Die „Dame mit Reiher“ von Otto Dix in der Sonderausstellung „Hölle & Paradies. Der deutsche Expressionismus um 1918“ im Museum Engen
Ganz dicht an den Menschen

Sonderausstellung Engen Otto Dix | Foto: Otto Dix, Dame mit Reiher, 1923, Sammlung Frank Brabant
swb-Foto: Archiv Frank Brabant
  • Sonderausstellung Engen Otto Dix
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Engen. Wer würde ihn in der Region nicht kennen, Otto Dix, der 1891 in Gera geboren wurde und 1969 in Singen starb? Bevor sich Dix 1933 nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten erst nach Schloss Randegg, dann nach Hemmenhofen in die innere Emigration zurückzog, zählte er zu den coolsten und angesagtesten Künstlern der Weimarer Republik. Das zeigte schon sein Styling mit straff zurückgekämmten Haaren und seine Leidenschaft für „Shimmy“, einen amerikanischen Modetanz, der ihm dann auch den Spitznamen Jimmy einbrachte.

Dix war ein Menschenkenner – er war dicht genug an den Menschen, um ihre Schwächen einfühlsam, aber auch distanziert genug, um ihre Laster mit untrüglichem Blick aufzeigen zu können. Am liebsten verkehrte er im Milieu gesellschaftlicher Randgruppen und zeichnete mit der gleichen Präzision Bettler, Kriegsversehrte oder Damen der Halbwelt, des „demi-monde“, wie man damals sagte. Dix war kein Moralist, die Moral war ihm als MG-Schütze in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs vergangen, er wollte das Leben aufzeigen, wie es war, ungeschönt, grell, gnadenlos. Und nicht ohne einen guten Schuss abgründigen Humor. Die „Dame mit Reiher“, zweifellos eine Prostituierte, zeichnet der Künstler mit feiner Linie und einer Zartheit, die schon zerbrechlich wirkt.

Zugleich spürt der Betrachter, dass sich hinter Reiherfeder, Lippenstift und Pelz ein Mensch verbirgt, der dem Tod näher ist als dem Leben, zu sehr gleicht das Profil einem Totenschädel. Eros und Thanatos, Liebe und Tod verschmelzen in dieser Darstellung zu einer Art Kippbild, das Grauen und Verführung gleichermaßen vor Augen führt. Vielleicht ist es gerade dieses instinktsichere Spiel mit dem Doppelbödigen, wie mit der Schönheit inmitten des Grauens, der Lebenslust am Rande des Zerfalls, das Dix‘ eigentlichen Ruhm als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts begründete.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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