Kontroverse Standpunkte beim Neujahrsempfang der Kreis-SPD in Engen
Wege aus dem 8-Prozent-Loch bis zur Wahl finden
Engen (of). So ganz war die Harmonie zum Neujahrsempfang der Kreis-SPD in Engen nicht gelungen. Denn der Generalsekretär der Landes-SPD, Sascha Binder, musste sich bei seinem Auftritt doch einiger Kritik aus den verschiedensten Richtungen stellen und hat eine Menge an Frage zur Beantwortung mitgenommen.
Drei Daten stellte Sascha Binder zunächst als besondere Fixpunkte für das Jahr 2020 an den Anfang seiner Rede zum Neujahrsempfang am Donnerstagabend. Das ist der 8. Mai zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, der 3. Oktober zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit, und der 3. November mit der US-Präsidentenwahl, bei er auf die Kraft der Demokratie gegen Populismus vertrauen wolle.
Als Fixpunkte für 2019 sah Sascha Binder die Klimademonstrationen, die weltweit die Klimakrise zum Thema machten. Über diese Klimademonstrationen habe es freilich viele weitere Demonstrationen gegeben, zum Beispiel aus Angst um den Verlust der Arbeitsplätze, und auch gegen die Wohnungsnot. „Der Markt hat das nicht geregelt“, so seine Erkenntnis. Deshalb brauche es einen aktiven Staat, der diese Probleme angehe. Doch das Land sei bislang noch nicht in eine aktive Wohnungspolitik eingestiegen, zum Beispiel mit einer landeseigenen Wohnbaugesellschaft in Kooperation mit den Kommunen, womit sich viele Probleme lösen könnten. „Was die Bayern können sollten wir auch hinbekommen“, forderte Binder.
Mit kostenloser Kinderbetreuung in den Wahlkampf
Das Land sorge zudem nicht für einen zuverlässigen Ausbau des Schienen-Personalnahverkehr kritisierte Binder in seiner Ansprache. Das Land müsse deutlich mehr in einen auch funktionierenden ÖPNV investieren um das Umsteigen vom Auto auf andere Verkehrsmittel möglich zu machen. Die bisherigen Versuche mit privaten Anbietern funktionierten noch lange nicht.
Auch bei der Kindererziehung sieht Binder noch großen Handlungsbedarf. Man könne zwar nun auch mehr Förderung durch den Bund erwarten, aber die Verhältnisse seien zwischen den Gemeinden doch sehr Unterschiedlich. Wenn es auch rechtlichen Gründen nicht gehen sonnte, zur Senkung oder Abschaffung der Kita-Gebühren eine Volksabstimmung durchzuführen, wolle man die Landtagswahl zu einer Volksabstimmung zu diesem Thema zu machen, kündigte Binder an.
Wenn sich schon dunkle Wolken am Konjunkturhimmel aufzögen, so müsse er dem Ministerpräsidenten zustimmen, dass die Politik diese nicht wegschieben könne, aber sie könne den Menschen einen Schirm geben.
Herbe Kritik wegen Schreier-Kandidatur
Kreisvorsitzender Tobias Volz wollte dann allerdings noch wissen, wie die SPD hier in den Wahlkampf gehen wolle, nach der verlorenen letzten Wahl. Sascha Binder unterstrich, dass man klare Argumente und Perspektiven liefern müsse, wie eben die Abschaffung von Kita-Gebühren oder flächendeckend das Ein-Euro-Ticket. Wichtig sei vor allem, dass die Menschen Vertrauen haben in die Kandidaten. Da ergriff freilich Reinhard Geisser vom Ortsverein Randen das Wort und kritisierte scharf, wie unfair es gewesen sei, wie die SPD mit dem selbst erklärten Kandidaten Marian Schreier umgegangen sei. Das Verfahren der SPD Stuttgart sei nicht unrechtmäßig, sondern es entspreche der Satzung, antwortete Binder.
Weitere Kritik an der Rede gab es von anderen Gästen, die sich enttäuscht von der Rede. Wenn man hier zum Teil mit acht Prozent Wählerstimmen am Boden liege, erwarte man eigentlich Aussagen, wie es wieder aufwärts gehen solle. „Kleine Brötchen mutig angehen“, lobte freilich Hans-Peter Storz Man könne nicht so tun, als ginge es gleich an die Regierung.
Ortsvereinsvorsitzender Tim Strobel gemahnte daran, dass Demokratie in diesen aktuellen Zeiten besonderer Hege und Pflege bedürfe. Drohungen gegen Bürgermeister oder lokale Politiker seien wieder „salonfähig“, sogar er selbst habe im letzten Jahr fünf Briefe erhalten, die zwar nicht unbedingt Drohbriefe waren, die aber doch von einem sehr geringschätzenden Inhalt gewesen seien. Als Sozialdemokraten wolle man den „Faschisten“ keinen fußbreit Raum lassen, wünschte er sich.
Kreisvorsitzender Tobias Volz blickte in die Kreispolitik, besonders was den neuen Regionalbus betrifft, der einfach zu oft nicht in Bewegung sei. Man habe hier eine üble Bauchlandung erlebt und müsse Konsequenzen daraus ziehen.
Beim Gesundheitsverbund wie in der Pflege – auch bei der Altenpflege – spitze sich die Situation immer weiter zu. „Wir brauchen hier Modelle, die den Standort Baden-Württemberg zukunftsfähig machen, nicht nur bei Digitalisierung und in der Automobilindustrie, sondern eben in der Pflege habe man „Land unter“ und brauche hier dringend politische Signale.
Als Sozialdemokraten habe man viele Schlappen hinnehmen müssen bei verschiedenen Wahlen und auch die Führungsfindung des letzten Jahres sei nicht einfach gewesen, aber er bleibe dabei dass die SPD seine Partei sei, wie schon seit über 25 Jahren betonte Volz.
Engens Bürgermeister Johannes Moser, sagte bei seinem Grußwort, dass er noch nicht im Wahlkampfmodus sei. Er gemahnte, dass die Regierungen in Berlin wie in Stuttgart ein Einvernehmen mit den Kommunen herstellen sollten, insbesondere was die Kinderbetreuung betrifft. Engen böte 408 Kindergartenplätze, es sei ein Kraftakt gewesen, hier den Rechtsanspruch erfüllen zu können. Dafür seien 2,9 Millionen Euro kommunaler Zuschuss jährlich nötig, bei einem Haushalt von 30 Millionen Euro. Wenn es einen Konjunktureinbruch gäbe, käme auch das schuldenfreie Engen auch mittelfristig in Bedrängnis, weshalb hier die Finanzierung im Verbund neu aufgestellt werden müsste.
Fahrplan zur Landratswahl
Auch zu den Vorbereitungen auf die Landtagswahl gab es schon Eckpunkte zu erfahren: Der Kreisverband wolle im Februar einen Aufruf zur Kandidatur starten aber schon parallel Ausschau halten nach möglichen KandidatInnen. Die baden-württenbergische SPD will ihre Spitzenkandidatin oder ihren Spitzenkandidat am 16. Mai beim Landesparteitag wählen, danach geht es in die Kreisverbände, die ihre KandidatInnen ab Juni nominieren wollen.
Willi-Brand-Medaille an Reinhard Ebeling
Zum Finale des Empfangs konnte eine ganz herausragende Ehrung vollzogen werden: Reinhard Ebeling, das sozialdemokratische Urgestein der SPD aus Mühlhausen-Ehingen, der fast 40 Jahre den Ortsverein dort anführte, über 32 Jahre im Gemeinderat aktiv war und dabei für die Themen der Arbeiter genauso wie für den Naturschutz als BUND-Mitglied, gegen die Pläne für Atom-Endlager in der nahem Schweiz oder im Hegau selbst als Aktivist von K.L.A.R. einstand und ganz nebenbei auch mit seinem Haus aus Lehm ein Alleinstellungsmerkmal hatte, wurde in Würdigung seines Lebenswerks die Willy-Brandt-Medaille als höchste Ehrung der Partei durch Tobias Volz und Sascha Binder überreicht.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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