Integration und Handarbeit bei der Bäckerei Grecht
Wertschätzung zwischen Brezeln und Brot

Yerro Bah (links) und der Backstuben-Inhaber Markus Grecht (rechts) arbeiten bereits seit mehr als vier Jahren zusammen in der Engener Bäckerei. | Foto: swb-Bild: Amrit Raj
  • Yerro Bah (links) und der Backstuben-Inhaber Markus Grecht (rechts) arbeiten bereits seit mehr als vier Jahren zusammen in der Engener Bäckerei.
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Engen. Brezeln formen, Kuchen backen, Teig mischen – im Backhandwerk hat das sprichwörtliche »täglich Brot« eine besondere Bedeutung. Doch genauso greifbar wie der Wert unserer Lebensmittel ist in den Backstuben auch der Mangel an Fachkräften. Umso schöner sind Positivbeispiele, wie bei der Traditionsbäckerei Grecht in Engen.

Denn seine Erfahrungen dort waren für Yerro Bah ausschlaggebend, sich für eine Ausbildung zum Bäcker zu entscheiden. Der 27-Jährige kam 2016 aus Gambia nach Deutschland und wohnte hier zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft in Engen. Während der Berufsorientierung an seiner Schule in Radolfzell wuchs der Wunsch eine handwerkliche Ausbildung zu machen, worin ihn auch die Lehrer und das Jobcenter in Singen bestärkten.

So wurde dann für ihn ein Praktikum in der Bäckerei Grecht organisiert: »Das hat mir gut gefallen, also habe ich nochmal nach einem Praktikum gefragt. Die Entscheidung danach war einfach.« Dabei hätte es laut dem Inhaber der Bäckerei, Markus Grecht, ganz anders kommen können. Zur Organisation eines Praktikums war dieser durch Raimund Kegel, den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, angeregt worden. Kegel sah hier eine Möglichkeit, Migranten in und über das Arbeitsleben zu integrieren und zugleich den Fachkräftemangel im Handwerk zu beheben. So habe der Bäckermeister den jungen Mann das erste Mal kennen- und zunehmend schätzen gelernt. Doch nach dem ersten Praktikum herrschte Funkstille – bis der 27-Jährige plötzlich wieder dastand: »Er hat gleich losgelegt und gearbeitet. Erst nach zwei Tagen habe ich mir das Praktikumsschreiben angeschaut und gesehen, dass er im falschen Betrieb ist!« Yerro Bah jedoch wollte (und durfte) in der Backstube Grecht bleiben und begann dort schon bald eine Ausbildung zum Bäcker, wodurch er auch eine fünfjährige Ausbildungsduldung sicher hatte.

Allerdings stellte sich sein weiterer Weg als teils sehr fordernd heraus. Zunächst ging es um den Identitätsnachweis in Karlsruhe, bevor er die Ausbildung antreten konnte. »Da hat man gesehen, dass er nervöser wurde, je näher der Termin kam«, berichtet Markus Grecht aus dieser Zeit. War diese Hürde genommen, musste er trotz Nachhilfe das erste Ausbildungsjahr wiederholen und auch bei der theoretischen Abschlussprüfung hatten leider alle Mühen nicht zum Bestehen ausgereicht. In der mündlichen Prüfung hätte der Engener Bäcker für den jungen Gambier eine Chance gesehen, aber hier hätte selbst eine gute Leistung keinen Unterschied mehr machen können. Dabei mangele es nicht an Verständnis und Können, immerhin konnte der junge Bäcker im praktischen Teil der Prüfung sogar als Kammerbester abschließen. Zwar hätte er die Theorieprüfung erneut ablegen können, es war aber »nicht in Aussicht, dass er das nach einem Jahr schafft.« Bedauerlicherweise erlosch damit auch die Ausbildungsduldung und zwischenzeitlich bangten Yerro Bah und seine Kollegen um seine drohende Abschiebung.

Dabei hat er sich auch abseits der Arbeit gut eingefunden. Zusammen mit der Frau des Bäckermeisters, Tanja Grecht, konnte er eine eigene kleine Wohnung finden. Die Vermieter sind »momentan wie eine Familie und helfen mir auch dabei, besser Deutsch zu lernen.« Zumindest ein kleiner Trost, da er gerade das Land nicht verlassen und so auch seine Schwester nicht besuchen darf. Auch, dass er als Ausländer nach wie vor anders behandelt wird, ist für den 27-Jährigen oft schwer. Einen Ausgleich findet er beim Fußballspielen mit dem Hegauer FV, im Sommer will er möglicherweise dann seinen Führerschein machen. »Dann kann er einfach trainieren gehen und nach dem Training oder Spiel noch bei den Leuten bleiben. Gerade muss er dazu immer abgeholt werden«, erzählt Grecht in dem Gespräch.

Dabei liegt dem 27-Jährigen einiges an seiner Unabhängigkeit. Seit Juli ist er ausgelernt und trägt seither alle seine Kosten selbst, sogar die Energiepauschale wollte er laut dem Inhaber der Backstube erst ablehnen. Auch zum Urlaub müsse man ihn förmlich drängen, »selbst, wenn er freihat, geht er trainieren und kommt dann danach noch und hilft eine Stunde.«

Momentan läuft über die Handwerkskammer Konstanz ein Härtefallantrag als letzte Option gegen eine Abschiebung, dabei werde er unter anderem auch von zwei Bundestagsabgeordneten aus der Region unterstützt. Insgesamt zeigt sich Grecht optimistisch, da einige Auflagen in Anbetracht des Facharbeitermangels inzwischen gelockert wurden.

Trotzdem möchte der junge Bäcker, wenn er sich mit der deutschen Sprache sicherer fühlt, auch die Theorieprüfung noch einmal angehen. Bis dahin wird der Bäcker- und Konditormeister aus Engen wohl kaum auf ihn verzichten: »Er ist bei uns überall einsetzbar, also von Konditorei über Plunder über Snack über Teigmacherei, er kann alles. Weil er es will! Er will es lernen!«

Was ist nun Dankbarkeit für die beiden?

»Yerro schätzt es wert, dass er hier sein kann. Und ich schätze natürlich die Arbeitskraft, aber auch den Menschen. Das ist toll, ihm ist nichts zu viel und es ist ein tolles miteinander Arbeiten. Also: Wertschätzung!« Diese Antwort kommt schnell von Markus Grecht und der 27-Jährige stimmt ihm voll zu. Schließlich war für ihn genau diese Atmosphäre ausschlaggebend, dass aus dem Praktikum eine Ausbildung wurde.

Wenn man sich an einem Ort wohlfühlt, kommt man gerne her: »Es sollte nicht nur die Arbeit sein, es muss auch Spaß machen und dann merkt man es auch im Ergebnis.« Dass hinter diesen Worten des Engener Traditionsbäckers Tatsachen stecken, wird eindrücklich, als Yerro Bah mit vier Kollegen in der Backstube steht, um Brezeln zu machen. Dabei wird gelacht und geredet: »Brezeln machen, das ist die Gemeinderatssitzung. Da tauscht man sich am besten aus, weil wirklich alle eine Stunde am Tisch stehen bleiben und nebenher reden«, erzählt Grecht.
»Das mit Yerro ist einfach eine tolle Geschichte. Wir mögen ihn und wir geben ihn auch nicht mehr her.«

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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