Jürgen Koterzyna zur zweiten Fastnacht ohne Verhandlung vor dem Narrengericht
Wenn man hineingeht in die Schlacht, ...muss man auch sehen, wie man da wieder rauskommt

Hans Kuony | Foto: Hans Kuony, bei Nacht und Nebel ...
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Stockach. Sie gilt mehr denn je auch heute, die damalige Weisheit des einstigen Hofnarren »Hans Kuony von Stocken«, der einst bei der berühmten Schlacht von Morgarten in der Schweiz den Führern den Rat gab, dass man nicht nur wissen sollte, wie man in die Schlacht kommt, sondern immer auch wissen sollte, wie man da rauskommt. Diesen Leitsatz könnte man eigentlich 365 Tage im Jahr nutzen, meint der aktuelle Stockacher Narrenrichter Jürgen Koterzyna.
Wie er schon in der aktuellen Stockacher Zeitung der Zunft, der »Hans Kuony-Post« schreibt, trifft das für ihn auch auf die Situation in der Ukraine auf Putin zu, oder auf die CDU, die solche Mühe hatte einen Vorsitzenden zu finden und deshalb die Wahl verlor.
Das gilt für ihn sogar für einen privaten Streit, bei dem man auch wieder sehen müsse, wie man danach wieder miteinander klarkomme. Dieser Satz ist für ihn eine »Allerweltswaffe«.
Dazu ein Interview mit Jürgen Koterzyna zur anstehenden Fastnacht, die auch in Stockach eine ganz kleine mit wenigen Veranstaltungen werden wird.

Frage: Herr Koterzyna: Sie können Ihre berühmte Gerichtsverhandlung dieses Jahr wieder nicht durchführen. Es wird ein Geheimnis bleiben, wer da der oder die Beklagte geworden wäre, aber sicher wäre Corona und die Politik dazu ein Thema gewesen.
Jürgen Koterzyna: Eigentlich nicht, wir wollten da schon gerne aktuelle Themen abarbeiten, den Euro zum Beispiel oder die EU-Erweiterung oder auch etwas ganz anderes. So eine alte Kamelle wie Corona wäre da sicher nicht Klagepunkt gewesen.

Frage: Aber Corona ist ja eigentlich nicht aufgearbeitet und die Narren müssten eigentlich gewisse Rachegelüste haben, schon weil ihnen jetzt schon die zweite Fastnacht deswegen fast schon kaputt gemacht wird.
Jürgen Koterzyna: Warum sollen wir da sauer sein auf ein Virus, das uns einbremst, das uns alles verbietet. Das Virus kann ja nichts dafür.
Es ist ja seine Lebensaufgabe, sich zu verbreiten und Varianten zu bilden, um erfolgreich zu sein.
Da jetzt böse zu sein, wäre wirklich nicht gut.

Frage: Aber geht es nicht um die Frage, wie damit umgegangen wird? Die Narren stehen ja auch für eine Freíheit, die nämlich der Narrenschelte, die der Politik den Spiegel vorhält?
Jürgen Koterzyna: Da sind wir doch dem Virus dankbar, dass es uns nun entlässt.
Wir waren ja immer in Hallen oder in Säle gebunden, jetzt werden wir ermutigt, in Freiheit nach draußen zu gehen, um unsere Fastnacht dort zu feiern. Das ist doch toll. Außerdem hatten wir das Virus ja letztes Jahr schon angeklagt und symbolisch verurteilt und es hat auch nichts gebracht.

Frage: Also, Sie können nun unbeschwert Ihre Traditionen pflegen, in den Grenzen, die es halt jetzt gibt?
Jürgen Koterzyna: Wir können unser ganzes Brauchtumsrepertoire zu 100 Prozent ausleben. Da engt uns kein Virus ein. Wichtiger ist, dass wir dann die nächste Fastnacht wieder machen können.

Frage: Trotzdem ist es für Sie als Narrenrichter eine harte Zeit?
Jürgen Koterzyna: Es ist jetzt mein sechstes Jahr und zwei Verhandlungen fehlen mir schon. Dem Kollegium des Narrengerichts fehlen nun auch zwei Weinstrafen, das kommt dazu. Zu Corona kommt dann noch ein leerer Weinkeller hinzu, das ist für einen Gerichtsnarren nur schwer zu ertragen.

Frage: Das heißt, ihr müsstet als Narrengericht nun euren Wein wieder selber kaufen?
Jürgen Koterzyna: Wir werden die Vorräte aufbrauchen. Wir darben noch nicht, denn wir hatten auch mit dem Wein immer schon vorsichtig gewirtschaftet.

Frage: Also blickt ihr mit Mut nach vorne. Aber wird sich die Fastnacht nicht verändern nach diesen zwei Ausnahmejahren?
Jürgen Koterzyna: Ich glaube, man wird sich die Wunden lecken und dann wird alles so sein wie davor. Wenn es keine Einschränkungen mehr gibt, also keine Masken mehr und wieder volle Besetzung im Saal und keiner Abstand halten muss, dann wird die Fastnacht wieder eins zu eins so sein, wie vielleicht vor drei Jahren. Die Leute werden wieder auf Bälle gehen, werden wieder ins Häs gehen, zum »Schnurren« gehen durch die Wirtschaften, sie werden tanzen. Meine Sorge ist, dass wenn nur ansatzweise kleinste Einschränkungen sind, dann werden diese dazu führen, dass sich die Leute so fühlen wie letztes Jahr.
Das nehmen die Menschen nicht nur als kleine Einschränkung wahr, ist meine Befürchtung. Wenn nächstes Jahr noch immer die Masken nötig wären, würde der Geist schon gefährdet sein. Nachhaltig. Es würde auch uns keinen Spaß machen.

Frage: Aber Ihnen macht Fastnacht noch Spaß?
Jürgen Koterzyna: Natürlich. Es ist wirklich anstrengend. Aber es gibt viele Momente, wo man merkt, dass es den anderen auch Spaß macht. Schlimmer wird es, wenn der Kreis derer, denen es Spaß macht, dadurch immer kleiner wird. Sonst stehen Aufwand und Engagement nicht mehr im Verhältnis.
Eine private und wilde Fastnacht hat es auch in Kriegszeiten immer gegeben. Deshalb legen wir großen Wert darauf, gerade mit den Kindern zu feiern, sie zu besuchen oder auch über den »Arbeitskreis Narresome« und ihnen die Freude dieses Brauchtums zu vermitteln. Gottseidank ist es dieses Jahr bei uns in Stockach und sicher auch in den anderen Städten erlaubt, am »Schmotzigen Donnerstag« verkleidet in die Schule gehen zu dürfen, trotz allem. Denn das ist ja die Zukunft unserer Fastnacht. Und die Erwachsenen brauchen wieder Gemeinschaftserlebnisse. Es ist ja schön, dass wir alles, was schön ist, jetzt vermissen. Das hat uns eben Hans Kuony so auch mitgegeben.

Hans Kuony | Foto: Hans Kuony, bei Nacht und Nebel ...
Jürgen Koterzyna | Foto: Narrenrichter Jürgen Koterzyna sieht Corona schon als abgehandelt an. swb-Bild: of
Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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