Politischer Schlagabtausch beim Schätzelemarkt
Alles was weg kann auch wegmachen an Regulierungen
Tengen. Voller ging es kaum bei der diesjährigen Mittelstandskundgebung zum Tengener Schätzelemarkt. Rund 2.000 Besucher waren ins Festzelt gekommen, aber viele auch, um einfach hier mitzufeiern, wie die langen Schlangen an der Küche zeigten. Aber die doch ganz schön große Zahl an BürgermeisterInnen aus dem Hegau machte deutlich, dass hier ein Bedarf an politischer Botschaft bestand. Manuel Hagel als der neue Hoffnungsträger der CDU im Land sollte hier natürlich liefern – zumal es derzeit reichlich Themen gibt, bei denen der Schuh ganz ordentlich drückt.
Bürgermeister Selcuk Gök sagte gleich zu Anfang, dass diese Kundgebung im Sinne eines Stilwechsels anders werden solle als bisher. Vor allem werde er kürzer reden als sein Vorgänger Marian Schreier, den er hier als Ehrengast aus Berlin begrüßen konnte und der auch gerne gekommen war.
Es gehe in der Ampel-Koalition aus seiner Sicht nur noch darum, den anderen ans Bein zu pinkeln, klagte er den aktuellen Zustand der Politik an, in der sich auch nichts wirklich bewege. Die FDP habe ihre Ziele von der Schuldenbremse über Bord geworfen und beobachte lieber die Grünen als Feinde. Diese zeigten sich völlig überfordert und lebten eigentlich noch immer in der Opposition. Die SPD, deren Mitglied er wie sein Vorgänger ist, sage inzwischen gar nichts mehr. Das sei nicht schlecht, da müsse man sich schon nichts merken.
Und die AfD habe keine Ideen und könne nicht mehr, als „blöde Kommentare“ abzugeben, ging er auf die andere Seite des Parteienspektrums ein. Und die CDU beschränkte sich gerade auf die Frage Wüst oder Merz in Richtung der nächsten Wahl bei so viel Chaos auf Bundesebene. Aber er hoffe, dass er hier für das Land einen Hoffnungsträger präsentieren könne. Er sei noch kein Minister, und noch kein Landesvorsitzender, aber für 2025 brauche die CDU einen Spitzenkandidaten, wenn es um die Nachfolge von Winfried Kretschmann im Land gehe und für Gök könnte das Manuel Hagel sein.
Investitionen lassen sich nicht aufschieben
Gök stellte Tengen als den Ort der Durchhalter vor, der freilich bei vielen Entscheidungen der aktuellen Landesregierung alleine gelassen würden. Bildung und Schule benötigen dringend neue Ausstattung, nicht nur leere Versprechungen. Es gelte schließlich, Jugendliche auf die Herausforderung des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Es brauche auch eine flexible Kinderbetreuung und das sei kein Luxus. Investitionen ließen sich nicht aufschieben, dafür müssen einfach Geld da sein.
Gök forderte auch mehr Investitionen in Infrastruktur und den Ausbau des ÖPNV. „Das sage ich nicht, weil ich gegenwärtig selbst auf den ÖPNV angewiesen bin“, beklagte Gök gerade die für ihn schlechten Anbindungen des ländlichen Raums. Die Landesregierung müsse den Fachkräftemangel angehen, um Talente in der Region zu halten und die jungen Menschen für die Übernahme von Betrieben hier zu begeistern. „Ihre Aufgabe wird sein, daran zu arbeiten“, stimmte er auf die Rede von Hagel sein.
Vor allem an den Rahmenbedingungen müsse angepackt werden: Strom nicht noch teurer und endlich ein Bürokratieabbau. „Wir stehen am Scheideweg einer neuen Ära, auch in unserer Stadt“, meinte Gök. Integration ist für ihn ein Schlüssel, um vorwärtszukommen und da müsse man Arbeitsverbote endlich abschaffen. Auch Tengen sei mit seiner Belastung durch Geflüchtete am Anschlag und es gelte nun mehr und schneller abzuschieben, um Platz für die zu haben, die die Hilfe wirklich bräuchten, sagte Gök, der dafür mit deutlichem Applaus bedacht wurde.
Gut aufs Festzelt eingestellt
Manuel Hagel, der Landtagsabgeordneter in Engen/Donau ist, hatte sich gut aufs Festzelt eingestellt. Er beschwor den Blasmusik-Effekt gegen Kriminalität, denn es gebe Studien, dass eben die jungen Mitglieder von Vereinen durch diese auch gefestigt würden, begann er seine Rede, in der er den Schätzelemarkt gar über das Münchener Oktoberfest stellte, wenn man die Besucherzahl mal zu ins Verhältnis zu den Einwohnern stelle.
Natürlich kam auch die aktuelle Position zum Krieg in Israel und Palästina zur Sprache: Deutsche Staatsraison sollte auch die Sicherheit von Juden hier sein, unterstrich er. Antisemitismus sei keine Meinung.
Hagel forderte im Festzelt eine „180 Grad Wende der deutschen Migrationspolitik“. Denn wer gebraucht werde, brauche viel zu lang, um kommen zu können. Und wer gehen sollte braucht viel zu lange, um zu gehen. "Wer arbeiten kann, der sollte und muss auch zum Arbeiten gehen", machte Hagel seine Position in diesem Thema klar, die natürlich auch heftig beklatscht wurde.
Das Landesjubiläum "70 Jahre Baden-Württemberg", das in diesem Jahr gefeiert wurde, habe aufgezeigt, weshalb das Land aus einem bettelarmen Staat ein so erfolgreiches Modell wurde. Die Baden-Württemberg „DNA“ heiße einfach „Du musch halt schaffe und wenn es ein Problem gibt, dann lass dir was einfallen.“ Es helfe nicht, sich festzukleben, wenn es ein Problem gebe.
Nirgendwo habe das Ehrenamt mehr Bedeutung wie hier im ländlichen Raum, hob er den Tengener Gewerbeverein unter der Leitung von Edwin Keller als Musterbeispiel hervor. Diese Begriffe gelte es wieder deutlicher zu besetzen, denn das habe was mit der Haltung in diesem Land zu tun.
Hagel zeigte sich besorgt, dass laut aktuellen Umfragen nur noch die Hälfte der Befragten überzeugt seien, dass die Demokratie die beste Staatsform sei. Es gehe da nicht um eine Sehnsucht nach Kaisern, sondern um einen Überdruss, weil die Politik so kompliziert und langsam geworden sei. Und da könne er keiner politischen Farbe die Schuld geben, denn „in den letzten Jahren hat jede Partei mal regiert, deshalb sind auch alle Schuld“.
Die Politik müsse wieder lernen, nicht immer die Einzelfälle zu regeln und damit die Gemeinschaft aller zu belasten. „Es gibt kein Leben ohne Risiko, das ist ein Leben ohne Freiheit“, rief Hagel ins Festzelt. „Alles, was weg kann an Regulierung, muss weg, aber schnell. Machen beginnt mit dem Wollen.“
Hagel forderte auch, dass ein guter Hauptschüler genauso viel wert sein solle wie ein Abiturient, denn es brauche gerade die Meister für die Zukunft des Landes. Hegel hob zum Schluss seiner Rede heraus, dass Menschen, die eine rote Wurst beim Fußball oder hier auf dem Fest essen würden, keine schlechteren Menschen seien. Und dass man auch bei den Kindern den Cowboy oder Indianer an der Fastnacht nicht verbieten solle. "Wenn wir einen Hintern in der Hose haben, dann liegen die besten Zeiten noch vor uns."
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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