hatte Folgen: Die kleine Junge Union Engen wurde bald die größte Gruppe der CDU-Nachwuchsorganisation im Kreis. Sie entschied die Frage nach dem Kreisvorsitz 1970 gegen Volker Kauder. Ein Jahr später schlief der JU-Delegierte Reiner Wöhrstein beim JU-Bezirkstag in Offenburg auf einem Stock mit Wolfgang Schäuble. Das alles gehört zum jungen Revoluzzer, der später Fraktionschef der CDU im Engener Gemeinderat wurde.

Die Musik bewegte Wöhrstein, der 1971 in Singen die letzte Jungbürgerparty der Stadt als DJ moderierte. Im Alu-Gemeinschaftshaus begrüßte er Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle mit »Revolution«, aus der beider Bekenntnis für Evolution wurde. Denn Rainer Wöhrstein kam mit seinen Visionen für den Fotohandel, stand hier für eine Vision vom neuen Shoppingcenter für die Stadt, die dann noch lange Brauchte. "Onkel Toms Hütte" war so ein Nest für viele Ideen gewesen.

Portrait:

Name: Rainer Wöhrstein

Alter:
74 Jahre

Lebensstationen:
Fotografenlehre, übernahm des Fotogeschäfts seines Vaters in Engen. Dann aber zur Landesgartenschau der Umzug nach Singen mit dem Aufbau eines Online-Handels als zusätzliches Standbein. Seit 2020 der dritte Standort im Shoppingcenter CANO in Singen.

Größter Erfolg: Zukunftspreis des Handels, 2006

Lebensmotto:
"Jubeln statt Jammern"

Mich verbindet mit der Region: Laufsport, Marathon und die guten Aussichten dabei

Der Ort:

Foto: Archiv Wöhrstein
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Ja das waren Zeiten. Hier steht DJ Rainer Wöhrstein am Plattenspieler bei der Singener Jungbürgerparty 1971.

„Jubeln statt Jammern“ war für Rainer Wöhrstein eine wichtige Maxime, und feiern konnte er. Wie hier seinen 60 Geburtstag im damals ganz neuen „Hegau Tower“.  | Foto: Archiv Wöhrstein
Foto: Archiv Wöhrstein
Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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