WOCHENBLATT-Interview mit Polizeichef Gerhard Buchstab
Wohnungen im Visier von Dieben
Stockach. Ein Jahr im Amt. Zeit nachzufragen, wie sich Gerhard Buchstab eingelebt hat. Ein WOCHENBLATT-Interview mit Stockachs Polizeichef.
WOCHENBLATT: Wie geht es Ihnen nach einem Jahr in Stockach?
Gerhard Buchstab: Ich bin in Stockach angekommen. Ich fühle mich hier sehr wohl, und ich bin auch überrascht, wie schnell das erste Jahr vergangen ist. Aber es gab eben auch viel zu tun.
WOCHENBLATT: Haben Sie für diese Aufgabenfülle denn auch das nötige Personal?
Gerhard Buchstab: Wir könnten natürlich mehr Personal gebrauchen, aber wir sind noch in der Lage, alle Aufgaben und Dienstleistungen zu erledigen. Durch Krankheiten und besondere Lagen kann es passieren, dass Kollegen Zusatzdienste übernehmen müssen – doch die Bereitschaft dazu besteht. Nach wie vor habe ich sehr motivierte Mitarbeiter, auf die ich mich verlassen kann und die gegebenenfalls ihr Privatleben bei Bedarf hintenan stellen.
WOCHENBLATT: Sollten die Polizeireviere im Zuge der Polizeireform nicht personell aufgestockt werden?
Gerhard Buchstab: Das stimmt. Jedes Polizeirevier sollte zwei Kollegen mehr bekommen. Doch die sind noch nicht angekommen, denn die neue Struktur bindet eben auch Personal. Mit 45 Haushaltsstellen in Stockach sind wir das kleinste Polizeirevier des Polizeipräsidiums Konstanz, aber die Kollegen der umliegenden Reviere unterstützen im Bedarfsfall auch mal.
WOCHENBLATT: Diese Polizeireform 2014 mit der Bildung von Präsidien und der Auflösung der Landespolizeidirektionen wurde ja viel diskutiert. Hat sie sich denn bewährt?
Gerhard Buchstab: Aus meiner Sicht schon, denn die Umstrukturierung hat die Polizei vorangebracht. Beispielsweise können durch die Führungs- und Lagezentren die Einsätze effektiver koordiniert werden, weil der Notruf zentral entgegengenommen wird und der jeweilige Einsatzsachbearbeiter den Überblick über das Gesamteinsatzgeschehen und die zur Verfügung stehenden Kräfte hat. Die Reform hat aber auch Personal gebunden. Sicher gibt es noch Korrekturbedarf, welcher durch eine landesweite Evaluation gerade ermittelt wurde.
WOCHENBLATT: Wie haben sich denn die Fallzahlen in der Verwaltungsgemeinschaft Stockach entwickelt?
Gerhard Buchstab: Die Straftaten sind 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent gesunken – von 1.445 auf 1.355 Fälle. Gleichzeitig haben die aufgeklärten Fälle um 8,8 Prozent zugenommen. Gewalt gegen Polizeibeamte gab es in sechs Fällen. Die Zahl der Körperverletzungen ist von 158 auf 214 Delikte angestiegen, die Diebstähle sind von 462 auf 394 um 14,7 Prozent zurückgegangen. Darunter sind allerdings die Wohnungseinbrüche um einen Fall von 32 auf 33 Fälle etwas angestiegen. Zu Beginn dieses Jahres gab es bereits einige Einbrüche in Wohnungen und Häuser.
WOCHENBLATT: Wie können sich Bürger vor diesem Eindringen in ihren ganz persönlichen Bereich schützen?
Gerhard Buchstab: Die Dreistigkeit von Tätern nimmt in der Tat zu. Da empfiehlt es sich, das Eigentum zu schützen, Haus oder Wohnung einbruchssicher zu machen, Verschlussmöglichkeiten zu prüfen, die Rollläden beim Verlassen herunterzulassen und keine Einstiegshilfen wie Leitern herumstehen zu lassen. Auch Aufmerksamkeit ist wichtig. Zu schauen, wer befindet sich auf dem Nachbargrundstück und wenn es schnell gehen muss, den Notruf unter 110 wählen. Auch sollten in Haus und Wohnung keine Wertgegenstände herumliegen. Denn die Täter haben es meistens auf Bargeld oder Schmuck abgesehen.
WOCHENBLATT: Und was kann die Polizei tun?
Gerhard Buchstab: Wir zeigen verstärkt Präsenz in den Wohngebieten und sprechen gezielt verdächtige Personen an, sind aber auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Hinzu kommen eine qualifizierte kriminaltechnische Tatortarbeit und intensive Ermittlungen, sowohl im regionalen, als auch überregionalen Bereich.
WOCHENBLATT: Gibt es denn auch verstärkt Probleme im Bereich illegaler Drogen?
Gerhard Buchstab: Wir stellen fest, dass wir hier ein Feld haben, das es zu bearbeiten gilt. Das betrifft sowohl das Konsumieren als auch das Dealen mit illegalen Drogen. Oft ergeben sich daraus weitere Straftaten. In der Tat ist ein Anstieg zu bemerken, dem wir mit spezialisierten Beamten im Haus entgegenwirken.
WOCHENBLATT: Immer wieder sind Klagen über die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft in der Zoznegger Straße und im ehemaligen Hotel »Linde« zu hören. Ist hier ein Anstieg der Straftaten zu verzeichnen?
Gerhard Buchstab: 2015, in der Zeit der großen Flüchtlingsströme, hatten wir mehr Einsätze zu verzeichnen, inzwischen ist es deutlich ruhiger geworden. Und diese Einsätze stehen meist im Zusammenhang mit dem Zusammenleben untereinander. Es gibt zuweilen Straftaten, aber nicht in übergroßem Maße. Die Präsenz der Polizei vor den Einrichtungen ist zuweilen auch darauf zurückzuführen, dass wir Abschiebungen durchführen müssen.
WOCHENBLATT: Wie laufen diese Abschiebungen ab?
Gerhard Buchstab: Die Polizei fährt – gegebenenfalls in Begleitung eines Arztes oder eines Vertreters der sozialen Dienste – zur Asylbewerberunterkunft. Der Abzuschiebende bekommt Gelegenheit, seine Sachen zusammenzupacken und wird dann nach Reutlingen zur zentralen Abschiebestelle gebracht. Das lief bisher ohne nennenswerte Probleme ab, denn der Abschiebung ging ja immer ein monatelanges Verwaltungsverfahren voraus.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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