Josef Eberz in der Sonderausstellung »Hölle & Paradies. Der deutsche Expressionismus um 1918« in Engen
Der »Verführer« mit den kalten Augen

Verführer von Josef Eberz, Ausstellung Engen | Foto: Josef Eberz, Verführer, 1919, Magistrat der Kreisstadt Limburg a.d. Lahn – Kunstsammlungen
swb-Bild: Fotostudio Karl, Limburg, 2014/15 (Eberz Verführer)
  • Verführer von Josef Eberz, Ausstellung Engen
  • Foto: Josef Eberz, Verführer, 1919, Magistrat der Kreisstadt Limburg a.d. Lahn – Kunstsammlungen
    swb-Bild: Fotostudio Karl, Limburg, 2014/15 (Eberz Verführer)
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Engen. Wie unterschiedlich die Visionen der deutschen Expressionisten nach dem Ersten Weltkrieg waren, das erschließt sich den BetrachterInnen, wenn sie zur Sonderausstellung »Hölle & Paradies. Der deutsche Expressionismus um 1918« die sieben Räume des Städtischen Museums Engen + Galerie mit über 110 Kunstwerken der Zeit um 1918 besuchen, von denen in dieser Serie eine Auswahl gezeigt wird. Besser gesagt: …hoffentlich bald wieder besuchen können, da alle hoffen, dass die Schließung des Museums nicht mehr allzu lange dauern wird.
Das heutige Kunstwerk wurde von Josef Eberz vor fast genau hundert Jahren gemalt, einem Schüler von Adolf Hölzel an der Stuttgarter Akademie, der 1880 in der alten Bischofsstadt Limburg geboren wurde. Sein Titel: „Verführer“. Eberz gehörte, im Unterschied zu den politischen Aktivisten um Conrad Felixmüller, zu der Fraktion der Mystiker unter den Expressionisten, also zu jenen Künstlern, deren Visionen ganz aus der inneren Anschauung hervorgingen.

Gezeigt wird ein, auf den ersten Blick, paradiesischer Ausblick durch ein Fenster, leuchtend rote und grüne Farbtöne herrschen vor, Komplementärfarben, die einander harmonisch ergänzen. Vor dem Fenster steht ein Liebespaar, wie man annehmen möchte, der Mann legt ihr den Arm um die Schulter, sie hält in der einen Hand ein Cocktailglas, ihr Kopf ist ihm zugeneigt, doch mit der Geste ihrer linken Hand scheint sie ihn abwehren zu wollen. Ihre Haltung ist ganz offensichtlich doppeldeutig, „halb zog es sie, halb sank sie hin“, der „Verführer“, jedenfalls, scheint sehr genau zu wissen, was er will, er will von ihr Besitz ergreifen, die harmonischen Farben täuschen, seine Augen sind kalt und blau, sein Gesichtsausdruck ist hart und berechnend. Was zunächst wie ein Liebespaar in paradiesischer Landschaft anmutet, entpuppt sich bei näheren Hinsehen als kalte Berechnung, oder, wie man in Zeiten von „#MeToo“ sagen würde, als übergriffig. Hier ist nichts so, wie man es sich gerne natürlicherweise vorstellen würde, der Wurm, wie man aus der Bibel weiß, steckt bereits im Paradiesapfel.

Obwohl Josef Eberz zu den Idealisten unter den Expressionisten zählt, betont auch er in seinen Darstellungen die existenzielle Ambivalenz, die in allen Phänomenen, in allen Wünschen und Träumen steckt. Nach der Hölle des Ersten Weltkrieges ist die Welt aus dem Lot geraten, und selbst im Paradies ist nichts mehr so wie es scheint.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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