WOCHENBLATT-Interview mit Dr. Frank Weigelt als Hauptstellen-Leiter der VHS Stockach
»Wir brauchen Input aus der Gesellschaft«
Stockach. Er ist der neue »Mister Weiterbildung« in Stockach. Dr. Frank Weigelt hat die Leitung der Hauptstelle der Volkshochschule in der Hauptstraße 1 übernommen. Ein Gespräch mit ihm zu Zielen, Zwecken und Zukunft.
WOCHENBLATT: Sie wurden am »Schmotzigen Dunschdig« zum Stockacher Laufnarren geschlagen. Wie fühlt sich das an?
Frank Weigelt: Ich fühle mich geehrt, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, im Kreis der anwesenden Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker zum Laufnarren geschlagen zu werden. Es ging mir aber auch darum, schnell in Stockach integriert zu werden. Das ist wichtig, wenn man eine solche Stelle begleitet.
WOCHENBLATT: Im Stockacher Narrengericht gibt es satzungsgemäß keine Frauen, Sie dagegen sind bei der Vhs von vielen Frauen umgeben. Wie fühlen Sie sich allein unter so vielen Damen?
Frank Weigelt: Das bin ich durchaus gewohnt. In meinem Studienfach Ethnologie liegt der Frauenanteil bei etwa 90 Prozent. Zudem bin ich in der Vhs durchaus nicht allein unter den Damen, auch Radolfzell hat einen Hauptstellenleiter. Aber die Frage nach der Geschlechterverteilung habe ich mir noch gar nicht gestellt, da ich keineswegs darauf fixiert bin.
WOCHENBLATT: Egal, ob Frau oder Mann, E-Learning und Internet sind auf dem Vormarsch. Ist da ein Weiterbildungskonzept wie das der Vhs noch zeitgemäß?
Frank Weigelt: Aber natürlich. Meine Erfahrung zeigt, dass E-Learning zum Teil generationenabhängig ist und man damit nicht alles vermitteln kann, was man möchte. Und es funktioniert auch nicht immer. Ich wohne beispielsweise im sehr ländlichen Raum bei Engen – da ist die Internetversorgung alles andere als optimal. Unsere Art der Wissensvermittlung mit einem Podium, Kommunikation und Austausch mit anderen ist nach wie vor nötig und gefragt.
WOCHENBLATT: Einen Doktortitel haben Sie bereits. War eine Professur kein Thema?
Frank Weigelt: Die Wissenschaft ist ein hart umkämpfter Platz, die wenigen Dauerstellen – meist Professuren, gerade in den Geisteswissenschaften – sind heiß begehrt, und die Konkurrenz ist groß. Die berufliche Situation an Universitäten in Deutschland und in der deutschen Wissenschaftslandschaft ist aufgrund des Wissenschaftszeitvertragsgesetz oft prekär. Man muss flexibel, lokal ungebunden und mobil sein. Das aber lässt sich mit dem Wunsch nach und mit der Lebensrealität einer Familie nur schwer bis gar nicht vereinbaren.
WOCHENBLATT: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Blick auf den Besuch von Deutschkursen bei Flüchtlingen?
Frank Weigelt: Die Nachfrage nach Integrations- und Alphabetisierungskursen ist stark gestiegen, was auch mit der Flüchtlingswelle 2015 zusammen hängt. In der Migrationsforschung besteht die Erkenntnis, dass viele Geflohene am Anfang ihres Aufenthalts im Aufnahmeland oft den Wunsch hegen, in ihre Heimat zurückkehren wollen. Nach ein paar Jahren, manchmal zwei oder mehr Jahren, möchten, müssen oder wollen sie dann aber doch aus den unterschiedlichsten Gründen bleiben und machen sich Gedanken über eine Integration. Dazu muss die Sprache erlernt werden. Im Resultat entsteht dann ein gestiegenes Bedürfnis nach solchen Kursen.
WOCHENBLATT: Sie haben bei der Vorstellung des Semesterprogramms der Vhs angekündigt, dass Sie den Stockacher Raum puschen wollen. Wie soll das geschehen?
Frank Weigelt: Zuerst muss ich die Rahmenbedingungen sowie die Interessen und Bedürfnisse in der Bevölkerung kennenlernen und mich in meinen Aufgabenbereich einarbeiten. Daher bin ich darauf angewiesen, dass die Menschen mit Ideen kommen und uns mitteilen, welche Kurse sie sich wünschen oder wo Bedürfnisse bestehen. Auch neue Dozierende mit neuen Ideen, die ihre Kurse wohnortnah anbieten wollen, sind sehr willkommen. Hier sind wir für jeglichen Input dankbar. Dann möchte ich die Kooperation mit den örtlichen Schulen stärken – auch mit Blick auf eine mögliche Nutzung der Räumlichkeiten. Künftig soll es zudem auch mehr Vorträge und Ausstellungen geben, die einen direkten Bezug zu Stockach und zur Region Stockach haben. Die Vhs soll, wie Bürgermeister Rainer Stolz es so schön ausgedrückt hat, »in der Gesellschaft atmen«.
WOCHENBLATT: Was planen Sie für die Außenstellen in den Stockacher Umlandgemeinden?
Frank Weigelt: Auch hier freuen wir uns über Rückmeldungen und Ideen. Es kann uns gerne mitgeteilt werden, wo Bedarf besteht. So wurde uns beispielsweise Interesse an Qi-Gong- und Tai-Chi-Kursen gemeldet. Wir wollen zudem die Angebote in den Außenstellen noch stärker über verschiedene Medien kommunizieren und vermehrt Präsenz zeigen. Das geht aber nur, wenn wir dort auch qualifizierte Dozierende gewinnen können.
WOCHENBLATT: Sie sind mit einer 50-Prozent-Stelle im gesamten Verbreitungsgebiet der Vhs des Landkreises Konstanz für die Kultur zuständig und außerdem Stockacher Hauptstellenleiter. Wie teilen Sie Ihre Arbeitszeit zwischen beiden Bereichen auf?
Frank Weigelt: Beide Bereiche lassen sich optimal verbinden und ergänzen. Bei meiner Tätigkeit habe ich immer den Landkreis und auch Stockach im Blick, und Ausstellungen und Lesungen aus anderen Gebieten können auch in Stockach organisiert werden. So planen wir unter Federführung von Frau Dr. Jacobs-Krahnen für das nächste Semester mit Kooperationspartnern eine Krimireihe mit lokalem Bezug. Dabei werden wir auch diesbezügliche Lesungen in Stockach anbieten.
WOCHENBLATT: Die Menschen haben immer weniger Zeit – auch für den Besuch regelmäßiger Kurse. Wie hält die Vhs dagegen?
Frank Weigelt: Es gibt Überlegungen, die Kurse fließender zu gestalten, etwa die Semestertaktung aufzubrechen und Veranstaltungen außerhalb der üblichen Zeiten anzubieten. Dazu gibt es neue Formate wie Kurzkurse, zielgerichtete Kurse und Intensivkurse. Bei der Gestaltung des Programms wollen wir noch berufsfreundlicher werden.
WOCHENBLATT: Sie kommen aus Hamburg. Sehen Sie Ihre berufliche Zukunft dennoch in der Kleinstadt Stockach?
Frank Weigelt: Mein Vater stammt aus Stetten am kalten Markt – sowohl meine Familie als auch die Familie meiner Frau leben hier in der Region und in der Zentralschweiz. Meine Frau ist Lehrerin in Konstanz und unsere Kinder gehen hier in den Kindergarten. Wir sind froh, wieder zuhause zu sein. Interview: Simone Weiß
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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