Immer mehr Murren gegen Biber und Storch
Wenn die Natur zum Gegner der Infrastruktur wird
Hegau. Eine Woche lang waren Einsatzkräfte der Feuerwehren und der Technischen Hilfswerke aus der Region bei der Anschlussstelle Stockach Ost der A98 damit beschäftigt, riesige Mengen Wasser abzupumpen, die sich dort über Wochen angestaut hatten. Schon länger hatten die dort ansässigen Biber mit dem Material des Dammbaus die Durchlassleitung eines Bachs unter der A98 in Richtung Stockacher Aach verstopft. Das Problem hatte sich hier über Wochen entwickelt, Alarm geschlagen wurde freilich erst, als der Übertragungsnetzbetreiber "TransNet BW" zwei Masten der Hochspannungstrasse Stockach-Konstanz durch das immer weiter steigende Wasser in ihrer Standfestigkeit gefährdet sahen. Das steigende Wasser war hier offensichtlich der Aufmerksamkeit der zuständigen Behörden wie des Waldbesitzers entgangen.
Von Oliver Fiedler und Tobias Lange
Der Ruf nach einem entschiedeneren Bibermanagement wie auch der Möglichkeit zu Eingriffen, wenn Infrastruktur in diesem Fall durch das angestaute Wasser in Gefahr gebracht wird, wird indes in der Region immer lauter. Fast in allen Gemeinden lauern inzwischen Konflikte und auch die Bauern murren, zumal die angenagten Bäume derzeit noch ihr Risiko sind, ohne Chance auf Ausgleich. Von den Problemen können auch die Stadtwerke Radolfzell ein Lied singen. Im Juli wurde Richtfest für die Wasseraufbereitungsanlage Frauenwiesquelle bei Böhringen gefeiert. Der Anschluss des Ortsteils ist derzeit aber noch eine Herausforderung, für die noch nach einer Lösung gesucht werden muss, denn angesichts durch Biberdämme aufgestaute Wassermengen ist es nicht möglich, die Leitungen zu verlegen. Stadtwerke Geschäftsführer Tobias Hagenmeyer sieht angesichts der oberirdischen Wasserflächen die Trinkwasserqualität als nicht ungefährdet an, meinte er auf Anfrage. Den Biber aus dem Gebiet rauszubekommen, sei durch den Schutzstatus augenblicklich unmöglich.
Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die gerade aber auch für viele Diskussionen sorgen. Das Landwirtschaftsministerium hatte noch in 2019 die Einrichtung eines "Biberfonds" abgelehnt "weil der Staat nicht für Schäden haften könne, die durch wildlebende Tiere verursacht werden", so die damalige Begründung. Den Biberfonds in Bayern gibt es übrigens, weil dort die Rechtslage anders ist und das Land den Biber aktiv wieder angesiedelt hatte. Dort darf im schweren Konfliktfall der Biber im Winter auch "entnommen", sprich geschossen werden - schon seit 16 Jahren!
Langsames Umschwenken
In Baden-Württemberg reagiert die Landespolitik, wenn auch mit viel Verzögerung. Beim Besuch des CDU-Landwirtschaftsministers Peter Hauk in Mühlhausen-Ehingen brachte dessen Parteikollege Manuel Hagel das Thema "Biberfonds" ins Spiel, nachdem die Klagen der Landwirte über Schäden auch immer lauter werden, zumal es inzwischen im Land schon mehr Biber gibt als in Bayern. Auf 30.000 Tiere wird die Population inzwischen geschätzt.
Seit zwei Jahren läuft im Land ein Modellversuch. Anfang dieses Jahres wurden dabei auch erstmals zwei Biber im Alb-Donaukreis "entnommen", also erlegt, wie den Fachmedien zu entnehmen ist. Weil auch die die Infrastruktur gefährdeten.
Denn Vergrämen gelingt bei den fleißigen Nagern in den seltensten Fällen, wie auch das Beispiel an der A98 zeigt, wo es gleich eine ganze Reihe von Bauten gibt, wie beim Termin vor Ort vorgeführt wurde. Obwohl der Einsatz gerade erst abgeschlossen war, sah man schon wieder Dämme in dem Waldgebiet. Aber der Zuflussbereich des Rohrs an der A98 soll nun besser abgesichert werden und muss auch viel häufiger kontrolliert werden, so das Fazit einer gemeinsamen Runde zwischen Vertretern der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen, des Landratsamts und der Autobahnmeisterei im Nachgang.
Die vermehrte Kontrolle ist derzeit noch der einzig gangbare Weg, die Forderungen an die Politik wiederum sind gestellt.
Auch Störche als "Plage" wahrgenommen
Die Gemeinde Hohenfels verzeichnet seit ungefähr 2015/2016 einen exponentiellen Anstieg an Weißstörchen. "Die 2.200 Einwohnerinnen und Einwohner schätzen die Natur und die Tierwelt sehr. Dennoch ist es an der Zeit, auf ein wachsendes Problem hinzuweisen", meint Bürgermeister Florian Zindeler und schreibt das an das Umweltministerium wie an die Abgeordneten des Landtags aus dem Wahlkreis. Er fordert mittelfristig einen Masterplan zum Umgang mit geschützten Arten in besonders betroffenen Städten und Gemeinden zu erarbeiten. Schützenhilfe bekommt Zindeler hier bereits von der Landesweißstorchbeauftragten Judith Opitz, die das Problem bereits aus anderen Gemeinden kennt. "Auch ich bitte dringendst um Hilfe seitens des Staates", antwortet sie auf die Eingabe Zindelers.
Im Ortsteil Mindersdorf mit rund 450 Seelen werde die Anzahl der Weißstörche mehr und mehr zur Belastung und die Stimmung droht allmählich zu kippen. Wenn es nicht schon zu spät ist, schreibt Zindeler in seinem Appell.
Abend für Abend seien nahezu alle Dächer besetzt und jährlich kämen neue Nester dazu. So könnte man aktuell mindestens 100 Weißstörche rund um diesen Ortsteil zählen. "Ich möchte nicht nur den anfallenden Kot und das Klappern erwähnen, viel wichtiger ist es doch, dass das Verhältnis zwischen Schutzgut 'Tier' und Schutzgut 'Mensch' aus den Fugen gerät und man hilflos zuschauen muss. Darüber hinaus berichten mir unsere Landwirte, dass auf unseren Riedflächen auch andere Arten darunter leiden, denn die Störche fressen radikal alles, angefangen von Fröschen, Mäusen oder Hasen und dies in einer unglaublichen Menge", so Zindeler in seinem Schreiben, das auch der Presse zur Verfügung gestellt wurde.
Das Umweltministerium BW biete den Städten und Gemeinden bislang leider keine oder kaum praktikable Unterstützung beim sinnvollen, zielgerichteten und gesetzeskonformen Umgang mit geschützten Arten. "Derzeit dürfen wir aufgrund des gesetzlichen Schutzes keine Maßnahmen ergreifen, um die Koexistenz erträglich zu gestalten und ich möchte betonen, dass es unsererseits nicht das Ziel ist, alle Tiere zu vergrämen", so Zindeler weiter.
Auch "Storchenvater" sieht langsam Grenzen
Für Storchenvater Hanspeter Wickert aus Radolfzell ist es keine Überraschung, dass sich die Vögel sammeln. "Es ist normal", sagt er. Denn für die Störche würde nun der Zug in den Süden beginnen. "Da sammeln sie sich und warten auf günstige Wetterbedingungen." Danach kämen die Vögel erst in zwei bis drei Jahren zurück, wenn sie geschlechtsreif sind.
Er hat aber auch Verständnis für das Anliegen von Bürgermeister Florian Zindeler. Auch in Böhringen gebe es mittlerweile über 50 Nester. Die Zahl der Störche nehme große Dimensionen an. Damit müsse versucht werden, richtig umzugehen. Eine klare Linie – ein "Masterplan", wie von Zindeler gefordert - wäre da hilfreich: "Das wäre auch für uns Storchenberater gut, einen Masterplan zu haben", meint der Storchenvater. Denn bisher ist es eine Einzelfallentscheidung und nicht alle Fälle würden gleich vom Regierungspräsidium behandelt. „Eine klare Vorgabe wäre schön.“
Das Problem haben nicht wenige Hausbesitzer, denen Storchennester baulich im Weg sind. Zumal alles als Einzelfallentscheidung läuft, mit wechselnden Zuständigkeiten und was vor allem ganz schön teuer werden kann, wenn es keinen anderen Weg als die Umsiedlung gibt.
Autor:Redaktion aus Singen |
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