Dr. Nils Schmid auf Wahlkampftour in Tengen
Riesen-Runde durch die Politik für den ländlichen Raum

Schmid Schreier | Foto: Dr. Nils Schmid wird von Marian Schreier durch die Baustelle des künftigen Ärztehaus geführt. Mit im Bild Landtagskandidat Hans-Peter Storz. swb-Bild: Strobel
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Tengen. Auf Einladung von SPD-Landtagskandidat Hans-Peter Storz besuchte der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Landes-Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid die Stadt Tengen, um sich mit Bürgermeister Schreier, Ehrenamtlichen und Gewerbetreibenden über aktuelle Herausforderungen auszutauschen.

Der SPD-Landtagskandidat besuchte mit Zweitkandidat Tim Strobel und Nils Schmid die Hegau-Gemeinde am Mittwoch. Die drei informierten sich über den aktuellen Stand beim genossenschaftlich organisierten Ärztehaus, sprachen mit Edwin Keller als Vorsitzendem des Tengener Gewerbevereins, tauschten sich digital mit dem Verein der Büßlinger Begegnungsstätte “Die Linde” aus und besuchten letztlich Tengens Bürgermeister Marian Schreier im Rathaus, um über Kommunalfinanzen sowie aktuelle und zukünftige Herausforderungen für Städte und Gemeinden zu diskutieren.

Novum für Süddeutschland

Marian Schreier, der persönlich durch die Baustelle des Ärztehauses führte, machte im Gespräch klar, dass dies das erste Ärztehaus sei, dass in ganz Süddeutschland genossenschaftlich organisiert wäre. Die Bereitschaft zur Beteiligung wäre groß gewesen. Einerseits wegen des gemeinsamen Ziels der sichergestellten medizinischen Versorgung, aber auch, weil der Ansatz des eigenverantwortlichen Herangehens an das Problem überzeugt hätte. ”Genossenschaften sind in Baden-Württemberg ein Erfolgsmodell und sicherlich eine Lösung für den ländlichen Raum in unserem Kreis”, hielt Hans-Peter Storz fest. Er war sich mit seinen Begleitern einig, dass auch landespolitisch weiter in diese Kerbe geschlagen werden sollte.

Landarztprämien wären vonnöten, um die medizinische Versorgung zu sichern, hätten allerdings lediglich geringe Effekte. Wichtiger sei daher die Unterstützung bei Infrastrukturaufgaben. Auch Innovationsgutscheine für Arztpraxen wären denkbar. Die innovative und vielfältige Organisationsform der Gemeinschaftspraxen passe zu den Bedürfnissen, die junge Ärztinnen und Ärzte heute hätten und daher müssten Projekte wie in Tengen weiter vorangebracht werden, schloss Schmid ab. Denn 40 bis 50 Prozent der Ärztinnen und Ärzte gingen auch im Landkreis Konstanz innerhalb der nächsten Jahre in den Ruhestand, dafür müsse man auch mit solchen Zukunftsmodellen jetzt Vorsorge leisten.

Weniger Bürokratie soll Luft fürs Handwerk geben

Im Gespräch mit Edwin Keller wurde vor allem die Bedeutung des Handwerks für den ländlichen Raum hervorgehoben. “Das Handwerk ist die Zukunft”, sagte Keller, der als Vorsitzender des Tengener Gewerbevereins für insgesamt 80 Mitglieder sprechen konnte. Denn im Handwerk sei man nicht einfach nur eine Nummer, meine Keller auch im Hinblick auf die Auszubildenden in den Betrieben von Tengen, deren Bedingungen man im Blick haben müsse. Schmid verwies auf einen Erfolg der aus der SPD-Regierungszeit: ein Stufenplan für Zuschüsse zu Wohnheimplätzen und Unterbringungen, die damals maßgeblich von ihm und dem damaligen Kultusminister Andreas Stoch vorangebracht worden seien.

Schwierig sei für den Mittelstand außerdem, dass bürokratische Notwendigkeiten für größere Betriebe oft nicht einfach auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen übertragen werden könnten. Diese seien oft mit den vielen Regularien überfordert und könnten kurzfristig nicht immer alles umsetzen. Die Politik solle möglichst oft in die Betriebe vor Ort schauen und gegebenenfalls Nachjustierungen vornehmen, wenn mal etwas nicht klappt.

Im Zuge der Corona-Krise seien nicht alle Maßnahmen völlig nachvollziehbar, wurde beim Termin kritisiert. Storz fügte hinzu: “Die kleinen Betriebe und der Einzelhandel müssen mehr in den Blick genommen werden. Es ist für viele unverständlich, dass bei Real, Lidl und Co. alles verkauft werden dürfe, andere Anbieter allerdings in die Röhre schauen müssen.” Hier benötige es ein konsequentes Vorgehen und mehr Unterstützung für das Rückgrat der regionalen Wirtschaft.

»Die Linde « im Corona-Off

Mit Andrea Ritzi als Vorsitzenden sowie Edwin Keller als stellvertretendem Vorsitzenden des Bürgervereins Linde e.V., der die gleichnamige Begegnungsstätte in Büßlingen betreibt, ging es ebenfalls um die aktuelle Corona-Situation, die dort als Strich durch die Vereinstätigkeiten wahrgenommen wird. Beispielsweise konnte das 10-Jahres-Jubiläum im letzten Herbst nicht gefeiert werden.

Der Verein biete zu normalen Zeiten meist mittwochs die offene Begegnungsstätte an, zu Uhrzeiten, an denen andere Gasthäusern auf dem Land Ruhetag haben, um ihnen somit nicht noch mehr Kundschaft zu nehmen. Schmid deutete an, dass irgendwann stärker über Landesförderung von Dorfgasthäusern nachgedacht werden müsse. “Mit gemeinsamen Abenden, Festen und Neubürger-Veranstaltungen leistet die Linde in Büßlingen wertvolle soziale Arbeit und bildet quasi die Dorfmitte”, beschrieb Storz das Geschehen in Büßlingen. Er sorge sich in der gesamten Vereinswelt auch um den Wegfall von teilweise stark benötigten Minijob-Gehältern und Aufwandsentschädigungen. Insgesamt finde er, müsse das Ehrenamt gestärkt werden und in der Öffentlichkeit mehr Rückhalt erfahren. Denn dieses sei oft genug die tragende Säule im ländlichen Raum, was gesellschaftliche Aktivität angeht.

An Strukturreform angeklopft - und die »Primarschule«

Zuletzt fand sich die Runde am Rathaus bei Bürgermeister Schreier abermals für einen Stadtspaziergang zusammen, währenddessen vor allem über Kommunalpolitik sowie -finanzen und die damit einhergehenden Herausforderungen für Städte und Gemeinden diskutiert wurde. Schreier hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die Städte und Gemeinden aufgrund der finanziellen Ausfälle durch die Corona-Pandemie die Belastbarkeitsstufe vor der Krise erst wieder 2024 erreicht haben werden. Daraus schloss Storz: “Auch 2022 und 2023 müssen Zuschüsse von Land und Bund bereitgestellt werden, damit wichtige Investitionen nicht auf der Strecke bleiben.” Aber auch die Landesanteile von 68 Prozent im Kinderbetreuungsbereich reichten nicht mehr, war sich die Gruppe einig. Mehr noch: Storz verwies darauf, dass auch die Eltern mit dem Streichen der Kitagebühren vonseiten des Landes entlastet werden sollten.

Ein weiterer Punkt, der diskutiert wurde, war die Frage, wohin man mit dem Land in Zukunft wolle und ob aktuelle Verwaltungsstrukturen dafür überhaupt noch tragfähig wären. Verwaltung und Gesellschaft, wie sie künftig funktionieren, veränderten sich, so Schreier, daher müsse man auch über das Zusammenlegen von Kompetenzen und Strukturen nachdenken. Storz fügte hinzu, dass für die weitere Entwicklung des ländlichen Raums ein Sonderfonds zur Wiederbelebung der Ortskerne, beispielsweise durch Quartiersarbeit, geschaffen werde. “Dabei geht es mir nicht nur um die Bereitstellung der Infrastruktur, sondern auch um Unterhalt und aktive Belebung!”, so Storz weiter.

Zuletzt sorgte das Thema Bildung für neue Denkanstöße: Bei rückläufigen Schülerzahlen müsse in Zukunft auch beachtet werden, dass kleine Kinder nicht einfach so längere Wege zum Schulort zurücklegen könnten. Die wohnortnahe Versorgung mit Bildung wäre weiterhin für die SPD ein Herzensanliegen und so müsse ebenfalls über sogenannte Primarschulen nachgedacht werden. Hierbei verbinden sich Kindergärten und erste Klassenstufen der Grundschulen, die ein dezentralisiertes Schulsystem weiter erhalten könnten.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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