Einweihung des »Orbiter« vor der Stadthalle
Ist das Kunst oder fliegt das weg?

Nach ihren eröffnenden Worten gaben Engens Museumsleiter Dr. Velten Wagner (links), der Künstler Markus Brenner (Mitte) und Bürgermeister Johannes Moser (rechts) den Startschuss für den Orbiter als Fotokulisse, worauf sie sich in weißen Maleranzügen (zur »Intensivierung der Strahlkraft«) ablichten ließen. | Foto: ak
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  • Nach ihren eröffnenden Worten gaben Engens Museumsleiter Dr. Velten Wagner (links), der Künstler Markus Brenner (Mitte) und Bürgermeister Johannes Moser (rechts) den Startschuss für den Orbiter als Fotokulisse, worauf sie sich in weißen Maleranzügen (zur »Intensivierung der Strahlkraft«) ablichten ließen.
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Engen. Wer die neue Engener Stadthalle besucht, staunt neuerdings nicht schlecht über die große, strahlend weiße Scheibe, die sich davor befindet. Was an einen überdimensionalen Handschmeichler erinnert, gehört als Kunstinstallation von Künstler Markus Brenner künftig fest zum Bild der eh schon futuristisch anmutenden Halle. Am Freitag wurde der »Orbiter« offiziell übergeben und eingeweiht.

Die Installation funktioniert in einer Symbiose aus der Skulptur und der umgebenden Architektur durch die Stadthalle. Bereits seit den 70ern habe sich Engen der Verschmelzung von Architektur und Kunst im Rahmen der Stadtsanierung unter seinem Vorgänger, Manfred Seiler, angenommen, erzählt Bürgermeister Johannes Moser am Freitagabend. Bis heute sei diese »Kunst im Raum« eine der Charakteristiken der Stadt und sollte damit auch auf dem Vorplatz der Halle fortgeführt werden. Im Zuge des dazu veranlassten Gestaltungswettbewerbs wurde Markus Brenners Projekt dann von einer Jury und den Gemeinderäten ausgewählt, denn sie passe denkbar gut zur »künstlerischen Halle«, findet der Engener Bürgermeister.

Diese wirke im Kontrast zu Engens Altstadt an sich schon sehr »spacig«, bestätigt auch Markus Brenner. Um diesen Eindruck weiter zuzuspitzen, dachte er anfangs an einen Flugtaxiplatz auf der umgebenden Fläche, erkannte jedoch bald, dass diese inzwischen fast »common sense« sind und es solche schon häufig gebe. Es musste also noch pointierter sein. So kam er zur Idee der Halle als Raumschiff, der Orbiter wiederum sei optisch angelehnt an die in der Raumfahrt verwendeten Hitzeschutzschilde.

Doch das Kunstprojekt wandelt nicht nur architektonisch auf einer Grenze, auch den Bereich zwischen Realität und Digitalem will Brenner damit ausleuchten - im wahrsten Sinne. Denn die riesige, leicht gewölbte Scheibe, dient als Projektionsfläche für daran angepasste, wechselnde Lichtbilder. Die Technik ähnelt dabei einem Diaprojektor: Eine leistungsfähige LED beleuchtet eine Optikebene, eine Art rundes Glasdia, das der entstehenden Hitze standhalten kann. Durch eines der drei bis vier bisher zur Verfügung stehenden Dias erstrahlt dann gezielt ein Motiv auf der Marmorskulptur, während die Umgebung weiterhin dunkel bleibt. Daraus ergibt sich, je nachdem, was auf den Orbiter projiziert wird, eine sehr unterschiedliche Wirkung, mit der auch langfristig durch weitere Motive gespielt werden kann.

Im Gespräch des Künstlers mit dem Leiter des Engener Museums, Dr. Velten Wagner, kam auch ein Thema auf, das bis vor ein paar Monaten wohl niemand mit so einer Inszenierung in Verbindung gebracht hätte: Ist denn nicht eigentlich Energiesparen angesagt? Während die Stadthalle momentan am Abend dunkel bleibt, um Energie zu sparen, soll zumindest das Kunstobjekt davor strahlen dürfen. Dazu erläutert Markus Brenner, dass die etwa 85 Watt starke Lampe regulär an den Stromkreis der Stadthalle angeschlossen sei. Deren Beleuchtung aktiviert sich über einen Dämmerungsschalter bei Dunkelheit und wird dann gegen 23 Uhr wieder abgeschaltet. Aktuell jedoch ist sie »abgekoppelt vom Mutterschiff«, ein denkbar passendes Wortbild, das Dr. Velten Wagner dazu findet. 

Den eigenen Anteil am Orbiter betrachtet Markus Brenner insgesamt eher als »Konzeptkunst«, zu deren Umsetzung es noch eine Riesen-Teamleistung benötigte. Denn der Beton mit sehr hohem Marmoranteil wurde speziell für dieses Projekt angemischt und im Anschluss geschliffen. Die Form wurde zunächst mit einem Programm als 3D-Modell erstellt und in einer belgischen Firma hergestellt, die üblicherweise Prototypen für Maschinen fertigt. Damit dies gelingen konnte, wurde die Form in neun »Schnitze« unterteilt, die jeweils etwa drei Tonnen schwer wiegen. Diese wurden dann jeweils separat hergestellt, nach Engen transportiert und erst dort auf einer ursprünglich schiefen Ebene vor der Halle wieder zusammengesetzt. Allein das Setzen der Teile bezeichnet Markus Brenner dabei als »Riesenkunst«.

Anders als bei historischen Werken, die oft »ein bisschen wie Schule sind«, so die Empfindung des Künstlers, soll der Orbiter den Betrachter dazu einladen, selbst Teil der Kunst zu werden. Diese Andersartigkeit zeichne immer mehr moderne Kunstobjekte aus, betont er im Gespräch mit dem Leiter des Engener Museums. Der Orbiter spreche da geradezu eine Einladung aus, selbst etwas daraus (oder darauf) zu machen. Zum Beispiel über die Inszenierung für ein Selfie, sodass der kalte Marmor nach Brenners Hoffnung »transformiert wird in der Aktion«. Wie die Orbiter der Raumfahrt, die typischerweise auf einer Umlaufbahn einen Himmelskörper umkreisen, könne auch das Engener Marmorexemplar so in den Medien um die ganze Welt gehen.
Brenner will den Betrachter aber auch zum Blick in den Weltraum über unseren Köpfen einladen: »Wenn man ins All geht und zurückkehrt, werden Sachen und Probleme hier relativ. Wir realisieren, dass es noch ganz andere Probleme gibt.«

»Spielen und Tanzen Sie mit dem Orbiter!« - diesen Worten Wagners folgen am Ende des Gesprächs mit dem Künstler nicht nur die Besucher. Auch er selbst nutzte zusammen mit Bürgermeister Johannes Moser und Markus Brenner die Chance auf dem Marmormodell zu Posieren, ganz in weiß »zur Intensivierung der Strahlkraft«, wie es sich die Organisatoren schon auf der Einladung von ihren Gästen wünschten. Und als die weiße Scheibe dann noch in bunten Ringen erstrahlte, brachte dieser »Regenbogen« auch noch Kinderaugen zum Strahlen.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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